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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1000. AUSLIEFERUNG UND SONSTIGE INTERNATIONALE RECHTSHILFE

Nr.90/1

[a] Der Betroffene kann die Unzulässigkeit einer Rechtshilfegewährung nicht mit der Begründung geltend machen, daß vom vorgeschriebenen Geschäftsweg abgewichen worden sei.

[b] Anders als eine Auslieferung kann eine sonstige Rechtshilfe im außervertraglichen Rechtshilfeverkehr auch erfolgen, wenn der im ausländischen Strafverfahren Verfolgte ein Deutscher ist.

[c] Das gegenwärtige Völkergewohnheitsrecht kennt kein Verbot der Todesstrafe. Folglich schließt es die Gewährung sonstiger Rechtshilfe in Form einer Herausgabe von Beweismitteln bei drohender Todesstrafe nicht aus.

[a] A person affected cannot invoke the inadmissibility of a measure taken in fulfilment of a request for legal assistance by a foreign state on the ground that the prescribed course for communicating the request has not been followed.

[b] In contrast to extradition itself, other forms of legal assistance not covered by a treaty may be taken if the person against whom the criminal proceedings are conducted by the requesting foreign state is a German.

[c] Current customary international law does not prohibit capital punishment. Thus, it does not bar the provision of legal assistance other than extradition, such as the delivery of evidence, even though capital punishment is imminent.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 26.6.1990 (1 AK 22/90), NJW 1990, 2208 (ZaöRV 52 [1992], 366 und 426)

Einleitung:

      Der Betroffene ist ein deutscher Staatsangehöriger, der von einem Gericht im US-Bundesstaat Florida des Mordes für schuldig befunden und zum Tode auf dem elektrischen Stuhl verurteilt worden war. Das Todesurteil war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts noch nicht rechtskräftig, weil das Berufungsverfahren noch schwebte. Die deutsche Justiz hatte den amerikanischen Justizbehörden im außervertraglichen Rechtshilfeverkehr durch Übergabe von Beweismitteln Rechtshilfe geleistet. Der Betroffene beantragte, die Unzulässigkeit der geleisteten Rechtshilfe festzustellen, offenbar weil er sich erhofft, auf diese Weise zu erreichen, daß die Beweismittel in Florida nicht verwertet werden dürfen. Er rügte die Umgehung des diplomatischen Geschäftsweges, das Fehlen der materiellen Rechtshilfevoraussetzungen und macht Rechtshindernisse im Hinblick auf die von vornherein erkennbare Möglichkeit der Todesstrafe und ihren besonders grausamen Vollzug in Florida (elektrischer Stuhl) geltend. Das OLG bejahte zwar das Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses nach §61 IRG, verwarf den Antrag des Betroffenen aber als unbegründet.

Entscheidungsauszüge:

