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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1500. DEUTSCHLANDS RECHTSLAGE NACH 1945

Nr.88/1

Das Mundatwaldterritorium ist Teil des Landes Rheinland-Pfalz und Teil der Bundesrepublik Deutschland. Dort gilt das Grundgesetz mit der Folge, daß das Reichsvermögen Vermögen des Bundes geworden ist (Art.134 Abs.1 GG).

The territory of the Mundatwald is part of the Land of Rhineland-Palatinate and of the Federal Republic of Germany. The Basic Law applies to this territory with the result that the property of the Reich has become the property of the federal government (Art.134 (1) of the Basic Law).

Landgericht Landau, Beschluß vom 15.11.1988 (4 T 68/88), AVR 27 (1989), 110 (ZaöRV 50 [1990], 133)

Entscheidungsauszüge:

      I.1. Mit der Verordnung Nr.212 über Grenzberichtigungen vom 23. April 1949 ordnete General Koenig als Chef des Französischen Oberkommandos in Deutschland verschiedene vorläufige Änderungen der Westgrenze Deutschlands im Bereich der französischen Besatzungszone an. Betroffen war u.a. der nördlich von Weißenburg/Elsaß gelegene deutsche Teil des Mundatwalds. ...
      Die Grenzänderung wurde von [einer] Grenzfestsetzungskommission vollzogen. ... In der Folgezeit unterstand das knapp 7 Quadratkilometer große, unbewohnte, überwiegend forstwirtschaftlich genutzte Gebiet allein der französischen Verwaltung. Deutsche Beamte konnten es in dienstlicher Eigenschaft nicht mehr betreten. Der Verlauf der deutsch-französischen Grenze im dortigen Bereich beruht auf einer zwischen Frankreich und Bayern geschlossenen Übereinkunft vom 5. Juli 1825, die in Ausführung des 2.Pariser Friedens vom 20. November 1815 geschlossen worden war. Der damals festgelegte Grenzverlauf blieb nach dem Friedensvertrag von Versailles vom 28. Juni 1919 bis zu der genannten Änderung durch Verordnung Nr.212 der französischen Militärregierung unverändert. ...
      Bemühungen um Rückgabe des Mundatwaldgebiets waren längere Zeit erfolglos. In einem 1962 unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung verschiedener Grenzfragen (Bundesratsdrucksache 235/63 vom 31. Mai 1963) wurde die endgültige Abtrennung des Mundatwaldes vereinbart. Dieses Abkommen wurde zwar von der Französischen Nationalversammlung gebilligt, im Deutschen Bundestag fand sich jedoch keine Mehrheit. Das Abkommen wurde von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifiziert.
      Nach längeren Verhandlungen einigten sich die Regierung der Französischen Republik und die Bundesregierung in einem Notenaustausch vom 10.Mai 1984 darauf, daß die Gebietshoheit über das Mundatwaldterritorium auf die Bundesrepublik übertragen wird. Die französische Regierung erklärte ihre verbindliche Zustimmung zur Aufhebung der Verordnung Nr.212, die zum sog. "versteinerten", also nach Art.1 Abs.1 S.4 des Überleitungsvertrags (BGBl.1955, Teil II S.405 [406]) nur mit Zustimmung der drei Mächte zu ändernden Besatzungsrecht, gehört. Die Vereinbarung wurde als Verwaltungsabkommen nach Art.59 Abs.2 Satz 2 GG qualifiziert und allein von der Bundesregierung abgeschlossen; die gesetzgebenden Körperschaften haben der Vereinbarung nicht in Gesetzesform zugestimmt. Im Gegenzug verpflichtete sich die Bundesregierung in der genannten Vereinbarung, der Französischen Republik das Eigentum an den im Mundatwaldgebiet gehörenden Parzellen mit Ausnahme der am 23. April 1949 den deutschen Privateigentümern gehörenden Grundstücke und des Geländes, auf dem sich die Ruine Guttenberg befindet, zu beschaffen. Für den Schloßberg soll die Französische Republik ein gleichwertiges, an den Mundatwald angrenzendes Gebiet von 6,72 ha als Eigentum erhalten.
