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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


481. ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER GERICHTSENTSCHEIDUNGEN

Nr.89/1

Ein französisches Vergleichsverfahren über eine in Frankreich ansässige Insolvenzschuldnerin erfaßt grundsätzlich auch den in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Teil seines Vermögens.

A French insolvency proceeding involving a debtor resident in France also extends to her assets located in the Federal Republic of Germany.

Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 31.1.1989 (7 U 82/87), RIW 1990, 142 (ZaöRV 51 [1991], 187)

Entscheidungsauszüge:

      Zwar standen der Klägerin aus ihrer Geschäftsbeziehung mit der Beklagten [Zahlungs] Ansprüche ... ursprünglich zu ... Gleichwohl ist die Klage nicht begründet, da die Wirkungen des über das Vermögen der Beklagten in Frankreich stattgefundenen Vergleichsverfahrens zu beachten sind und da nach französischem Insolvenzrecht vorliegend die Geltendmachung der Forderungen durch die Klägerin ausgeschlossen ist.
      Die Anerkennung der Auswirkungen eines nach französischen Rechtsregeln geschlossenen Vergleiches in der Bundesrepublik ergibt sich zwar nicht aus internationalen Verträgen. Das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (BGBl.1972 II, 774) ist nach Art.1 Abs.2 Nr.2 nicht auf Vergleiche anzuwenden. Das Konkursabkommen zwischen Frankreich und dem Saarland vom 3.3.1950 ist außer Kraft ...
      Die Beachtlichkeit des französischen Vergleichsverfahrens ergibt sich jedoch aus der Anerkennung des sogenannten Universalitätsprinzips im Rahmen des deutschen internationalen Konkurs- und Vergleichsrechts.
      Entgegen der herrschenden Lehre ... versagte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ursprünglich gemäß dem sogenannten Territorialitätsprinzip ausländischen Insolvenzverfahren solche Inlandswirkungen. Mit Urteil vom 11.1.1985 vertritt nunmehr auch der Bundesgerichtshof (NJW 1985, 2897 ff.) für den Bereich des Konkursrechts das Universalitätsprinzip. Für das Vergleichsverfahren kann nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten. Denn die vom BGH zugunsten des Universalitätsprinzip angeführten Argumente lassen sich auch auf ein ausländisches Vergleichsverfahren übertragen ...
      Ausländische staatliche Hoheitsakte werden von der deutschen Staatsordnung grundsätzlich dann anerkannt, wenn es um privatrechtsgestaltende Maßnahmen und nicht um Maßnahmen zur Durchsetzung vorwiegend staats- oder wirtschaftspolitischer Interessen des betreffenden ausländischen Staates geht ... Ebenso wie ein Konkursbeschlag dient auch die Durchführung eines Vergleichsverfahrens nicht staatlichen Zwecken, sondern der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung.
      Auch die Erwägung, daß angesichts der gerade innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ständig zunehmenden Geschäftsbeziehungen eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Gläubiger anzustreben sei ..., läßt sich auf das ebenfalls vom Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger geprägte Vergleichsverfahren übertragen.
      Zudem wird die enge Verknüpfung von Konkurs- und Vergleichsrecht gerade im französischen Recht deutlich, das über ein für Konkurs- und Vergleichsverfahren einheitliches Insolvenzrecht verfügt und dabei insbesondere ein einheitliches Einleitungsverfahren vorsieht ...
      Die Anerkennung des ausländischen Insolvenzverfahrens steht zwar unter dem Vorbehalt, daß es sich in das Gesamtgefüge der deutschen insolvenzrechtlichen Vorschriften und Rechtsgrundsätze einpaßt ... Die hierdurch gesetzten Schranken stehen jedoch vorliegend einer Beachtung des französischen Vergleichsverfahrens nicht entgegen.
      Um sicherzustellen, daß nur solches ausländisches Recht zur Anwendung kommt, in dessen Sphäre hinreichende Beziehungen zum Insolvenzschuldner und dessen Vermögen bestehen, muß die das Verfahren eröffnende staatliche Stelle international zuständig sein, wobei sich die Zuständigkeit nach §§ 71, 238 KO i.v.m. §2 Abs.1 Satz 1 VerglO richtet ... Dies ist angesichts der Tatsache, daß sich sowohl Geschäftssitz als auch Vermögen der Beklagten in Frankreich befinden, vorliegend der Fall ...
      Dahinstehen kann, inwieweit umgekehrt ausländische Vergleichsverfahren ihrerseits in Frankreich zu beachten sind, da die Berücksichtigung ausländischer Vergleichsverfahren in der Bundesrepublik nicht von einem Gegenseitigkeitserfordernis abhängt.