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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


389. INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION (ILO)

Nr.87/2

Der Bericht des Untersuchungsauschusses nach Art.29 Abs.2 ILO-Verfassung kann nicht die verbindliche Festlegung völkerrechtlicher Pflichten der Bundesrepublik Deutschland enthalten.

A report of the Commission of Inquiry pursuant to Art.29 (2) of the ILO Constitution cannot contain a binding determination of the international legal obligations of the Federal Republic of Germany.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.9.1987 (1 D 122.86), DVBl.1988, 346 (ZaöRV 48 [1988], 722 f.)

Einleitung:

      Ein Bericht eines ILO-Untersuchungsausschusses hatte festgestellt, daß die Handhabung der Verfassungstreuepflicht für Beamte in der Bundesrepublik mit dem ILO-Übereinkommen Nr.111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (BGBl. 1961 II S.97) nicht vereinbar sei. Darauf berief sich ein Beamter in einem Disziplinarverfahren wegen Verletzung der Verfassungstreuepflicht erfolglos.

Entscheidungsauszüge:

      Wie der Senat bereits mehrmals entschieden hat, kann der Bericht des Untersuchungsausschusses nach Art.29 der IAO-Verfassung [BGBl. 1957 II S.317] nicht die verbindliche Festlegung völkerrechtlicher Pflichten der Bundesrepublik Deutschland enthalten, die bei Anwendung und Auslegung innerstaatlichen Rechts zu beachten wären. Dem Bericht des Untersuchungsausschusses kommt, wie Art.29 Abs.2 der IAO-Verfassung klarstellt, nur die Wirkung einer Empfehlung an die Regierung des betreffenden Mitgliedstaates zu, die die empfohlene Maßnahme treffen kann. Im Falle der Ablehnung steht es ihr frei, ob sie den Streitfall dem Internationalen Gerichtshof unterbreitet, dessen Entscheidung ebenfalls nur Empfehlungen enthalten kann (Art.33 der IAO-Verfassung). Die Bundesregierung hat dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes durch ihren Regierungsdelegierten im Verwaltungsrat am 7.5.1987 mitgeteilt, daß sie nicht beabsichtige, den Streitfall dem Internationalen Gerichtshof zu unterbreiten, und keinen Anlaß sehe, von ihrer Rechtsposition abzugehen.
      Empfehlungen eines Untersuchungsausschusses der Internationalen Arbeitsorganisation haben keine das innerstaatliche Recht unmittelbar ändernde Wirkung. Sie haben, wenn die betreffende Regierung sie annimmt, lediglich die Folge, daß die zu ihrer Verwirklichung erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen eingeleitet werden. Dagegen hat der Bericht des Untersuchungsausschusses, der die Durchführung des Übereinkommens Nr.111 in der Bundesrepublik Deutschland geprüft hat, für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht die Bedeutung, daß der Senat an die darin zum Ausdruck gekommene Rechtsansicht bei Bestimmung des Inhalts der beamtenrechtlichen Treuepflicht, um die es hier geht, gebunden wäre. Richtig ist zwar, daß die Gerichte zur Beachtung völkerrechtlicher Vorgaben verpflichtet sind, wenn ihnen das innerstaatliche Recht Auslegungsspielräume läßt. Ein solcher Auslegungsspielraum besteht jedoch in bezug auf die aus Art.33 Abs.5 GG herzuleitende politische Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Staat und seiner Verfassung nicht. Eine Stellungnahme zu den zum Teil gegensätzlichen Äußerungen in dem Ausschußbericht der Internationalen Arbeitsorganisation erübrigt sich daher.