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2001


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J. Christina Gille


X. Internationale Organisationen

2. Durchführung von Rechtsakten Internationaler Organisationen

      69. Der BGH stellte mit Urteil vom 19.12.2001 (2 StR 358/01 - NJW 2001, 1357) fest, daß die Einfuhr echter irakischer Dinare in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein nach � 34 Abs. 4 AWG strafbarer Embargoverstoß sein kann. Nach � 34 Abs. 4 AWG mache sich strafbar, wer einer Vorschrift dieses Gesetzes oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder einem im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger veröffentlichten Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften zur Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs, die der Durchführung einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der VN-Charta168 beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dienen, zuwiderhandle. Vorliegend erfülle die Verordnung (EG) Nr. 2465/96169 die Voraussetzungen nach � 34 Abs. 4 AWG. Sie diene der Durchführung der vom Sicherheitsrat gegenüber dem Irak nach Art. 39, 41 der VN-Charta mit den Resolutionen 661, 666, 670 (1990), 687 (1991) und 986 (1995)170 beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionen. Die Verordnung gehe in ihrem Regelungsgehalt nicht über den Inhalt der Resolutionen hinaus und sei somit eine wirksame Ausführungsnorm zur Blankettvorschrift des � 34 Abs. 4 AWG. Durch die Verbringung der irakischen Dinare nach Deutschland seien auch die Voraussetzungen des auf Nr. 3a der Resolution 661 (1990) beruhenden Art. 1 Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 2465/96 erfüllt, der die Verbringung aller Rohstoffe und Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus Irak in das Hoheitsgebiet der Gemeinschaft untersage. Die irakischen Dinare seien Erzeugnisse mit Ursprung in Irak i.S.v. Art. 1 Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 2465/96. Eine Legaldefinition des Begriffes Erzeugnis enthalte die Verordnung nicht. Der maßgebliche Sinngehalt des Begriffes sei daher nach dem objektivierten Willen des Verordnungsgebers, wie es sich aus dem Wortlaut der Bestimmung, ihrem Sinnzusammenhang und dem erkennbaren Zweck der Vorschrift ergebe, zu ergründen. Der Wortsinn des Begriffs Erzeugnis erfasse alles, was hergestellt worden sei, also auch die irakischen Banknoten. Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 2465/96, zur Umsetzung der vom VN-Sicherheitsrat gegen den Irak beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionen den Irak umfassend vom wirtschaftlichen Verkehr auszuschließen, würden ebenfalls eine weite Auslegung gebieten. Aus Überschrift und Präambel der Verordnung sowie aus dem Umkehrschluß aus Art. 2 Nr. 2 Verordnung (EG) Nr. 2465/96 folge, daß diese gerade auch finanzielle Transaktionen erfassen wollte. Diese Auslegung des Begriffs Erzeugnis werde auch durch einen Beschluß des Sanktionsausschusses des VN-Sicherheitsrats vom 12.5.1998171 gestützt, nach dem die Einfuhr irakischer Dinare nach Deutschland Nr. 3a der Resolution 661 (1990) unterliege. Ob Geld Zahlungsmittel oder Ware sei, sei entsprechend den möglichen Funktionen von Geld nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Der fallweisen Behandlung von Geld als Ware stehe auch nicht das Urteil des EuGH vom 23.11.1978172 entgegen, in dem bestimmte Münzen nicht als Waren i.S.v. Art. 30 ff. des EWG-Vertrags173 angesehen worden waren. Diese Entscheidung habe sich mit dem freien Warenverkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft befaßt und sei auf die Auslegung einer Embargovorschrift nicht übertragbar.




      168 Charta der Vereinten Nationen (Anm. 12).

      169 Verordnung (EG) Nr. 2465/96 vom 17.12.1996 (Anm.36).

      170 Res. 661 vom 6.8.1990, Res. 666 vom 13.9.1990, Res. 670 vom 25.9.1990, Res. 687 vom 3.4.1991 und Res. 986 vom 14.4.1995; alle verfügbar unter http://www.un.org/documents/scres.htm.

      171 Nicht öffentlich verfügbar, der BGH nimmt Bezug auf ein Schreiben des Vorsitzenden des Sanktionsausschusses vom 27.5.1998.

      172 EuGH, Urteil vom 23.11.1978 (7/78, Thompson - Slg. 1978, 2247).

      173 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Anm. 3) in der ursprünglichen Fassung.