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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1030. HAAGER ZIVILPROZESSÜBEREINKOMMEN VOM 1.3.1954 (BGBl. 1958 II S.576)

Nr.87/1

Die Zustellung einer Klageschrift an einen ausländischen Staat kann weder durch Zustellung an den Botschafter dieses Staates in der Bundesrepublik Deutschland noch durch öffentliche Zustellung erfolgen.

A statement of claim can neither be served on a foreign state by serving it on the ambassador of that state in the Federal Republic of Germany, nor by publication.

Landgericht Bonn, Beschluß vom 11.2.1987 (5 T 151/86), IPrax 1987, 231 (ZaöRV 48 [1988], 730)

Einleitung:

      Zum Sachverhalt vgl. zunächst Nr.470 [87/1]. Das Amtsgericht hatte sich geweigert, die Klageschrift der beklagten Sowjetunion durch ihren Botschafter in Bonn zuzustellen und stattdessen die Zustellung auf diplomatischem Wege in Aussicht gestellt, für die jedoch der angeforderte Vorschuß nicht gezahlt wurde. Die Beschwerde gegen die Nichtzustellung an den Botschafter hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsauszüge:

      Das Amtsgericht hat zu Recht die unmittelbare Zustellung der Klageschrift an den Botschafter der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt unter Hinweis auf die hier erforderliche Zustellung auf dem diplomatischen Weg.
      Ungeachtet der Frage, ob die Bekl. nach dem zur Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalt der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen und die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben ist, regelt sich die Art und Weise der Zustellung der Klageschrift hier nach §199 ZPO i.V.m. dem Haager Zivilprozeßübereinkommen (HZPrÜb) vom 1.3.1954 (BGBl. 1958 II S.576), in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 1.1.1960 (BGBl. 1959 II S.1388). Die UdSSR ist Unterzeichnerstaat dieses Übereinkommens und hat sich nach anerkannter völkerrechtlicher Auffassung vorbehalten, daß Auslandszustellungen auf diplomatischem Weg über die zuständige Behörde des ersuchten Staates erfolgen (vgl. Art.9 Abs.3 HZPrÜb ...). Eine Zustellung hat danach grundsätzlich über die deutsche Botschaft in Moskau zu erfolgen. Die Ausführung der Zustellung ist insoweit Angelegenheit der Justizverwaltung und richtet sich nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften, hier die maßgebliche Rechtshilfeordnung für Zivilsachen. ...
      Eine unmittelbare Zustellung an die Bekl. über ihren Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland als Vertretungsorgan ist hier aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig. Die Klage richtet sich gegen den sowjetischen Staat als Träger von Vermögensrechten und -werten. Nach einhelliger Meinung bestimmt sich die Behörde, die den deutschen Fiskus (Bund und Länder) gesetzlich vertritt, nach dem jeweiligen Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Bundes und der Länder. Entsprechend Art.7, 10 EGBGB gilt gleiches für die Vertretung des ausländischen Staates; die Zustellung und Vertretung geschieht nach Maßgabe des ausländischen - hier sowjetischen - Rechts ... Die Bevollmächtigung des Botschafters der Bekl. in der Bundesrepublik Deutschland als Zustellungsadressat ergibt sich auf keinen Fall - wie der Kläger meint - aus Art.3 Abs.1a oder anderen Vorschriften des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (BGBl. 1964 II S.957 ff.). Die dort geregelte völkerrechtliche Vertretung des Botschafters der amtierenden Regierung ist streng zu trennen von der anderweitig geregelten Vertretung bei gerichtlicher Inanspruchnahme des (richtigen) Zustellungsadressaten.
