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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


470. STAATENIMMUNITÄT

Nr.88/1

[a] Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben, wenn ein ausländischer Staat selbst Klage erhebt und sich damit der deutschen Gerichtsbarkeit unterwirft.

[b] Ausländische Staaten genießen Immunität lediglich für hoheitliche Tätigkeit, nicht aber für privatrechtliche Tätigkeit.

[c] Der Erlaß eines Verwaltungsaktes, der vornehmlich auf arbeitsmarktpolitischen Erwägungen gründet, greift unzulässigerweise in die hoheitlichen Aufgaben eines ausländischen Staates ein, wenn er die internen Personalangelegenheiten eines seiner Konsulate betrifft.

[a] German jurisdiction to adjudicate extends to a foreign state which submits to this jurisdiction by filing suit in a German court.

[b] Foreign states enjoy sovereign immunity only with regard to governmental activities, not with regard to private law activities.

[c] An administrative decision, based primarily on considerations of labor policy, which concerns a matter of personnel management of a foreign state's consulate, amounts to an impermissible interference in a governmental activity of that state.

Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 5.5.1988 (1 K 4/88), AVR 1990, 389 (ZaöRV 51 [1991], 186) (rechtskräftig)

Einleitung:

      Die Hauptfürsorgestelle lehnte die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Hausmeisters (Beigeladener) bei einem französischen Konsulat ab (§§15 ff. Schwerbehindertengesetz [SchwbG]). Die Französische Republik begehrt die Feststellung, daß die Kündigung aus Gründen der Staatenimmunität nicht zustimmungsbedürftig sei.

Entscheidungsauszüge:

