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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Carsten Stahn


V. Staatsangehörigkeit

1. Erwerb

      16. Durch Urteil vom 23.3.2000 (5 C 9/99 = DVBl. 2000, 1531) präzisierte das BVerwG die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Eintragung in die Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4.3.1941.26 Das BVerwG sprach einer in Polen geborenen Klägerin einen Anspruch auf Erteilung eines Vertriebenenausweises zu, weil ihr Vater zum Zeitpunkt ihrer Geburt im Jahre 1949 durch Einbürgerung aufgrund � 5 der Verordnung über die Deutsche Volksliste die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf erworben habe. Zwar könne bei Personen, die in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen waren, nicht generell davon ausgegangen werden, daß der Antrag auf Aufnahme in die Volksliste auch von dem nach � 6 BVFG a.F. erforderlichen Willen und dem Bewußtsein getragen war, ausschließlich dem deutschen Volk als national geprägter Kulturgemeinschaft anzugehören, weil der Antrag in vielen Fällen nicht aus freien Stücken gestellt worden sei. Jedoch lasse sich die deutsche Volkszugehörigkeit des Vaters der Klägerin aus Indizien herleiten, insbesondere der Tatsache, daß er als Kleinkind vorrangig mit der deutschen Sprache aufgewachsen und diese im häuslichen Bereich die ganz überwiegend gebrauchte Sprache gewesen sei. Denn die Tatsache, daß Deutsch die Muttersprache des Betroffenen war, indiziere in aller Regel zugleich auch eine deutsche Erziehung und die Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis. Weiterer zusätzlicher Indizien bedürfe es in diesen Fällen nicht mehr.

      17. Das OVG Münster entschied durch Urteil vom 27.6.2000 (8 A 609/00 = InfAuslR 2001, 29), daß die Einbürgerung eines anerkannten Asylberechtigten kurdischer Volkszugehörigkeit und türkischer Nationalität nach � 8 StAG27 abgelehnt werden darf, weil dieser wegen Unterstützung der in Deutschland verbotenen PKK nicht die Gewähr dafür biete, daß er sich zur freiheitlichen, demokratischen Grundordnung bekenne. Es liege nicht im öffentlichen Interesse, denjenigen als neuen Staatsangehörigen aufzunehmen, dessen Haltung befürchten lasse, er werde die wertgebundene Ordnung des Grundgesetzes nicht bejahen oder sich gar gegen sie wenden. Die Ziele der PKK seien unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Wer für die Ziele dieser Partei eintrete, dokumentiere eine mangelnde Identifizierung mit dem Wertesystem der deutschen Verfassung. Daß sich die Aktivitäten der PKK gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und darüber hinaus auch gegen die Sicherheit des Bundes richteten, folge aus der Aufrechterhaltung des Betätigungsverbots der Partei in Deutschland sowie aus der fortbestehenden Einschätzung der Bundesregierung, die PKK stelle nach wie vor ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Deutschland dar. Auch wenn man davon ausginge, daß die PKK die von ihr für das kurdische Volk propagierte Herrschaftsordnung nur auf dem Territorium der Türkei und nicht auf deutschem Boden durchsetzen wolle, bedeute ihre Präsenz und ihr hoher Organisationsgrad wie auch die große Zahl ihrer Anhänger in Deutschland eine Gefährdung der hiesigen Werteordnung. Ferner sei es auch nicht ermessensfehlerhaft die Einbürgerung zu verweigern, wenn sich der Bewerber als bloßer Unterstützer der PKK erweise, ohne zugleich aktiv-kämpferisch und mit Gewalt für diese Vereinigung einzutreten. Denn an der Gewähr, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen, fehle es bereits, wenn sich der Einbürgerungsbewerber in weniger herausgehobener Weise für die Ziele einer verfassungsfeindlichen Organisation einsetze oder er diese durch Finanzierung oder Teilnahme an Veranstaltungen unterstütze. Schließlich sei das Einbürgerungsermessen bei PKK-Unterstützern auch nicht durch das Wohlwollensgebot des Art. 34 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.195128 eingeschränkt. Zwar enge das Abkommen die Ermessensfreiheit der Behörde ein, da den begünstigten Personen in der Regel der Schutz fehle, den ein Staatsangehöriger durch seinen Heimatstaat erhalte, jedoch dürfe die Einbürgerung in jenen Fällen abgelehnt werden, in denen staatliche Belange dem Ersuchen entgegenstünden.




      26 RGBl. 1941 I,118.

      27 I.d.F. des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999, BGBl. 1999 I, 1618.

      28 BGBl. 1953 II 559, ergänzt durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.1.1967 (BGBl. 1969 II, 1293).