      Auch enthält das Vorbringen des Klägers hierzu substantiierte Ausführungen nicht. Der Hinweis auf eine bestehende Praxis in den USA, in Fällen der vorliegenden Art u.a. die Zustellung an den fremden Staat durch Zustellung an seine im Inland befindlichen Organe und Dienststellen zu bewirken, geht fehl. Gerade die im Haager Zivilprozeßübereinkommen getroffene zwischenstaatliche Sonderregelung mit der Bekl. schließt diese Zustellungsweise vorliegend aus.
      Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob aufgrund eines deliktischen Handelns der Bekl. der Grundsatz der Staatenimmunität bei wirtschaftlichem oder hoheitlichem Handeln eingreift oder nicht ...
      Es bedarf schließlich keiner Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art.100 Abs.2 GG... Denn der Grundsatz der Staatenimmunität und seine Tragweite im Fall des (behaupteten) deliktischen Handelns eines Staates ist für das anzuwendende Zustellungsverfahren weder präjudiziell noch sonst entscheidungserheblich; die Qualifikation staatlichen Handelns als hoheitliche ("acta iure imperii") oder nichthoheitliche Tätigkeit ("acta iure gestionis"), die nach innerstaatlichem, nationalem Recht vorzunehmen ist, ist ungeachtet der anzuwendenden Zustellungsvorschriften (nur) von Bedeutung für die selbständig daneben zu beurteilende Frage der Unterwerfung der Bekl. unter die deutsche Gerichtsbarkeit ...
      Die vom Kl. hilfsweise beantragte öffentliche Zustellung der Klage scheidet ebenfalls aus, da sie unzulässig wäre ... Maßgebend für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung in Auslandssachen ist der Umstand, daß die Zustellung auf dem allgemein vorgeschriebenen Weg keinen Erfolg verspricht. Es ist aber gerade im Hinblick auf vorrangige zwischenstaatliche Vereinbarungen - wie hier - Zurückhaltung bei der Bewilligung angebracht. Der Umstand, daß eine Zustellung auf dem diplomatischen Weg gemäß dem Haager Übereinkommen länger als 6 Monate in Anspruch nehmen kann, rechtfertigt nicht, wie teilweise vertreten wird, unter dem Gesichtspunkt der "Unzumutbarkeit" die ersatzweise Bewilligung der öffentlichen Zustellung in der Bundesrepublik Deutschland ... Vergleichbare und z.T. längere Zeiträume sind auch im Rechtsverkehr mit anderen europäischen Staaten gang und gäbe. Die auf der Hand liegenden Nachteile einer öffentlichen Zustellung rechtfertigen gerade im Blick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs kein vorschnelles Außerkraftsetzen des üblichen internationalen Zustellungsverfahrens und -weges. Diese würden sonst mit Hilfe der ganz anderen Zwecken dienenden Zustellung unterlaufen ...
      Die Ausführung der Zustellungen im Ausland ist Angelegenheit der Justizverwaltung, und diese ist berechtigt, die Weiterleitung von Rechtshilfeersuchen abzulehnen, wenn beispielsweise die Weiterleitung keinen Erfolg verspricht ... Sie hat unter Hinweis auf Art.32 Abs.1 GG und "den bekannten Standpunkt der UdSSR" mitgeteilt, daß auf diplomatischem Weg vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland eine Zustellung der Klage abgelehnt werde, zumal im Rubrum der Klage unzutreffend der Botschafter in Bonn als Vertreter der Bekl. benannt sei.
      Diese Auskünfte rechtfertigen indes nicht die Bewilligung der öffentlichen Zustellung nach §203 Abs.2, 3 ZPO. Die Möglichkeit einer normalen Zustellung im Ausland erscheint nach diesen Auskünften zwar ausgeschlossen. Einer Bewilligung der öffentlichen Zustellung stehen weitere erhebliche Bedenken gegen die erhobene Klage entgegen ... [Es folgen Ausführungen insbesondere zum Fehlen der internationalen Zuständigkeit.]

Hinweis:

      Die weitere Beschwerde wies das OLG Köln als unbegründet zurück (Beschl. v. 23.3.1987, IPrax 1987, 233 [ZaöRV 48 [1988], 730]). Sie war nach §568 Abs.2 ZPO nur zulässig, soweit das Landgericht die öffentliche Zustellung abgelehnt hatte, weil nur insoweit eine zusätzliche Beschwer gegeben war. Das OLG folgte dem LG hier im Ergebnis, aber mit anderer Begründung: §203 Abs.2 ZPO sei nicht erfüllt, da nicht feststehe, ob die Auslandszustellung durchführbar sei.