      III. Das Feststellungsbegehren des Betroffenen hat keinen sachlichen Erfolg. Entgegen dem Vortrag des Betroffenen lassen sich aus der formellen Abwicklung des Rechtshilfeersuchens keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken herleiten (A) ..., Rechtshilfehindernisse standen der Überlassung nicht entgegen (C).
      Die isolierte Herausgabe von Gegenständen richtet sich als Fall der sonstigen Rechtshilfe, für die nach der deutsch-amerikanischen Vereinbarung vom 7.11./28.12.1960/3.1.1961 (BGBl. 1961 II S.471) die Gegenseitigkeit zugesichert worden ist, mangels eines Rechtshilfevertrags nach den Vorschriften des IRG.
      A. Der Bewilligung der Herausgabe lag ein über Interpol übermitteltes Ersuchen des amerikanischen Justizministeriums an das Bundesjustizministerium ... zugrunde ... Die Zulässigkeit der geleisteten Rechtshilfe wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß das Ersuchen nicht auf dem vorgesehenen Geschäftsweg übermittelt worden war. Zwar sind nach dem vorgenannten Notenwechsel ... solche Ersuchen auf dem diplomatischen Weg über das Auswärtige Amt einzureichen, soweit bestehende Vereinbarungen nichts anderes vorsehen. Die praktische Handhabung im Verhältnis zu den USA ist jedoch inzwischen über diese Regelung hinweggegangen. Nach ständiger Übung werden nunmehr Ersuchen auf dem justizministeriellen Geschäftsweg zwischen dem Bundesminister der Justiz und dem amerikanischen Justizministerium übermittelt; in dringenden Fällen kann dies auch auf dem unmittelbaren Geschäftsweg zwischen den Justizbehörden beider Staaten ..., notfalls mündlich ..., geschehen. Regelungen über den Geschäftsweg betreffen nur die zwischenstaatliche Gestaltung der Rechtshilfe; sie entfalten keine Schutzwirkungen zugunsten des Betroffenen. Die Stellung von Ersuchen auf einem anderen als dem üblichen Geschäftsweg läßt die Zulässigkeit der Erledigung unberührt ...
      C. Rechtliche Hindernisse, die der Zulässigkeit der Leistung der erbetenen Rechtshilfe im außervertraglichen Rechtshilfeverkehr und damit der Bewilligung hätten entgegenstehen können, lagen zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht vor.
      1. Aus der deutschen Staatsbürgerschaft des Betroffenen läßt sich ein Rechtshilfehindernis nicht herleiten. Anders als für das Auslieferungsrecht sieht das IRG für die sonstige Rechtshilfe - abgesehen von §73 IRG - keine speziellen Rechtshilfeverbote oder -ausnahmen vor. Das liegt darin begründet, daß der Betroffene sich bei der Leistung sonstiger Rechtshilfe regelmäßig schon im Machtbereich des ersuchenden Staates befindet, die Rechtshilfe deshalb nicht so stark in seine Rechte eingreift und die Leistung sonstiger Rechtshilfe im Einzelfall auch der Entlastung des Betroffenen dienen und daher in seinem Interesse liegen kann. Allein der Umstand, daß sich das ausländische Verfahren gegen einen deutschen Staatsangehörigen richtet, führt danach mangels einer dem §2 IRG entsprechenden gesetzlichen Einschränkung grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit einer Rechtshilfeleistung ...
      2. Der Zulässigkeit der Leistung von Rechtshilfe durch Herausgabe der ... Beweisgegenstände stand nicht entgegen, daß die in Florida/USA geltenden Strafvorschriften für die dem Ersuchen zugrundeliegende Straftat (Mord ersten Grades) die Todesstrafe androhen.
      a) Ein Verbot der Rechtshilfe bei drohender Todesstrafe kann weder aus Art.102 GG noch aus Art.2 Abs.2 Satz 1 GG abgeleitet werden. Diesen Bestimmungen als solchen kommt keine über die deutsche Strafgewalt hinausreichende Wirkung zu. Eine Verabsolutierung grundgesetzlicher Wertentscheidungen im Sinne eines rechtsstaatlichen Prüfungsmaßstabes für die Ausgestaltung ausländischer Strafgesetze ist weder geboten noch mangels innerer Legitimation gestattet (vgl. BVerfGE 18, 112 [117 f.] ...). Dem grundsätzlichen Achtungsanspruch fremder Rechtsordnungen und -anschauungen ... würde andernfalls der Anschein einer Diskriminierung entgegengesetzt. Ein Rechtshilfehindernis kann insoweit auch nicht über den die Zulässigkeit der Leistung von Rechtshilfe begrenzenden ordre public-Vorbehalt in §73 IRG ... begründet werden ... Ein Recht auf Unterbleiben bestimmter Rechtshilfehandlungen, weil das Verfahren im ersuchenden Staat eine mit Todesstrafe bedrohte Handlung betrifft, läßt sich auch nicht aus Art.3 EMRK herleiten, dem - im notwendigen Zusammenhang mit Art.2 Abs.1 EMRK gesehen - nicht die Intention eines generellen Verbots der Todesstrafe unterlegt werden kann (EGMR, ... EuGRZ 1989, 314 [321]).
