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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


450. PERSONALHOHEIT

Nr.90/1

Das bei der Erteilung eines Fremdenpasses an Ausländer bestehende Ermessen ist mit Blick auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung in die Personalhoheit des Heimatstaates auszuüben.

When exercising its discretion in issuing an alien's pass the authority must respect the international legal principle of non-interference in the personal sovereignty of the alien's home state.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 26.11.1990 (1 S 1907/90), BWVP 1991, 134 (ZaöRV 52 [1992], 368)

Einleitung:

      Die Klägerin, eine tschechoslowakische Staatsangehörige, reiste mit einem befristet gültigen Nationalpaß ein. Nachdem dieser von den tschechoslowakischen Behörden nicht verlängert worden war, weil die Klägerin die CSSR unerlaubt verlassen hatte, erhielt sie einen deutschen Fremdenpaß und eine Aufenthaltserlaubnis. Eine unter dem 27.2.1989 beantragte Verlängerung des Fremdenpasses sowie der Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt, da es der Klägerin nach den inzwischen eingetretenen Änderungen der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatstaat zuzumuten sei, die Ausstellung eines Nationalpasses zu beantragen.

Entscheidungsauszüge:

      Ausländern, die sich nicht durch einen Paß oder Paßersatz ausweisen können, kann ein Fremdenpaß ausgestellt werden (§4 Abs. AuslG). Die Ausstellung eines Fremdenpasses steht folglich, auch wenn die gesetzliche Voraussetzung erfüllt ist, im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. Das behördliche Ermessen ist grundsätzlich weit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (... BVerwGE 42, 143; ... InfAuslR 1988, S.317) und des Senats (... DÖV 1973, S.416 m.w.N.; ... VBIBW 1989, S.53) kommt die Erteilung eines Fremdenpasses zu dem Zweck, den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (§3 AuslG), nur ausnahmsweise in Betracht. Die Behörden dürfen bei der Ermessensausübung berücksichtigen, ob die Ausstellung des Fremdenpasses im deutschen Interesse liegt. Die Ausstellung eines Fremdenpasses kann insbesondere dann Belastungen für die Bundesrepublik mit sich bringen, wenn mit ihr ein Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates verbunden ist. Als Aufenthaltsstaat ist die Bundesrepublik nach dem Völkerrecht grundsätzlich verpflichtet, die Personalhoheit des Heimatstaates eines Ausländers zu respektieren ... Unter diesem Gesichtspunkt sind neben anderem die zu dem Staat bestehenden Beziehungen sowie der Nachdruck von Bedeutung, mit dem der Staat seine Personalhoheit geltend macht. Grenzen des Ermessens können sich aus höherrangigem Recht, insbesondere aus den Grundrechten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, ergeben. Danach kann bei der Entscheidung über die Ausstellung des Fremdenpasses eine Abwägung der Interessen des Ausländers mit den staatlichen Interessen erforderlich sein ...
      Im Fall der Klägerin haben die Behörden das ihnen eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Widerspruchsbehörde hat ihre ablehnende Entscheidung darauf gestützt, die Klägerin habe nicht den Nachweis erbracht, daß die zuständige Auslandsvertretung der CSSR die Ausstellung eines [National]passes verweigere. Diese Erwägung steht in Einklang mit der ständigen Verwaltungspraxis, wonach der Bewerber um einen Fremdenpaß nachzuweisen hat, daß er sich erfolglos um die Ausstellung oder Verlängerung seines Nationalpasses bemüht hat (AuslVwV Nr.4 zu §4 AuslG). Das Nachweiserfordernis ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es dient dem deutschen Interesse an größtmöglicher Wahrung der Personalhoheit des fremden Staates. ...
      Wie jedem anderen Bewerber um einen Fremdenpaß war es der Klägerin zuzumuten, sich um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen und den deutschen Behörden nachzuweisen, daß sie einen Nationalpaß nicht oder nur unter nicht hinnehmbaren Bedingungen erlangen könne. Der Umstand, daß sie bis zum März 1989 im Besitz eines befristet erteilten Fremdenpasses war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Verlängerung eines Fremdenpasses kann zwar bei gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes geboten sein ... Diese Voraussetzung ist im Fall der Klägerin aber nicht erfüllt. Denn ... [es] ... hatten sich seit der letzten Verlängerung des Fremdenpasses die politischen Verhältnisse in der CSSR grundlegend geändert, weshalb die Klägerin, nachdem ihr Fremdenpaß ungültig geworden war, wiederum darauf verwiesen werden durfte, sich nachhaltig um einen Nationalpaß zu bemühen (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, ... OVGE 25, 141). Wird nämlich die Frage einer Verlängerung des Fremdenpasses nach Änderung der politischen Verhältnisse im Heimatstaat des Ausländers aufgeworfen, besteht für die deutschen Behörden Anlaß, die zu diesem Staat bestehenden Beziehungen zu überprüfen und das bei der Erteilung des Fremdenpasses eingeräumte Ermessen im Interesse des völkerrechtlichen Grundsatzes der Nichteinmischung in die Personalhoheit des fremden Staates möglicherweise abweichend auszuüben.

Hinweis:

Das Urteil ist rechtskräftig.