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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1821. VORRANG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS

Nr.90/1

[a] Der Verstoß einer deutschen Rechtsnorm gegen Gemeinschaftsrecht macht diese nicht nichtig, sondern nur unanwendbar. Entfällt die Kollision durch spätere Änderung des Gemeinschaftsrechts, so kann die zuvor verdrängte deutsche Norm wieder angewendet werden.

[b] An seine Rechtsauffassung zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die das Bundesverwaltungsgericht in einem früheren Revisionsverfahren über dieselbe Rechtssache vertreten hat, ist es in einem weiteren Revisionsverfahren ("zweiter Durchgang") nicht länger gebunden, wenn der Europäische Gerichtshof diese Auslegungsfrage zwischenzeitlich anders entschieden hat.

[a] A German legal norm which violates Community law will not become void but only inapplicable. If the conflict later ends due to a change of Community law, the German norm hitherto suspended can again be applied.

[b] The Federal Administrative Court, in deciding an appeal in a case which previously was before it on appeal and was then remanded ("second course"), will no longer be bound by its own legal opinion on a question of interpretation of Community law expressed when deciding the first appeal if the European Court of Justice has in the meantime decided this question differently.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.11.1990 (3 C 77.87), BVerwGE 87, 154 (ZaöRV 52 [1992], 429)

Einleitung:

      Die Klägerin führte Schweine- und Rindfleischkonserven aus Ungarn ein. Bei Grenzübertritt nahm die Beklagte die vorgeschriebenen Einfuhruntersuchungen vor und setzte dafür durch Bescheide Untersuchungsgebühren in Höhe von annähernd DM 16.000 fest. Die Klägerin erhob dagegen Klage mit der Begründung, die Gebühren verstießen gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung, da sie die Kosten der zugrundeliegenden Gesundheitskontrollen offensichtlich überstiegen. Das Bundesverwaltungsgericht verweist die Sache erneut zwecks weiterer Aufklärung zurück, wie es dies mit Urteil vom 19.5.1983 schon einmal getan hatte.

Entscheidungsauszüge:

      1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Gebührenbescheide ist §1 Abs.1 Satz 1 in Verbindung mit Nr. 2 Buchst. b der Anlage der Einfuhruntersuchungskosten-Verordnung (EinfUKostV) vom 20. Januar 1975 (BGBl. I S.285) in der Fassung des Art.2 der Änderungsverordnung vom 27. Juli 1978 (BGBl. I S.1140). Danach werden für die nach §13 Abs.1 des Fleischbeschaugesetzes und §9 der Einfuhruntersuchungs-Verordnung (EinfV) erforderliche Einfuhruntersuchung von zubereitetem Fleisch Kosten erhoben. ... Der Gebührentatbestand gilt nur für zubereitetes Fleisch aus Drittländern. ...
      3. Der Anwendung der angesprochenen Gebührenregelung steht Gemeinschaftsrecht nicht im Wege.
      a) Allerdings verstieß §1 EinfUKostV in Verbindung mit Nr.2 b der Anlage bei seinem Erlaß gegen Gemeinschaftsrecht, soweit er Einfuhruntersuchungsgebühren für zubereitetes Schweine- und Rindfleisch vorsah. Sowohl Art.17 Abs.2 der Verordnung Nr.121/67/EWG des Rates vom 13. Juni 1967 über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch (ABl. 1967 S.2283) als auch Art.20 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr.805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr.L 148/24) untersagten im Januar 1975 vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen der genannten Verordnungen oder vorbehaltlich einer vom Rat auf Vorschlag der Kommission nach dem Abstimmungsverfahren des Art.43 Abs.2 des Vertrages beschlossenen Ausnahme die Erhebung von Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle. Zu diesen Abgaben gehören nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch gesundheitsbehördliche Gebühren, mit denen eingeführte Erzeugnisse belegt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - Rs. 1/83 - EuGHE 1984 S.349). Etwas anderes gilt nur, wenn die Gebühr Bestandteil einer allgemeinen inländischen Gebührenregelung ist, die systematisch sämtliche inländischen und eingeführten Waren nach gleichen Kriterien und auf der gleichen Absatzstufe erfaßt (vgl. EuGH, Urteil vom 22. März 1983 - Rs. 88/82 - EuGHE 1983 S.1061). Diese Voraussetzung erfüllt die streitige Untersuchungsgebühr aber nicht.