      b) Für den außervertraglichen Auslieferungsverkehr enthält §8 IRG in Anlehnung an die Wertvorstellungen des Grundgesetzes (Art.102 GG ...) ein Auslieferungsverbot, sofern nach den Gesetzen des ersuchenden Staates die Todesstrafe angedroht und nicht durch ausreichende Zusicherungen gewährleistet ist, daß diese Strafe nicht verhängt bzw. nicht vollstreckt werden wird. Eine entsprechende Bestimmung oder eine Bezugnahme auf §8 IRG ist in den Vorschriften über die sonstige Rechtshilfe (§§59 ff. IRG) nicht enthalten. In dieser Differenzierung wird die Wertentscheidung des Gesetzes sichtbar; die Leistung sonstiger Rechtshilfe wird in weiterem Umfang zugelassen als die Auslieferung, indem bestimmte Auslieferungshindernisse für die sonstige Rechtshilfe nicht gelten.
      c) Rechtsprechung und Schrifttum, die zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt vorgelegen haben, halten die Leistung sonstiger Rechtshilfe trotz drohender Todesstrafe für zulässig.
      Ausgehend vom Grundgesetz sieht es das Bundesverfassungsgericht in einer frühen Entscheidung (BVerfGE 18, 112 [116] ...) für die deutsche Staatsgewalt als nicht verboten an, Rechtshilfe in einem ausländischen Strafverfahren auch dann zu leisten, wenn diese dazu führen kann, daß der andere Staat die Todesstrafe verhängt oder vollzieht. Die spätere Entscheidung BVerfGE 60, 348 (1982) dürfte, ungeachtet des obiter dictum (S.354 ...), bei sachgemäßer Auslegung im Entscheidungszusammenhang weder als Aufgabe der vorgenannten Rechtsauffassung noch als insoweit abweichende Weichenstellung zu verstehen sein.
      Die fast einhellige Meinung in Schrifttum ... und Rechtsprechung ... kann dahin zusammengefaßt werden, daß allein der Umstand der Androhung der Todesstrafe für die dem Rechtshilfeersuchen zugrundeliegende Tat die Rechtshilfeleistung grundsätzlich nicht unzulässig macht ... Die Qualität einer gegen den ordre public verstoßenden Maßnahme wird der Todesstrafe nicht zuerkannt, wobei für einen Verstoß gegen den ordre public das Vorliegen eines Widerspruchs gegen von allen Rechtsstaaten anerkannte Grundsätze vorausgesetzt wird ...; die Ächtung der Todesstrafe wird (noch) nicht als zum zwingenden Bestand des Völkerrechts gehörig betrachtet ...
      d) Für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegend geleisteten Rechtshilfe kommt es maßgeblich darauf an, ob ein allgemeines völkergewohnheitsrechtliches Verbot der Todesstrafe bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung und Ersuchenserledigung (5/7/88) nachweisbar und gegebenenfalls der Rechtshilfebeitrag zur - nicht rechtskräftigen - Aburteilung unstatthaft war. Diese Frage kann nur im Lichte der weltweiten Entwicklung, insbesondere des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK und des 2. Fakultativprotokolls zum IPBPR einigermaßen verläßlich beurteilt werden.
      Die allgemeine Entwicklung auf internationaler Ebene, die mit der Beschränkung auf schwerste Verbrechen in Art.6 Abs.2 IPBPR und dem Verbot der Wiedereinführung in Art.4 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention deutliche Zeichen gesetzt hat, weist auf eine allgemeine Beseitigung der Todesstrafe als Endziel. Die Verdichtung der Tendenz hin auf deren weltweite Ächtung zu einer Norm des Völkergewohnheitsrechtes setzt indes die gleichförmige Beachtung durch die Allgemeinheit bzw. ganz überwiegende Mehrheit der Staaten und die unter den Beteiligten herrschende Überzeugung des verbindlichen Charakters voraus ...