      Nachdem auch die britische und amerikanische Regierung der Aufhebung des Art.1 Nr.4 der Verordnung Nr.212 des Französischen Oberkommandierenden in Deutschland vom 23. April 1949 zugestimmt hatten, wurde diese mit dem Ersten Gesetz zur Bereinigung des Verwaltungsverfahrensrechts vom 18. Februar 1986 - BGBl. Teil I S.265 - aufgehoben. Das Gesetz ist am 1. Mai 1986 in Kraft getreten. Seither wird das Mundatwaldgebiet wieder uneingeschränkt deutschem Hoheitsgebiet zugerechnet. Die Übertragung des Eigentums an den Grundstücken ist noch nicht vollzogen.
      2. Mit Schreiben vom 11. Mai 1987 hat der Notar ... a.D. Dr.Bertzel beim Amtsgericht Landau - Zweigstelle Bad Bergzabern - angeregt, ihn zum Pfleger des Deutschen Reiches hinsichtlich der Eigentumsansprüche auf die Grundstücke im Mundatwaldterritorium zu bestellen. Da das Mundatwaldgebiet zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 aus dem Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz und der Französischen Besatzungszone ausgegliedert gewesen sei, komme Art.134 Abs.1 GG nicht zur Anwendung. Deshalb seien die Grundstücke im Eigentum des fortbestehenden Deutschen Reiches geblieben ... Mit der Aufhebung der Verordnung Nr.212 sei der Mundatwald weder Bundesgebiet geworden noch gelte das Grundgesetz dort. Vielmehr gelte die Rechtslage, wie sie am 23. April 1949 gegolten habe.
      Die Bundesrepublik Deutschland beanspruche entgegen dieser Beurteilung das Miteigentum an den fraglichen Grundstücken. Es sei deshalb davon auszugehen, daß insoweit eine rechtliche Ungewißheit über den Berechtigten bestehe. Damit bestehe ein Bedürfnis für die Bestellung eines Pflegers. ...
      Mit Beschluß vom 4. Mai 1988 hat das Amtsgericht Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - "wegen der bestehenden Ungewißheit der Beteiligten für die Wahrnehmung etwaiger bürgerlichrechtlicher Ansprüche oder Rechte des Fiskus des Deutschen Reiches bezogen auf den Grundbesitz im Mundatwaldterritorium" eine Pflegschaft errichtet und zum Pfleger den Notar a.D. Dr.Bertzel bestellt. Eine weitergehende Begründung enthält der amtsgerichtliche Beschluß nicht.
      Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland ... Unter Berufung auf Art.134 Abs.1 GG i.V.m. §1 Abs.1 Reichsvermögensgesetz wird geltend gemacht, daß auch das im Mundatwaldterritorium gelegene Reichsvermögen der Bundesrepublik Deutschland zu Eigentum angefallen sei. Für eine Pflegerbestellung bestehe kein Anlaß.
      II. ... 2. Das Rechtsmittel ist ... begründet. Der Rechtsträger des Miteigentums an den im Mundatwaldterritorium gelegenen Grundstücken ist nicht unbekannt oder ungewiß. Das Mundatwaldterritorium ist Teil des Landes Rheinland-Pfalz und Teil der Bundesrepublik Deutschland. Dort gilt das Grundgesetz mit der Folge, daß das Reichsvermögen Vermögen des Bundes ist (Art.134 Abs.1 GG, §1 Abs.1 Reichsvermögensgesetz vom 16. Mai 1961 - BGBl.I S.597).
      2.1 Vor Inkrafttreten der Verordnung Nr.212 des Oberkommandierenden der französischen Streitkräfte gehörte das Mundatwaldterritorium zum Land Rheinland-Pfalz. ... Das Land Rheinland-Pfalz ist Teil der Bundesrepublik Deutschland (Art.23 Satz 1 GG). Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Länder in ihrem damaligen Bestand (zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes) der Bundesrepublik beigetreten sind, ändert sich an der Zugehörigkeit des Mundatwaldgebietes nichts.
