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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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J. Christina Gille


III. Wirkungen und Grenzen staatlicher Souveränität

1. Grenzen der Ausübung eigener Staatsgewalt

a) Staatenimmunität

      7. Das BAG betonte mit Urteil vom 25.10.2001 (2 AZR 501/00 - BB 2002, 787), daß ein ausländischer Staat hinsichtlich arbeitsrechtlicher Bestandsstreitigkeiten mit Konsulatsangestellten, die nach dem Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses originär konsularische (hoheitliche) Aufgaben wahrzunehmen haben, grundsätzlich nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist und daß dies auch für ein Arbeitsverhältnis eines Vertragsstaats des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität17 (EuSIÜ) mit einer deutschen Botschafts- bzw. Konsulatsangestellten gilt.18 Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, war seit dem 2.3.1973 Angestellte des beklagten Königreichs Belgien. Ab 5.7.1991 war sie im Kölner Büro der belgischen Botschaft in Bonn tätig. Dort war sie, auch nach dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens19, befugt, in der Visumabteilung des Büros Visa zu unterzeichnen. Außerdem war sie in der Liste der Unterschriftsbefugten aufgeführt, und ihr blieb der Dienststempel der Botschaft überlassen. Nachdem ihr gekündigt worden war, stritten die Parteien vor dem BAG darüber, ob für eine Klage der Klägerin gegen die Kündigung die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben war. Das BAG entschied, daß nach � 20 Abs. 2 GVG die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei. Nach Art. 5 Abs. 1 EuSIÜ könne zwar ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betreffe und die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten sei. Jedoch berühre das EuSIÜ nach Art. 32 EuSIÜ nicht die Vorrechte und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen sowie der diesen angehörenden Personen. Dies stelle klar, daß das Übereinkommen die diplomatische und konsularische Immunität weder mittelbar noch unmittelbar beeinträchtigen solle. Im Falle eines Widerspruchs zwischen dem Übereinkommen und den Bestimmungen der Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen20 (WÜD) und über konsularische Beziehungen21 (WÜK) sollten letztere den Vorrang haben. Auch ein Vertragsstaat des EuSIÜ könne deshalb bei einem Rechtsstreit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Angestellten seiner Botschaft bzw. seines Konsulats nach dem WÜK und den allgemeinen Regeln des Völkerrechts in weiterem Umfang Immunität beanspruchen als bei einem sonstigen Arbeitnehmer, für den nur Art. 5 EuSIÜ gelte. Insbesondere gelte der allgemeine völkerrechtliche Grundsatz ne impediatur legatio, der auch im WÜK verankert sei. Nach dessen Art. 71 Abs. 2 dürfe der Empfangsstaat über andere Mitglieder der konsularischen Vertretung, etwa wenn sie Angehörige seines Staates seien, seine Hoheitsgewalt nur so ausüben, daß er die Wahrnehmung der Aufgaben der konsularischen Vertretung nicht ungebührlich behindere. Aus Art. 32 EuSIÜ ergebe sich, daß dieses, was Botschafts- und Konsulatsangestellte anbelange, die Hoheitsgewalt des jeweiligen Vertragsstaates nicht weiter einschränken wolle, als dies nach den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln und dem WÜK bei Inkrafttreten des EuSIÜ der Fall gewesen sei. Dafür spreche ebenfalls, daß bei dem sogenannten Fakultativregime des Art. 24 Abs. 1 EÜSI ausdrücklich geregelt sei, daß die Immunität von der Gerichtsbarkeit, die fremde Staaten hinsichtlich der in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommenen Handlungen (acta iure imperii) hätten, unberührt bleibe. Nach � 20 Abs. 2 GVG sei ein ausländischer Staat hinsichtlich arbeitsrechtlicher Bestandsstreitigkeiten mit Konsulatsangestellten, die nach dem Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses originär konsularische (hoheitliche) Aufgaben wahrzunehmen hätten, grundsätzlich nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen. Dies gelte auch für eine Botschaftsangestellte, die in einer Nebenstelle der Botschaft konsularische Aufgaben verrichte. Andernfalls drohe ein Konflikt mit dem Grundsatz ne impediatur legatio und eine zumindest abstrakte Gefährdung der Funktionsfähigkeit der ausländischen Behörde. An dieser Rechtsprechung sei auch für ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Vertragsstaat des EuSIÜ mit einer deutschen Botschafts- bzw. Konsulatsangestellten festzuhalten.