      Mit dem - von der Bundesrepublik im Juli 1988 ratifizierten, am 1.8.1989 in Kraft getretenen (BGBl. 1988 II S.662, 1989 II S.2814) - Protokoll Nr.6 vom 28.4.1983 zur EMRK liegt das erste internationale Abkommen vor, das die Abschaffung der Todesstrafe als völkerrechtliche Verpflichtung der Vertragsstaaten normiert. Das bisher von 16 der 21 Mitgliedstaaten des Europarats unterzeichnete, von 13 Staaten ratifizierte 6. Zusatzprotokoll ist Ausdruck einer wachsenden Tendenz zur Beseitigung der Todesstrafe auf europäischer Ebene. Es begründet eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Abschaffung und Nichtanwendung der Todesstrafe nur für den Konventionsstaat, der das Protokoll ratifiziert. Das 6. Zusatzprotokoll hat lediglich ergänzenden Charakter, führt also folgerichtig nicht zu einer Änderung des Art.2 Abs.1 Satz 2 EMRK, der die Todesstrafe als mögliche Strafe voraussetzt und für die das Protokoll nicht ratifizierenden Mitgliedstaaten uneingeschränkt weiter gilt (vgl. Denkschrift BT-Drucks. 11/1468, S.11 ...). Aus dem Protokoll sind individualrechtliche Schutzwirkungen für den einzelnen nur in bezug auf das Strafrecht des jeweiligen Konventionsstaates herzuleiten. Ein generelles Verbot der Todesstrafe läßt sich somit aus dem 6. Zusatzprotokoll nicht ableiten (vgl. EGMR, EuGRZ 1989, 314 [321] ...; anders De Meyer, EuGRZ 1989, 325 f. - Sondervotum - , der von der Existenz eines auf Westeuropa beschränkten, die Todesstrafe verbietenden Gewohnheitsrechtssatzes ausgeht).
      Mit dem 2. Fakultativprotokoll zu dem IPBPR [BGBl. 1992 II S.391] liegt auf der Ebene der Vereinten Nationen ein weiteres internationales Abkommen vor, das zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe beitragen soll. Durch das - soweit nach Art.8 ersichtlich noch nicht in Kraft befindliche - 2. Fakultativprotokoll werden nur die Staaten, die ihm beitreten, verpflichtet, die Todesstrafe abzuschaffen und nicht wieder einzuführen. Entsprechend begrenzt sind die individualrechtlichen Schutzwirkungen. Der fakultative Charakter des Protokolls unterstreicht, daß kein Eingriff in die innerstaatlichen Rechte der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen beabsichtigt ist ... Bei der Abstimmung am 15.12.1989 haben 59 Länder für das 2. Fakultativprotokoll, 26 Länder dagegen gestimmt, 48 Länder haben sich enthalten ... Die beiden vorgenannten internationalen Abkommen lassen somit zwar einen sich zunehmend verdichtenden allgemeinen Trend zu einer weltweiten Abschaffung und Ächtung der Todesstrafe erkennen ... Angesichts der fakultativen Ausgestaltung sowie der Ratifikations- und Abstimmungsverhältnisse dürfte ihnen jedoch eine "opinio juris", ein allgemeines völkergewohnheitsrechtliches Verbot der Todesstrafe und ein daraus ableitbares Auslieferungs- und Rechtshilfeverbot bei drohender Todesstrafe noch nicht entnommen werden können. Ein solches war jedenfalls zum Zeitpunkt der Rechtshilfeleistung im Juli 1988 nicht nachweisbar. Dies entspricht der Auffassung des EGMR in seinem Urteil vom 7.7.1989 (... EuGRZ 1989, 314 ff.), in dem davon ausgegangen wird, daß die Todesstrafe nicht per se völkerrechtswidrig ist.
      e) Im Zusammenhang mit dem zunehmenden internationalen Bemühen um eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe sind die Bestrebungen in der Bundesrepublik zu sehen, auch im Bereich der sonstigen Rechtshilfe durch die Aufnahme entsprechender Klauseln in bestehende oder neue Rechtshilfeverträge jedenfalls einer Vollstreckung der Todesstrafe entgegenzuwirken. Die Leistung von Rechtshilfe kann hiernach mit der Bedingung verknüpft werden, daß der ersuchende Staat im Falle einer Verwertung der ihm als Beweismittel überlassenen Informationen und Beweisgegenstände die Todesstrafe, sofern sie verhängt wird, nicht vollstreckt.
      Im vorliegenden Rechtshilfeverfahren war diese Möglichkeit ohne eine derartige Vertragsklausel eröffnet. Denn zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA besteht derzeit noch kein Rechtshilfevertrag und damit auch keine Verpflichtung zur Leistung von Rechtshilfe. Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr ist es aber der Bewilligungsbehörde (§74 Abs.1 IRG) unbenommen, ihre ablehnende Auffassung zur Todesstrafe durchzusetzen und im Einzelfall vorbeugende Bedingungen an die Leistung der Rechtshilfe zu knüpfen ...
