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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1842. FREIZÜGIGKEIT DER ARBEITNEHMER

Nr.92/1

Ein EG-Ausländer, der seinen juristischen Vorbereitungsdienst in Deutschland im versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis ableistet, weil er als Nichtdeutscher nicht zum Beamten ernannt werden kann, hat keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Ausgleich für die von seiner Unterhaltsbeihilfe einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge.

A foreign EC national who completes practical professional training in law in Germany as an employee liable to contribute to social security because he or she, not being German, cannot be appointed as a civil servant, does not have a Community law claim to compensation for contributions to social security withheld from his or her pay.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 30.11.1992 (2 B 188.92), ZBR 1993, 85 (ZaöRV 54 [1994], 539)

Einleitung:

      Der Kläger hat als italienischer Staatsangehöriger den juristischen Vorbereitungsdienst des beklagten Landes außerhalb des Beamtendienstes im Angestelltenverhältnis abgeleistet, weil er als Ausländer nicht zum Beamten ernannt werden konnte. Dafür hat der Kläger eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Bruttobeträge der Anwärterbezüge erhalten, allerdings unter Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen, da er als Angestellter - anders als die verbeamteten deutschen Rechtsreferendare - versicherungspflichtig war. Netto stand er somit schlechter als jene. Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht stützt der Kläger darauf, daß er nach Art.48 EWG-Vertrag Inländergleichbehandlung beanspruchen könne, die sich an der Nettovergütung auszurichten habe. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsauszüge:

      b) Auch die Frage, ob der gemeinschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz die Gewährung gleicher Nettobezüge in beiden Ausbildungsverhältnissen gebietet, wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht in dieser allgemeinen Form zu entscheiden. Denn das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe, falls er die Ausbildung im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis außerhalb des Beamtenverhältnisses und mit Sozialversicherungspflicht als dem Gemeinschaftsrecht nicht genügend erachtete, sich unmittelbar gegen die Ablehnung der Einstellung als Beamter auf Widerruf wenden können und müssen; dies sei aber jetzt nicht mehr möglich, weil die Ablehnung bestandskräftig geworden sei.
      Die hierbei zugrunde gelegte Annahme des Berufungsgerichts, daß ein etwaiger gemeinschaftsrechtlicher Anspruch auf Einstellung als Beamter unter gleichen Bedingungen wie Inländer entgegenstehenden nationalen Rechtsvorschriften ... gemäß Art.24 Abs.1 GG vorgeht und daher trotz solcher Rechtsvorschriften unmittelbar vor den deutschen Gerichten geltend gemacht werden kann, entspricht der Auffassung des Senats (... DVBl.1985, 742 ...). Hätte der Kläger in diesem Punkt den Rechtsweg beschritten, so wäre, falls der Vorbehalt des Art.48 Abs.4 EWGV auf den juristischen Vorbereitungsdienst ebensowenig anzuwenden sein sollte wie auf den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt (... EuGH, Slg.1986, 2121 ...), die Frage zu entscheiden gewesen, ob das angebotene Ausbildungsverhältnis mit gleichen Bruttobezügen und Sozialversicherungspflicht dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung mit Inländern genügte (vgl. dazu ... EuGH, Slg.1986, 1725, 1739 Rz.16 ... und Slg.1987, 2615, 2640 Rz.13 ...: "Vergünstigungen und Garantien, die in allen Punkten denen entsprechen, die sich aus dem den ... Staatsangehörigen vorbehaltenen Beamtenverhältnis ergeben").
      Nunmehr stellt sich die Frage nur noch dahin, ob das Gemeinschaftsrecht gebot, dem sozialversicherungspflichtig ausgebildeten Kläger zusätzlich zu der den Anwärterbezügen brutto entsprechenden Unterhaltsbeihilfe einen Ausgleich für die Sozialversicherungsbeiträge zu gewähren. Dies würde indessen auf eine Summierung der Vorteile beider Rechtsverhältnisse hinauslaufen, da der Kläger einerseits in den Genuß der Rechte und Anwartschaften aus der Sozialversicherung gekommen ist, andererseits von den Beiträgen dafür wirtschaftlich freigestellt würde. Der Senat sieht keinen klärungsbedürftigen Zweifel daran, daß eine solche, für Inländer in keinem Falle vorgesehene Summierung der beiderseitigen Vorteile über die gemeinschaftsrechtlich gebotene Gleichbehandlung hinausgehen würde und daher nicht verlangt werden kann.