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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


830. RECHTSSTELLUNG VON AUSLÄNDERN IM INLAND

Nr.91/1

Der Gesetzgeber kann ohne Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz die Amtshaftung gegenüber Ausländern davon abhängig machen, daß im Verhältnis zu ihrem Heimatstaat die Gegenseitigkeit verbürgt ist.

The legislature may, without violating the general principle of equality, make official liability with respect to aliens conditional on whether reciprocity is guaranteed by the aliens' home states.

Bundesverfassungsgericht (3.Kammer des Zweiten Senats), Beschluß vom 17.1.1991 (2 BvR 595/87), NVwZ 1991, 661 (ZaöRV 53 [1993], 374f.)

Einleitung:

      Mit dem vorliegenden Beschluß nahm die Kammer Verfassungsbeschwerden mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung an.

Entscheidungsauszüge:

      2. Die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen zivilgerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer ... nicht in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
      a) Die im Lande Hessen bis zum 31.12.1984 geltende Vorschrift des §7 des Preußischen Gesetzes über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt vom 1.8.1909 (Preußische Gesetzessammlung S.691) ... ist mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar. Nach dieser Vorschrift haftet der Staat für Amtspflichtverletzungen seiner Beamten gegenüber Ausländern grundsätzlich dann nicht, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.
      aa) Die unterschiedliche Behandlung, die §7 PrStHG vorsieht, knüpft nicht an die bloße Eigenschaft als Ausländer an. Die Vorschrift grenzt vielmehr Deutsche und solche Ausländer, mit deren Heimatstaaten Gegenseitigkeit verbürgt ist, von denjenigen Ausländern ab, bei denen dies nicht zutrifft. §7 PrStHG benachteiligt ausländische Staatsangehörige nur insoweit, als diese keine Entschädigung nach Staatshaftungsgrundsätzen beanspruchen können, wenn im Verhältnis zu ihrem Heimatstaat die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist, so daß ein Deutscher dort unter gleichartigen Voraussetzungen keine Entschädigung erhält.
      bb) Die Differenzierung nach dem Merkmal der Gegenseitigkeitsverbürgung begegnet unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes keinen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt ... Dabei ist dem Gesetzgeber ein weitgehender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Das Bundesverfassungsgericht hat nur die Einhaltung der äußersten Grenzen dieses gesetzgeberischen Spielraums nachzuprüfen ...
      Es ist sachlich vertretbar, die Entschädigung nach Amtshaftungsgrundsätzen bei Ausländern davon abhängig zu machen, daß im Verhältnis zu ihrem Heimatstaat die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Gegenseitigkeitsverbürgung ist eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten dient und auch auf dem Gebiet des innerstaatlichen Rechts Anwendung findet ...
      Der Grundgedanke des §7 PrStHG besteht darin, Angehörigen anderer Staaten im Inland keine Rechte einzuräumen, die ein Deutscher in ihrem Heimatstaat nicht genießt, um die Rechtsstellung deutscher Staatsangehöriger im Ausland zu verbessern und zu festigen. Diese Zielsetzung ist sachgerecht. Sie entspricht dem legitimen Anliegen des Staates, auch außerhalb seiner Grenzen den Schutz der eigenen Staatsbürger nach Möglichkeit zu gewährleisten.
      Ob die bei fehlender Gegenseitigkeitsverbürgung eintretende Schlechterstellung der Ausländer angesichts der Zunahme des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs, der Inanspruchnahme ausländischer Arbeitskräfte für die eigene Volkswirtschaft und der Tendenz zu fortschreitender internationaler Kommunikation heute gesetzlicher Überprüfung bedarf, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls hier, wo die ursprünglichen Kläger des Ausgangsverfahrens Staatsangehörige eines nicht zu den Europäischen Gemeinschaften gehörenden Staates waren, nicht zu entscheiden. Ebensowenig kann es darauf ankommen, ob der Gesetzgeber mit der Verwendung des Merkmals der Gegenseitigkeitsverbürgung das zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels gewählt hat ...