      Die deutsche Gerichtsbarkeit ist schon deshalb gegeben, weil die Klägerin selbst Klage erhoben und sich damit der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen hat ..., so daß dahinstehen kann, ob sie als souveräner Staat vorliegend Immunität beanspruchen könnte ...
      Der für ausländische Staaten geltende völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität beruht auf der Überlegung, daß die Staaten untereinander völkerrechtlich gleichgeordnet sind und daher kein Staat befugt ist, die Tätigkeit eines anderen Staates als Hoheitsträger seiner Gesetzgebung, Rechtsprechung und Vollziehung zu unterwerfen. Nach der heute anerkannten Lehre von der eingeschränkten Staatenimmunität ist dieser Grundsatz dahingehend zu relativieren, daß ausländischen Staaten Immunität ledglich für hoheitliche Tätigkeit (acta iure imperii), nicht aber für privatrechtliche Tätigkeit (acta iure gestionis) zusteht (BVerfGE16, 34; 46, 342; 64, 1 ...). Zwar begibt sich ein ausländischer Staat durch den Abschluß eines Arbeitsvertrages grundsätzlich auf die Ebene des Privatrechts. Das kann vorliegend aber nicht zur Anwendung der §§15 ff. SchwbG führen. Denn es ist zu berücksichtigen, daß - wie das Bundesarbeitsgericht rechtsgrundsätzlich entschieden hat - der dem Privatrecht zuzuordnende Kündigungsschutz durch öffentliches Recht überlagert wird, "indem die Wirksamkeit einer privatrechtlichen Willenserklärung von der Zustimmung einer inländischen Behörde abhängig gemacht wird. Die Regelung der §§15 ff. SchwbG tragen nicht etwa deshalb überwiegend privatrechtlichen Charakter, weil es nur um die Ausgestaltung der privatrechtlichen Wirkung einer Willenserklärung ginge, es ist vielmehr entscheidend, daß das Gesetz die notwendige Mitwirkung einer Behörde bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gegen den Willen eines Schwerbehinderten anordnet, und zwar aus Gründen der öffentlichen Fürsorge" (BAG, Urteil vom 30. April 1987 - 2 AZR 192/86 -, NJW 1987, 2766, 2767). Mit dem Zustimmungserfordernis wird dem Beklagten die Befugnis eingeräumt, im Wege eines administrativen Entscheidungsvorbehaltes weitreichenden Einfluß auf Behördeninterna des Konsulates zu nehmen. Die Ermächtigung zum Erlaß eines solchen Verwaltungsaktes gründet nicht in erster Linie in den rechtlichen Beziehungen der Parteien des Arbeitsvertrages - diesen bleibt die Inanspruchnahme arbeitsgerichtlichen Rechtsschutzes unbenommen -, sondern vornehmlich in arbeitsmarktpolitischen Erwägungen. Eine derartig weitgehende Einflußnahme des deutschen Staates verbietet sich in Ansehung der zu respektierenden Immunität eines ausländischen Staates. Das Konsulat der Französischen Republik dient der Wahrnehmung der Interessen des französischen Staates (vgl. zu den konsularischen Aufgaben Art.5 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 - BGBl.1969 II, S.1585) und erfüllt damit hoheitliche Aufgaben dieses Staates. Dieser Rechtsstatus bedingt, daß - was vom Beklagten bisher nicht einmal ansatzweise in die Betrachtung einbezogen wurde - der Empfangsstaat nicht in die internen Personalangelegenheiten des Konsulats, welches im Interesse einer angemessenen Vertretung des Entsendestaates eigenverantwortlich für das ordnungsgemäße Funktionieren des Dienstablaufes nach Maßgabe seiner Belange sorgen muß, eingreifen darf.
      Die Anwendbarkeit von §15 SchwbG ergibt sich im Falle der Klägerin auch nicht aus dem zwischen ihr und dem Beigeladenen geschlossenen Vertrag vom ... 1981. Der in französischer Fassung abgefaßte Vertrag enthält folgende Klausel: "Le présent contrat est renouvelable chaque année par tacite reconduction. Il peut être dénoncé de part et d'autre dans les conditions fixées par la législation locale", die besagt, daß der Vertrag jedes Jahr stillschweigend verlängert und von beiden Parteien nach den durch die lokale Gesetzgebung festgelegten Bedingungen gekündigt werden kann. Diese Vereinbarung trifft keine ausdrückliche Bestimmung über die hier maßgebliche Frage, so daß sie der Auslegung bedarf. Gemäß §§133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Der weitgefaßte Wortlaut legt bei isolierter Betrachtung durchaus die Erwägung nahe, die Kündigung solle nach Maßgabe sämtlicher lokaler Gesetzesbedingungen - d.h. des gesamten Bundes- und Landesrechtes und demzufolge auch des Schwerbehindertengesetzes - erfolgen. Der vertraglichen Vereinbarung einen derartig umfassenden Regelungsinhalt beizumessen, würde indessen den die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten prägenden Besonderheiten nicht gerecht. Zunächst sei darauf verwiesen, daß die Anwendung des Schwerbehindertengesetzes kaum Gegenstand der Vereinbarung gewesen sein dürfte, da die Schwerbehinderteneigenschaft des Beigeladenen bei Vertragsschluß noch nicht vorlag. Jedenfalls aber kann nicht davon ausgegangen werden, die gewählte Formulierung habe auch das Zustimmungserfordernis des Beklagten gem. §15 SchwbG umfassen sollen. Denn hierbei handelt es sich - wie vorstehend ausgeführt - um ein dem öffentlichen Recht zuzuordnendes Rechtsinstitut, das die Klägerin nach den gesamten Umständen keineswegs zum Gegenstand des Vertrages machen wollte. Der gegenteiligen Annahme steht bereits entgegen, daß - wie insbesondere der Zusammenhang mit dem vorausgehenden Satz des Vertragstextes zeigt - die Kündigungsklausel ersichtlich nur auf die "Bedingungen" abhebt, die für die Ausgestaltung des Verhältnisses beider Vertragsparteien zueinander unmittelbar von Bedeutung sind; hierzu zählt das in erster Linie einem Dritten, nämlich dem deutschen Staat, zustehende Zustimmungserfordernis des Beklagten nicht. Entscheidend ist jedoch letztlich, daß die Klägerin sich bei dessen Einbeziehung wegen des aufgezeigten öffentlich-rechtlichen Charakters des Zustimmungsverfahrens der Hoheitsgewalt des deutschen Staates unterworfen hätte. Das hätte zwangsläufig einen entsprechenden Immunitätsverzicht bedingt, der ausdrücklich oder konkludent möglich, aber stets erforderlich ist ... Dafür aber, daß die Klägerin mit Abschluß des Arbeitsvertrages eine Erklärung dieses weitreichenden Inhalts abgeben wollte, sind nach Lage der Dinge keinerlei Anhaltspunkte vorhanden.