Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001

2001


Inhalt | Zurück | Vor

J. Christina Gille


III. Wirkungen und Grenzen staatlicher Souveränität

2. Anerkennung fremder Hoheitsakte

      12. In einem Beschluß vom 28.2.2001 (2 StR 458/00 - NStZ 2001, 557) erklärte der BGH, daß auch ein rechtskräftiger Freispruch Strafklageverbrauch i.S.v. Art. 54 SDÜ37 und Art. 1 EG-Ne bis in idem-Übereinkommen38 bewirkt.39 Nach Art. 54 SDÜ dürfe derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden sei, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, daß im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt sei, gerade vollstreckt werde oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden könne. Der von Deutschland gemäß Art. 54 SDÜ erklärte Vorbehalt greife im vorliegenden Fall nach dem 2. Halbsatz der Regelung nicht, da die Tat auch im Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen worden sei, in dem das Urteil ergangen sei. Auch ein rechtskräftiger Freispruch bewirke Strafklageverbrauch nach Art. 54 SDÜ. Andernfalls sei die Wendung "im Fall der Verurteilung" sowie die Differenzierung zwischen Ab- und Verurteilung in Art. 54 SDÜ nicht verständlich. Diese Auslegung ergebe sich auch aus der Denkschrift der Bundesregierung zum gleichlautenden Art. 1 des EG-Ne bis in idem-Übereinkommens vom 25.5.1987. Danach solle der Grundsatz ne bis in idem auch auf ausländische Urteile erstreckt werden, durch die ein Angeklagter freigesprochen worden sei. Das EG-Ne bis in idem-Übereinkommen sei zwar mangels Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten zum Urteilszeitpunkt noch nicht in Kraft getreten, es sei jedoch gemäß seinem Art. 6 Abs. 3 für Deutschland bereits vorzeitig im Verhältnis zu den Staaten anwendbar, die dieselbe Erklärung abgegeben hätten (wie vorliegend die Niederlande).40 Entscheidend für die Frage des Strafklageverbrauchs sei im Einzelfall, ob es sich bei dem bereits abgeurteilten und dem zu beurteilenden Sachverhalt um dieselbe Tat im verfahrensrechtlichen Sinne handele.




      37 Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (Anm. 19) vom 19.6.1990, BGBl. 1993 II, 1010; für Deutschland und die Niederlande in Kraft seit dem 26.3.1995, BGBl. 1996 II, 242.

      38 Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung vom 25.5.1987, BGBl. 1998 II, 2227.

      39 Zum Strafklageverbrauch i.S.v. Art. 54 SDÜ im Falle eines gnadenähnlichen Absehens von weiterer Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unter Ausweisung des Verurteilten siehe OLG München, Beschluß vom 27.6.2001 (2 Ws 491/01 - NStZ 2001, 614).

      40 Vgl. W. Schomburg, Strafsachen in der Europäischen Union, NJW 1999, 540, 542; zur Problematik der Reichweite von Art. 54 SDÜ und Ne bis in idem-Übereinkommen siehe auch J. Jokisch, Gemeinschaftsrecht und Strafverfahren (2000), 237.