      b) Bei Erlaß der angefochtenen Bescheide in der zweiten Hälfte 1979 - die Verordnung Nr.121/67/EWG war inzwischen durch die Verordnung (EWG) Nr.2759/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 (ABl. Nr.L 282/1) ersetzt worden - hatte der Rat der Europäischen Gemeinschaften aber zu diesem Verbot eine Ausnahmeregelung in Gestalt des Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG getroffen. Danach wenden die Mitgliedstaaten bis zum Beginn der Anwendung der Gemeinschaftsregelungen für die Einfuhren von Fleischerzeugnissen aus dritten Ländern bei diesen Einfuhren Vorschriften an, die denen dieser Richtlinie mindestens gleichwertig sind. Derartige Richtlinienbestimmungen, die verhindern wollen, daß die vorläufig für die Einfuhr aus dritten Ländern beibehaltenen einzelstaatlichen Bestimmungen über Gesundheitskontrollen weniger streng oder mit weniger Kosten verbunden sind als das in der Richtlinie für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr vorgesehene Kontrollsystem, begründen eine Ausnahme von dem in einer EWG-Verordnung enthaltenen Verbot der Erhebung von Abgaben mit zollgleicher Wirkung (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 1980 - Rs. 30/79 - EuGHE 1980 S.151; Urteil vom 22. März 1983 - Rs. 88/82 - EuGHE 1983 S.1061, 1075).
      c) Der anfängliche Verstoß der innerstaatlichen Gebührenregelung gegen Gemeinschaftsrecht führte nicht zur Unwirksamkeit der innerstaatlichen Bestimmungen mit der Folge, daß auf sie trotz zwischenzeitlicher Beseitigung des Verstoßes durch Ergänzung des Gemeinschaftsrechts nicht mehr hätte zurückgegriffen werden können. Gemeinschaftsrecht genießt gegenüber widerstreitendem nationalem Recht - lediglich - einen Anwendungsvorrang, der es für die Zeit des Widerspruchs verbietet, die entgegenstehenden Bestimmungen des nationalen Rechts einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Der Widerspruch führt aber nicht zur - endgültigen - Nichtigkeit dieser Bestimmungen.
      Aus dem Gemeinschaftsrecht läßt sich die Nichtigkeit als Rechtsfolge eines Verstoßes von nationalem Recht gegen Gemeinschaftsrecht nicht herleiten. Wie der Europäische Gerichtshof ausgesprochen hat, ist dem Gemeinschaftsrecht im Falle entgegenstehender innerstaatlicher Bestimmungen lediglich die Forderung zu entnehmen, daß für die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften unbedingt Sorge zu tragen ist, indem die zur Entscheidung berufenen Stellen erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen. Ob der Widerspruch darüber hinaus die Ungültigkeit der betreffenden innerstaatlichen Normen bewirkt, ist dagegen eine Frage des nationalen Rechts (vgl. EuGH, Urteil vom 4. April 1968 - Rs. 34/67 - EuGHE 1968 S.363, 374; Urteil vom 9. März 1978 - Rs. 106/77 - EuGHE 1978 S.629, 646).
      Das danach für die Lösung des hier zu beurteilenden Normenkonflikts maßgebliche deutsche Recht sieht die Ungültigkeit des dem Gemeinschaftsrecht widersprechenden nationalen Rechts nicht vor; es begnügt sich für die Dauer des Widerspruchs mit der Unanwendbarkeit der innerstaatlichen Vorschriften.
