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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


231. INNERSTAATLICHE ANWENDBARKEIT VON VÖLKERVERTRAGSRECHT

Nr.89/1 Ein Verwaltungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit einem ausländischen Staat ist für die von einem straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß betroffenen Grundstückseigentümer nicht verbindlich.
An executive agreement between the government of the Federal Republic of Germany and the government of a foreign state does not bind land owners affected by an official approval of a road construction plan under the law relating to public highways.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 10.8.1989 (8 CS 88.2912 u.a.), DVBl.1990, 167 (ZaöRV 51 [1991], 182) (s.341 [89/1])

Einleitung:

      Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Sofortvollzug eines Planfeststellungsbeschlusses (PFB) für ein Autobahnteilstück. Die Festlegung der Trasse wurde dadurch beeinflußt, daß diese den Anschluß an einen Grenztunnel herstellt, der aufgrund des Verwaltungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Bau, Instandhaltung und Betrieb eines Grenztunnels zwischen Füssen und Reutte vom 12.7.1985 (BGBl.II 1988 S.376) an dieser Stelle errichtet werden sollte.

Entscheidungsauszüge:

      B. ... 2.b) Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Bau, Instandhaltung und Betrieb eines Grenztunnels zwischen Füssen und Reutte ... bildet keinen "legalen Zwangspunkt" in dem Sinne, daß sich der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren zur Stützung der gewählten Trasse auf eine bereits gegenüber den Antragstellern verbindliche Entscheidung berufen könnte. Zwar werden die von den Antragstellern vorgebrachten Zweifel an der Zuständigkeit des Bundes zum Abschluß des Abkommens nicht geteilt. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern wird insoweit durch Art.32 GG geregelt ... Nach Art.32 Abs.3 GG können die Länder nur dann völkerrechtliche Verträge schließen, wenn bei ihnen für die fragliche Materie auch die Gesetzgebungszuständigkeit liegt. Diese könnte sich im Hinblick auf die vom Bund durch das FStrG und das FStrAbG bezüglich der Bundesautobahnen vollständig ausgeschöpfte Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung (Art.74 Nr.22 GG) nur aus einer Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens ergeben. Auch insoweit bleibt der Bund aber für Verträge über Gegenstände der Verwaltung jedenfalls dann zuständig, wenn die Länder - wie hier - in Bundesauftragsverwaltung handeln (Art.90 Abs.2 GG) und der Bund deshalb gemäß Art.85 Abs.2 GG allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen kann ... Eine Landeskompetenz käme allenfalls dann in Betracht, wenn und soweit der Bund von seiner Kompetenz noch nicht Gebrauch gemacht hätte ...; dies ist aber im vorliegenden Fall durch den Abschluß des Abkommens gerade geschehen.
      Der Vertrag konnte auch wirksam als Verwaltungsabkommen geschlossen werden. Der insoweit maßgebliche Art.59 GG ermächtigt die Exekutive, (Bundes-)Verträge über Gegenstände der Verwaltung ohne Beteiligung der Legislative abzuschließen (sog. Verwaltungsabkommen, Art.59 Abs.2 Satz 2 GG) ... Hierzu gehören alle jene Materien, zu deren Regelung es keines formellen Gesetzes bedarf, die also insbesondere durch Verwaltungsvorschrift oder Verwaltungsakt geregelt werden können ... Allerdings kommt einem Verwaltungsabkommen mangels Beteiligung der Legislative zur Transformation des Vertrags in ein formelles Gesetz auch nicht die Wirkung eines Gesetzes zu, es kann daher keine Rechte und Pflichten für die einzelnen Staatsbürger begründen ... Auch ein sog. normatives Verwaltungsabkommen müßte erst durch Rechtsverordnung (aufgrund einer wirksamen Ermächtigung) in innerstaatliches Recht überführt werden, um die Antragsteller binden zu können ... Über abstrakt-generelle Regelungen hinaus muß ein solcher nach innerstaatlichem Recht rechtmäßig erlassener Transformationsakt auch für jede andere Art rechtlicher Bindung gefordert werden, die im Verhältnis zu den Antragstellern die Auswirkungen eines Zwangspunktes ... haben soll. In Betracht kommt hier grundsätzlich auch die Umsetzung in einen PFB, wie er den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. Damit wird aber deutlich, daß die von einem PFB Betroffenen ein darauf zielendes Verwaltungsabkommen rechtlich nicht binden kann: denn die Notwendigkeit der Transformation in innerstaatliches Recht beruht hier wie in den anderen Fällen gerade auf der mangelnden innerstaatlichen Bindungswirkung des Abkommens. Andernfalls wären mangels Klagemöglichkeit gegen das Abkommen selbst die Verteidigungsmöglichkeiten von Bürgern gegen eine - jedenfalls auch - innerstaatliche Planung in einer Weise eingeschränkt, die nach Auffassung des Senats mit der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs.4 GG nicht zu vereinbaren wäre. Aus den gleichen Erwägungen kann den Antragstellern auch nicht über den Umweg des Abstellens auf die rein faktischen Auswirkungen des Abkommens (vertraglich "vollendete Tatsachen", faktisch anderen Lösungen entgegenstehender Wille eines oder beider Vertragspartner) der Einwand eines Zwangspunktes entgegengehalten werden.
      Allerdings kann - darauf ist zur Vermeidung von Mißverständnissen hinzuweisen - im Rahmen der Abwägung die zur Verwirklichung einer Trassenvariante notwendige Mitwirkung des völkerrechtlichen Vertragspartners zu berücksichtigen sein und unter Umständen erhebliches Gewicht haben. Ob im vorliegenden Fall die Republik Österreich unter keinen Umständen einer Tunnelführung, wie sie der Alternativtrasse "Bund Naturschutz" zugrunde liegt, zustimmen würde, erscheint noch nicht endgültig geklärt. Zwar wurde mit Schreiben des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 26.9.1983 mitgeteilt, daß eine Verschiebung der vereinbarten Grenzübergangsstelle nach Westen strikt abgelehnt werde, die von den Ast. favorisierte Trasse "Bund Naturschutz" - deren südliches Tunnelportal näher an der vereinbarten Stelle liegt als das der übrigen Varianten - war aber möglicherweise noch nicht zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht worden. Letztlich kommt es darauf unter den gegebenen Umständen auch nicht an. Die Behörde hat nämlich den PFB nicht darauf gestützt.