      8. Mit Beschluß vom 16.2.2001 (28 Sch 23/99 - NJOZ 2001, 727) stellte das KG Berlin fest, daß der Russischen Föderation keine generelle Staatenimmunität bei Klagen nach �� 1061, 1062 ZPO aufgrund des deutsch-sowjetischen Investitionsschutzvertrages22 zusteht. Streitig war die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Internationalen Schiedsgerichts in Stockholm vom 7.7.1998, in dem dieses seine Zuständigkeit wegen einer Enteignung von Kapitalanlagen nach dem beiderseits ratifizierten Investitionsschutzvertrag bejahte und dem Antragsteller einen Teil der geltend gemachten Forderungen als Entschädigung zusprach. Diesem Schiedsspruch lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller hatte 1990/91 gemeinsam mit einer St. Petersburger Behörde eine geschlossene Aktiengesellschaft nach russischem Recht gegründet, in die neben Geld seitens der St. Petersburger Behörde Liegenschaften eingebracht worden waren. 1992 schuf die Antragsgegnerin im Rahmen neuer Gesetze einen Bundesvermögensfonds, mit dem während der stattfindenden Privatisierung das staatliche Vermögen einschließlich Einlagen in Gemeinschaftsunternehmen gesichert werden sollte. In Umsetzung dessen ordnete der Präsident der Antragsgegnerin am 4.12.1994 durch eine Direktive die Übertragung der in die Aktiengesellschaft eingebrachten Liegenschaften auf das ihm zugeordnete "Beschaffungsamt" an. Nach einem Gerichtsbeschluß wurden die Liegenschaften vom Antragsgegner im Oktober 1995 teilweise versiegelt und im Januar 1996 beschlagnahmt. Das KG erachtete den Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach �� 1061 Abs. 1, 1062 Abs. 2 ZPO i.V.m. mit dem Schiedsspruch-Übereinkommen23 sowie dem Investitionsschutzvertrag als zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin sei nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit nach �� 18 ff. GVG befreit. Ebenso bestehe für sie keine generelle Vollstreckungsimmunität. Verfahrensgegenstand sei kein Eingriff in hoheitliche Rechte der Antragsgegnerin. Es gebe ferner kein allgemeines Verbot der Zwangsvollstreckung in das Vermögen fremder Staaten. Hinzu komme, daß die Partner des Investitionsschutzvertrages in Art. 10 Abs. 4 Unterabsatz 2 ausdrücklich bestimmt hätten, daß der Schiedsspruch anerkannt und nach Maßgabe des Schiedsspruch-Übereinkommens vollstreckt werde. Hierin liege ein Verzicht der Parteien des Investitionsschutzvertrages auf zuvor etwaig angenommene Immunitätsrechte betreffend die Vollstreckbarerklärung eines im Geltungsbereich des Investitionsschutzvertrages ergangenen Schiedsspruchs. Im vorliegenden Fall werde der Schiedsspruch von Art. 4 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 des Investitionsschutzvertrages (Maßnahmen der Enteignung einschließlich Verstaatlichung durch eine Vertragspartei) erfaßt. Es würde den Grundsätzen des Völkerrechts widersprechen, wenn die Antragsgegnerin an dieser von ihr bewußt eingegangenen Bindung durch die innerstaatlichen Gerichte des anderen Vertragsstaats nicht festgehalten werden könnte.




      17 Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16.5.1972, ETS 74, BGBl. 1990 II, 34.

      18 Zur fehlenden deutschen Gerichtsbarkeit für die Kündigungsschutzklage einer deutschen, mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben betrauten Botschaftsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika siehe LAG Berlin, Urteil vom 4.7.2001 (13 Sa 131/01 - MDR 2001, 1421).

      19 Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 14.6.1985, GMBl. 1986, 79; i.V.m. dem dazugehörigen Durchführungsübereinkommen (Anm. 37).

      20 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961, BGBl. 1964 II, 957, 1006, 1018.

      21 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963, BGBl. 1969 II, 1585, 1674, 1688.

      22 Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13.6.1989, BGBl. 1990 II, 342.

      23 Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) vom 10.6.1958, BGBl. 1961 II, 121; zur Geltendmachung der Befangenheit des Schiedsrichters im Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche unter dem Gesichtspunkt des ordre public siehe BGH, Urteil vom 1.2.2001 (III ZR 332/99 - IPRax 2001, 580); zum Verstoß gegen den deutschen ordre public bei willkürlicher Bejahung der eigenen Zuständigkeit durch das ausländische Schiedsgericht siehe OLG Rostock, Urteil vom 22.11.2001 (1 Sch 3/2000 - IPRax 2002, 401).