      Eine ausdrückliche normative Regelung dieser Frage ist nicht erfolgt. Die Lösung kann auch nicht in einer entsprechenden Anwendung des Art.31 GG gefunden werden, der den Vorrang des Bundesrechts vor landesrechtlichen Bestimmungen anordnet. Danach "bricht" Bundesrecht Landesrecht mit der Folge, daß entgegenstehendes Landesrecht endgültig nichtig ist und nicht aufleben kann (vgl. BVerfGE 29, 11, 17). Diese Regelung ist ein Ausfluß der bundesstaatlichen Organisation der Bundesrepublik Deutschland und des sich daraus ergebenden spezifischen Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, das die gleichzeitige Geltung einander widersprechender Rechtsnormen innerhalb des Gesamtstaates nicht zuläßt. Das Verhältnis zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Bundesrepublik Deutschland ist von anderer Qualität. Die Gemeinschaft ist kein Staat, insbesondere kein Bundesstaat, sondern "eine im Prozeß fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art", eine "zwischenstaatliche Einrichtung" im Sinne des Art.24 Abs.1 GG (vgl. BVerfGE 37, 271, 278). Auch wenn die Gemeinschaftsrechtsordnung und die mitgliedstaatliche Rechtsordnung nicht unvermittelt und isoliert nebeneinander stehen, sondern in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und wechselseitigen Einwirkungen geöffnet sind (vgl. BVerfGE 73, 339, 368), ändert dies nichts daran, daß beide prinzipiell eigenständig und unabhängig voneinander gelten. Diese prinzipielle Selbständigkeit hat zur Folge, daß die Normsetzungsautorität des nationalen Gesetzgebers durch das Gemeinschaftsrecht nur soweit eingeschränkt werden darf, wie es zur unverkürzten Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts notwendig ist. Dazu genügt aber die Anerkennung eines Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts gegenüber widersprechendem innerstaatlichem Recht. Für eine entsprechende Anwendung des Art.31 GG ist unter diesen Umständen kein Raum.
      Die hier vertretene Auffassung wird auch den praktischen Bedürfnissen der Rechtsgemeinschaft besser gerecht als die Annahme endgültiger Nichtigkeit von gemeinschaftsrechtswidrigem nationalem Recht. Das Gemeinschaftsrecht entwickelt sich nicht unbedingt als eine homogene Einheit, sondern kommt - sektoral unterschiedlich - oft nur in kleinen und nicht immer ausgewogenen Schritten voran. Die im vorliegenden Fall anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften bieten dafür ein eindrückliches Beispiel. Während das Verbot der Abgabe mit zollgleicher Wirkung bereits in den Jahren 1967 bzw. 1968 erlassen wurde, folgte die zugehörige Ausnahmeregelung, die erforderlich war, um eine Diskriminierung des innergemeinschaftlichen Handels gegenüber dem Drittlandhandel zu verhindern, erst Ende 1976. Es gibt keinen Grund, der es rechtfertigen könnte, vom nationalen Gesetzgeber eine uneingeschränkte Anpassung seiner Arbeit an den jeweiligen Entwicklungsstand der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu verlangen. So kann es durchaus sachgerecht erscheinen, einer für erwünscht gehaltenen und auch zu erwartenden gemeinschaftsrechtlichen Neuregelung bereits durch den Erlaß nationaler Vorschriften vorzugreifen, um etwa eine konzeptionell geschlossene Lösung zu erzielen oder bei Inkrafttreten des neuen Gemeinschaftsrechts dessen sofortige Umsetzung zu gewährleisten. Ebenso ist es denkbar, daß die Gemeinschaft Normen, die bestehendem nationalem Recht widersprechen, von vornherein in der Absicht setzt, diese durch weitere Regelungen zu ergänzen, die den Widerspruch wieder ausräumen. In all diesen Fällen wäre es unangemessen, das in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht getretene innerstaatliche Recht für unwirksam zu erachten mit der Folge, daß der nationale Normgeber nach Aufhebung des Widerspruchs durch Änderung oder Ergänzung des Gemeinschaftsrechts seine alten Vorschriften erneut erlassen müßte.
      Die hier vertretene Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat bereits im Jahr 1971 ausgesprochen, daß eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts, die mit einer vorrangigen Bestimmung des Europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar sei, deshalb im Einzelfall ganz oder teilweise nicht anwendbar sei; das entgegenstehende nationale Recht werde überlagert und verdrängt (vgl. BVerfGE 31, 145, 174). In einer jüngeren Entscheidung hat es erkannt, Rechtsakten des Gemeinschaftsrechts komme für den Fall eines Widerspruchs zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten der Anwendungsvorrang zu (vgl. BVerfGE 75, 223, 244). Von einer Nichtigkeit der betreffenden innerstaatlichen Vorschriften ist in keiner dieser Entscheidungen die Rede. Das deckt sich mit der im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Ansicht ...
      4. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gebührenbescheide nicht darauf an, ob bei ihrem Erlaß die Richtlinie 77/99/EWG schon umgesetzt war. Wie der Europäische Gerichtshof zu dem mit Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG inhaltsgleichen Art.15 der Richtlinie 71/118/EWG ausgesprochen hat, ist die durch diese Vorschrift den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung, Einfuhren aus Drittländern ihren nationalen Regelungen zu unterwerfen, die mindestens genauso streng und mit Kosten verbunden sein müssen wie das durch die Richtlinie eingeführte System, nicht der Voraussetzung unterworfen, daß die Mitgliedstaaten bereits die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um der Richtlinie nachzukommen; es genügt, daß die Richtlinie diesem Mitgliedstaat bekanntgegeben wurde (vgl. EuGH Urteil vom 22. März 1983 - Rs. 88/82 - EuGHE 1983, 1061, 1073 f.). Dem ist auch für die hier zu beurteilende Vorschrift zu folgen. Ihr Wortlaut bietet für eine abweichende Auslegung keine Grundlage. Außerdem wäre die praktische Wirksamkeit der Bestimmung gefährdet, wenn die in ihr enthaltene Ausnahme erst dann anwendbar wäre, wenn der betreffende Mitgliedstaat der Richtlinie nachgekommen ist (vgl. EuGH a.a.O.). Die hiernach erforderliche und ausreichende Bekanntgabe der Richtlinie 77/99/EWG an die Bundesrepublik ist spätestens mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 31. Januar 1977 geschehen.
      5. Das Berufungsgericht hat das Merkmal "mindestens gleichwertig" in Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG dahin ausgelegt, daß die Erhebung von Untersuchungsgebühren für Drittlandeinfuhren das Vorhandensein einheitlicher Kontrollen und Gebühren im innergemeinschaftlichen Handel mit gleichartigen Fleischerzeugnissen voraussetze. Damit ist es der vom erkennenden Senat in seinem zurückverweisenden Urteil vom 19. Mai 1983 - BVerwG 3 C 9.82 - (Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr.40) vertretenen Auffassung gefolgt. An dieser Auffassung, die auch im Urteil vom 23. August 1984 (BVerwGE 70, 41, 52 ff.) wiederkehrt, vermag der Senat nach erneuter Überprüfung jedoch nicht festzuhalten. Sie widerspricht der für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
      Bei den genannten Entscheidungen hatte sich der Senat von der Aussage des Europäischen Gerichtshofs in dessen Urteil vom 22. Januar 1980 - Rs. 30/79 - (EuGHE 1980, 151, 165) leiten lassen, es obliege dem innerstaatlichen Gericht, die für die Kontrolle von Drittlandeinfuhren erhobenen Gebühren mit den innergemeinschaftlichen Gebühren zu vergleichen, die derselbe Staat für interne Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel nach der seinerseits maßgeblichen Richtlinie 71/118/EWG erhebe. Weiter hieß es in diesem Urteil, die Existenz der Gebühren, die aus Anlaß von Gesundheitskontrollen erhoben würden, welche aufgrund einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts einheitlich vor dem Versand im Versandmitgliedstaat durchgeführt werden müßten, rechtfertige es ihrerseits, daß an den Außengrenzen der Gemeinschaft Gebühren für Gesundheitskontrollen erhoben würden, um die Verpflichtung zu erfüllen, auf Einfuhren aus dritten Ländern Vorschriften anzuwenden, die den Vorschriften dieser Richtlinie für den innergemeinschaftlichen Handel mit denselben Waren "mindestens gleichwertig" seien.
      Durch die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist demgegenüber eindeutig und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise klargestellt, daß die Anwendung der Ausnahmeregelung des Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG nicht davon abhängt, daß im innergemeinschaftlichen Handel mit Schweinefleisch- und Rindfleischkonserven aufgrund von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts einheitlich vor dem Versand im Versandmitgliedstaat Gesundheitskontrollen vorzunehmen sind und daß aus Anlaß solcher Gesundheitskontrollen innerstaatliche Untersuchungsgebühren erhoben werden.
      Inzidenter ergibt sich diese Klarstellung schon aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. März 1983 - Rs. 88/82 - (a.a.O.), in dem eine Umsetzung der Richtlinie durch die einzelnen Mitgliedstaaten als unerheblich für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung vom Verbot der Erhebung von Abgaben mit zollgleicher Wirkung bezeichnet wurde. Wenn eine Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten nicht erforderlich ist, kann es auf eine Gleichartigkeit der im innergemeinschaftlichen Handel durchgeführten Kontrollen und der dafür erhobenen Gebühren nicht ankommen. Dieser Schluß ergibt sich auch aus der Begründung des Europäischen Gerichtshofs, es könne sein, daß in einem anderen Mitgliedstaat die Richtlinie bereits umgesetzt sei; es müsse verhindert werden, daß die Drittlandimporte gegenüber den Produkten dieses Mitgliedstaates begünstigt würden.
      Eindeutige Klarheit hat sodann das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 31. Januar 1984 - Rs. 1/83 - (EuGHE, 1984, 349, 371) gebracht. Dort hat der Gerichtshof entschieden, die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Gebühr für gesundheitsbehördliche Kontrollen des aus Drittländern eingeführten frischen Fleisches könne, sofern die Höhe der Gebühr den Kontrollkosten entspreche, nicht von dem Nachweis abhängig gemacht werden, daß in allen anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft vergleichbare Gebühren erhoben werden. In den Gründen heißt es, die dort anwendbare Richtlinienbestimmung sei als Ermächtigung der Mitgliedstaaten zu verstehen, Drittlandeinfuhren mit den in ihren jeweiligen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Gebühren zu belegen, und zwar unter zwei Voraussetzungen: Zum einen dürften diese Gebühren nicht günstiger sein als die im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr erhobenen Gebühren, wenn die Kontrolle im Versandstaat durchgeführt werde; zum anderen müßten die Gebühren in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten für den Kontrollaufwand stehen. Letzteres sei die einzige Einschränkung, der der Mitgliedstaat bei der Gebührenerhebung für Gesundheitskontrollen von Drittlandimporten unterworfen sei. Für einen Vergleich der im innergemeinschaftlichen Handel erhobenen Gebühren mit den bei Drittlandimporten anfallenden Gebühren lassen diese Aussagen keinen Raum.
      Der erkennende Senat sieht keine Grundlage, die sich aus dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebende Auslegung des Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG - etwa durch eine Vorlage nach Art.177 EWGV - in Zweifel zu ziehen. Sie entspricht dem Wortlaut der Richtlinie, in dem es heißt, die Belastung der Drittlandimporte müsse der Belastung im innergemeinschaftlichen Handel "mindestens gleichwertig" sein. Diese Formulierung bringt nur eine Begrenzung nach unten zum Ausdruck. Die Belastung der Drittlandimporte darf nicht geringer sein als die im innergemeinschaftlichen Handel. Eine höhere Belastung schließt die Vorschrift nicht aus, wie die Verwendung des Wortes "mindestens" unmißverständlich belegt. Auch der vom Europäischen Gerichtshof angeführte Gesichtspunkt der Effektivität der Norm erscheint überzeugend. Wollte man als Voraussetzung der Gebührenbelastung für Drittlandimporte eine gleichmäßige Gebührenerhebung im innergemeinschaftlichen Handel verlangen, so würde die Ausnahmevorschrift des Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG kaum Anwendung finden können, weil die Einheitlichkeit der Gebührenerhebung in der Gemeinschaft auf der Grundlage nationalen Rechts kaum herbeizuführen ist. Der mit der Vorschrift erstrebte Schutz des innergemeinschaftlichen Handels vor Benachteiligung gegenüber dem Drittlandhandel wäre damit kaum erreichbar. ...
      An dieser Feststellung ist der Senat nicht durch die in entsprechender Anwendung des §144 Abs.6 VwGO eingetretene Selbstbindung an das im ersten Revisionsverfahren ergangene zurückverweisende Urteil vom 19. Mai 1983 gehindert. Das Bundesverwaltungsgericht ist an seine in derselben Rechtssache in einem früheren Revisionsverfahren vertretene Rechtsaufassung jedenfalls dann nicht gebunden, wenn es sich um die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Norm handelt und der Europäische Gerichtshof diese Auslegungsfrage zwischenzeitlich in einem von der ersten Revisionsentscheidung abweichenden Sinne entschieden hat. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen: ... Art.177 EWGV spricht dem Gerichtshof die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des EWG-Vertrages sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten abgeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Akte zu. Dieses gemeinschaftsrechtlich verankerte Rechtsprechungsmonopol des Gerichtshofs für den ihm danach ausschließlich zugewiesenen Zuständigkeitsbereich qualifiziert ihn insoweit als gesetzlichen Richter im Sinne des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339, 368; 75, 223, 233 f.).
      Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob diese Überlegungen eine Aufhebung der Selbstbindung des Revisionsgerichts auch in Fällen rechtfertigen können, in denen das Gericht bei seiner ersten Entscheidung entweder bereits vorliegende Urteile des Europäischen Gerichtshofs übersehen oder die Zweifelhaftigkeit einer entscheidungserheblichen gemeinschaftsrechtlichen Frage und damit die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht erkannt hat. Jedenfalls bei zwischenzeitlich ergangenen klärenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs wird deren Berücksichtigung durch das Institut der Selbstbindung nicht ausgeschlossen ... Diese Voraussetzung liegt hier vor. Erst durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 31. Januar 1984 - Rs. 1/83 - (a.a.O.) ist eindeutig und endgültig klargestellt worden, daß Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG für einen Gebührenvergleich im innergemeinschaftlichen und im Drittlandhandel keinen Raum läßt. Der Umstand, daß auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. März 1983 - Rs. 88/82 - (a.a.O.) dem erkennenden Senat bei Erlaß seines Urteils vom 19. Mai 1983 noch nicht zur Verfügung stand, bedarf unter diesen Umständen keiner weiteren Erörterung.
      7. Das Abgehen vom Erfordernis eines umfassenden Kontroll- und Gebührenvergleichs bedeutet nicht, daß das Ausmaß der im Drittlandhandel möglichen Gesundheitskontrollen keiner Einschränkung unterläge und ins freie Belieben der Mitgliedstaaten gestellt wäre, soweit die Kontrolle jedenfalls nicht hinter den im innergemeinschaftlichen Handel stattfindenden zurückbleiben. Insoweit hatte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. Januar 1980 - Rs. 30/79 - (a.a.O.) verlangt, daß die Gesundheitskontrollen an den Außengrenzen der Gemeinschaft zu dem von ihnen verfolgten Ziel nicht offensichtlich außer Verhältnis stehen dürften. Die späteren Entscheidungen des Gerichtshofs bieten keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß er von diesem Erfordernis abgegangen wäre. Zwar könnte das Urteil vom 31. Januar 1984 - Rs. 1/83 - (a.a.O.) vor allem mit den Erwägungen zu Rz.13 und 18 in diesem Sinne verstanden werden, wenn dort für die Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Belastung von Drittlandeinfuhren mit Untersuchungsgebühren nur zwei Voraussetzungen aufgezählt werden: Die Gebühren dürfen nicht günstiger sein als die im innergemeinschaftlichen Handel erhobenen, und die Gebühren müssen in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten für den Kontrollaufwand stehen. Da aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu den anerkannten Rechtsgrundsätzen der Europäischen Gemeinschaften gehört, erscheint es ausgeschlossen, daß der Europäische Gerichtshof bei der Frage, welche Kontrollen überhaupt durchgeführt werden dürfen, unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung von diesem Grundsatz hätte abgehen wollen. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die Frage der Angemessenheit der durchgeführten Kontrollen in jenem Verfahren keine Rolle spielte, so daß der Gerichtshof keine Notwendigkeit sah, darauf gesondert hinzuweisen. Hierfür spricht die Aussage am Ende der Rz.13, nur das angemessene Verhältnis der Gebühren zu den Kosten für den Kontrollaufwand sei in jener Rechtssache umstritten.
      Die Einhaltung dieser Voraussetzung wirft vorliegend allerdings keine Probleme auf. ... Die Einfuhruntersuchung überschreitet ... ersichtlich nicht den Rahmen dessen, was im Interesse einer effektiven Gesundheitskontrolle zu fordern ist.
      8. Weitere Voraussetzungen für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes des Art.17 der Richtlinie 77/99/EWG ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, daß die geforderten Gebühren die Kosten für die Kontrollen nicht offensichtlich übersteigen dürfen (vgl. Urteil vom 22. Januar 1980 - Rs. 30/79 - a.a.O. S.165 f., Rz.12; Urteil vom 31. Januar 1984 - Rs. 1/83 - a.a.O. S.368 f., Rz.13, 18). In den Vorinstanzen hatte die Klägerin gerügt, daß diese Voraussetzung vorliegend nicht eingehalten sei. Die Einnahmen aus der Untersuchungstätigkeit überstiegen bei weitem die dadurch entstehenden Aufwendungen. Das Berufungsgericht hat dazu ... keine Feststellungen getroffen. Da diese Frage aber entscheidungserheblich ist, sind die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nunmehr nachzuholen.