      a) Die Verordnung Nr.212 der französischen Militärregierung hatte nicht die Annexion des Gebiets, sondern die vorläufige Überlassung der Gebietshoheit an Frankreich durch die vom französischen Oberkommandierenden ausgeübte deutsche Staatsgewalt zum Gegenstand. Die Formulierungen in der genannten Verordnung deuten zwar zum Teil darauf hin, daß eine Annexion geplant war, sie ist aber nicht schon mit der Verordnung Nr.212 vollzogen worden. Andernfalls hätte es des beabsichtigten, aber nicht ratifizierten Abkommens im Jahre 1962 nicht bedurft. Ausdrücklich wird auch in der Verordnung Nr.212 die Einverleibung des Mundatwaldes an Frankreich als vorläufig bezeichnet. Das findet seinen Grund letztlich in der fehlenden Zustimmung der übrigen Mächte zu einer endgültigen Gebietsänderung; die Sechs-Mächte-Konferenz von 1948 und die sich daran anschließende Übereinkunft aus dem Jahre 1949, auf die der französische Oberkommandierende seine Verordnung stützte, bezog sich nur auf vorläufige Gebietsabtrennungen. Das Fehlen der Gebietshoheit änderte aber an der Zugehörigkeit zum Staat Rheinland-Pfalz und damit dem Beitritt zur Bundesrepublik einen Monat nach Abgabe der Gebietshoheit nichts ... Dieser Beurteilung entspricht es, daß die Verordnung Nr.212 durch einen deutschen Gesetzgebungsakt, der allerdings (nach Art.1 Abs.1 S.4 des Überleitungsvertrages) der Zustimmung der drei Mächte bedurfte, außer Kraft gesetzt und dadurch die Überlassung der Gebietshoheit an Frankreich beendet worden ist.
      b) Eine andere Beurteilung ergibt sich ... auch dann nicht, wenn davon ausgegangen wird, daß die Verordnung Nr.212 der französischen Militärregierung eine - vorläufige - Annexion des Mundatwaldgebiets zum Gegenstand hatte mit der Folge, daß mit dem Inkrafttreten der Verordnung am 23. April 1949 dieses Gebiet aus dem Land Rheinland-Pfalz abgetrennt wurde und das Grundgesetz am 23. Mai 1949 dort mangels Zugehörigkeit zum Land Rheinland-Pfalz nicht in Kraft gesetzt werden konnte.
      Mit der Aufhebung der Verordnung Nr.212 ist durch actus contrarius der frühere Rechtszustand wiederhergestellt worden, ohne daß es eines Eingliederungsvertrages bedurfte, für den die Zustimmung des Bundesgesetzgebers notwendig ist (Art.73 Ziff.1, 59 Abs.2 S.1 GG). Das Mundatwaldgebiet ist damit wieder Teil des Landes Rheinland-Pfalz geworden. Damit gilt aber, da Rheinland-Pfalz Teil der Bundesrepublik ist, automatisch das Grundgesetz im Mundatwaldgebiet. Aus Art.23 Satz 2 GG kann nichts anderes geschlossen werden. Diese Vorschrift bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf den Beitritt anderer Teile Deutschlands, namentlich weiterer Länder und stellt klar, daß - ggfs. unter Anwendung von Übergangsvorschriften - das Grundgesetz in beitretenden Ländern in Kraft zu setzen ist. Eine Ausdehnung der Vorschrift auf einzelne Gebietsteile bereits beigetretener Länder läßt sich daraus jedenfalls dann nicht herleiten, wenn diese Gebietsteile bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes zu dem beigetretenen Land gehörten und nach Rückgängigmachung einer - vorläufigen - Annexion durch einen Fremdstaat wieder dem beigetretenen Land zufallen ...
      2.2 Da somit jedenfalls jetzt das Grundgesetz im Mundatwaldgebiet gilt, gilt auch Art.134 Abs.1 des Grundgesetzes, wonach das Reichsvermögen Bundesvermögen wird.

Hinweis:

      Die weitere Beschwerde wurde durch Beschluß des OLG Zweibrücken vom 8.2.1989 (3 W 190/88) als unzulässig verworfen. Eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.