      Auch im vorliegenden Fall hätte die Leistung der Rechtshilfe von der Zusicherung der US-amerikanischen Behörden abhängig gemacht werden können, die Todesstrafe nicht zu verhängen oder zu vollstrecken; oder diese Versicherung hätte zumindest mit einer etwaigen Verwertung der überlassenen Beweismittel in dem amerikanischen Strafverfahren verknüpft werden können. Die Rechtshilfe hätte auch abgelehnt und ein Ersuchen an die Vereinigten Staaten um Auslieferung des deutschen Betroffenen an die Bundesrepublik, deren Gerichtsbarkeit nach §7 Abs.2 StGB gegeben ist, gerichtet werden können. Diese - an sich wünschenswerten - Möglichkeiten sind im vorliegenden Verfahren nicht wahrgenommen worden. Ihr Unterbleiben fällt in das außenpolitische Grundsatzermessen der Bewilligungsbehörde und ist daher einer gerichtlichen Überprüfung durch den Senat nicht zugänglich.
      3. Zur Begründung der behaupteten Unstatthaftigkeit der geleisteten Rechtshilfe beruft sich der Betroffene schließlich auf die in Florida "besonders grausame Praktizierung" der in dem amerikanischen Strafverfahren zu erwartenden Todesstrafe.
      Die Todesstrafe kann zwar bei Wahrscheinlichkeit ihrer Verhängung aus erkennbar drohenden besonderen Umständen und Begleiterscheinungen ihrer Vollstreckung, die das zumutbare Maß an Leiden und Erniedrigung überschreiten, die Qualität einer gegen den internationalen ordre public verstoßenden Maßnahme erlangen. Beurteilungsmaßstab hierfür ist das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und des Vollzugs einer Strafe unter - voraussichtlich - menschenunwürdigen Bedingungen, wie es als allgemeiner Grundsatz des humanitären Völkerrechts z.B. in Art.7 IPBPR, Art.3 EMRK und Art.1 des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe Ausdruck gefunden hat [vom 26.11.1987, BGBl. 1989 II S.946] ... Als Indizien für die Einzelfallbeurteilung werden insoweit genannt die Art und Weise der Auferlegung und Vollstreckung, die persönlichen Umstände des Verurteilten, die Disproportionalität zur Schwere der Tat sowie die Bedingungen in der Haft vor Strafvollstreckung (unerträgliche Dauer, Bedingungen in der Todeszelle etc.). So hat der EGMR (... EuGRZ 1989, 314 ff.) im Fall Soering die Auslieferung von England an die USA im Hinblick auf festgestellte Besonderheiten der Vollstreckung der Todesstrafe (sog. Todeszellensyndrom) in Verbindung mit dem jugendlichen Alter des Betroffenen und seinem psychischen Zustand zur Tatzeit als unzulässig erachtet.
      Derartige besondere Umstände, die der Leistung von Rechtshilfe hätten entgegenstehen können, waren jedoch vorliegend nicht erkennbar. Zunächst ist zu beachten, daß der Betroffene nicht etwa durch Auslieferung dem amerikanischen Verfahren überstellt wurde, sondern sich bei Leistung der Rechtshilfe bereits im Machtbereich des ersuchenden Staates befand. Die herausgegebenen Gegenstände wurden zwar vom Schwurgericht in Miami im Rahmen der Beweisaufnahme als Beweismittel anerkannt. Ihr Beweiswert für den Mordvorwurf und das Mordmotiv konnte jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligung und Herausgabe noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Auch die konkrete Wahrscheinlichkeit einer möglichen Verhängung der Todesstrafe war zu dem damaligen Zeitpunkt nicht überschaubar ...; begründete, konkrete Anhaltspunkte für besondere, über die Menschenrechtsschranke hinausgehende Gefahren und Risiken waren nicht erkennbar. Das Strafverfahren ist derzeit noch im Appellationsrechtszug beim Obersten Gericht von Florida in Tallahassee anhängig, sein Ausgang ist folglich offen.
      4. Unter Berücksichtigung ihrer Initiativbeteiligung an der Vorlage des 2. Fakultativprotokolls zum IPBPR und in Einklang mit der menschenrechtlichen Zielsetzung ihrer Außenpolitik, die Abschaffung der Todesstrafe weltweit zu erreichen (Schäfer, Plenarprotokoll BT 11/27 1804) wird die Bundesregierung nunmehr im Rahmen ihres außenpolitischen Ermessens die Möglichkeiten zu prüfen haben, auf diplomatischem Wege einer Bestätigung der in erster Instanz verhängten Todesstrafe durch entsprechende Anregungen bei der antragstellenden Staatsanwaltschaft in Florida entgegenzuwirken oder im Falle rechtskräftiger Verhängung die amerikanische Regierung zu einer Empfehlung an ihre zuständigen Behörde zu veranlassen, die erkannte Todesstrafe in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln.