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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


150. SUBSIDIÄRE QUELLEN DES VÖLKERRECHTS

Nr. 88/1 Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen (hier die Charta des Kindes) sind zwar keine eigenständige Völkerrechtsquelle, können jedoch als sogenanntes "soft law" ergänzend zur Auslegung nationalen Rechts herangezogen werden.
Resolutions of the General Assembly of the United Nations, in this case the Charter of the Child, although not constituting an independent source of international law, can as soft law nonetheless be used as a supplementary means of interpreting municipal law.

Verwaltungsgericht Frankfurt, Beschluß vom 19.7.1988 (V/2 H 1258/88), FamRZ 1989, 209 (ZaöRV 50 [1990], 77)

Einleitung:

      Der Antragsteller hatte im März 1988 in Frankfurt/M. ein "Büro für Familiengründung und Familiensicherung" eröffnet, von dem aus er die gewerbliche Vermittlung von Kindern aus der Dritten Welt betrieb. Dies wurde ihm durch Polizeiverfügung untersagt, gegen die er einstweiligen Rechtsschutz nach §80 Abs.5 VwGO begehrt. Das Verwaltungsgericht hält die Verfügung für offensichtlich rechtmäßig, weil die entgeltliche Vermittlung von Kindern deren Menschenwürde verletze.

Entscheidungsauszüge:

      Als unvereinbar mit der Wahrung der Menschenwürde gelten zu allererst Rechtsbeeinträchtigungen wie Sklaverei, Leibeigenschaft und ähnliche die Subjektqualität eines Menschen negierende Handlungen bzw. Zustände ... Eine in diesem Sinne mit der Menschenwürde nicht in Einklang zu bringende Vorgehensweise liegt jedoch auch dann vor, wenn Säuglinge und Kinder, die in vollem Umfang an dem Schutzgehalt des Art.1 Abs.1 GG partizipieren ..., vor der Erlangung der Möglichkeit selbstverantwortender Entscheidung durch ihre Eltern oder einen Elternteil bzw. dritte Personen zum Objekt eines kommerziellen, auf Gewinnerzielung gerichteten Handelns gemacht werden. Dementsprechend hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen [UN] in Grundsatz 9 ihrer am 20.11.1959 beschlossenen "Charta des Kindes" (abgedruckt u.a. in Terres des Hommes [Herausgeber], Kindesrecht und Ausländerrecht, 1983, S.12) eindeutig festgelegt: "Das Kind wird vor Vernachlässigung, Grausamkeit und Ausnutzung jeder Art geschützt. Es ist in keinem Fall Gegenstand eines Handels." Zwar eignet dieser Deklaration - wie Resolutionen der Generalversammlung der UN überhaupt - nach derzeitigem Verständnis (noch) nicht die Qualität einer eigenständigen formellen und möglicherweise gar über Art.25 GG unmittelbar geltenden Völkerrechtsquelle an. Können derlei Beschlüsse somit noch nicht den Anspruch allgemeiner Verbindlichkeit und Gültigkeit für sich erheben, so dienen sie doch als Indiz für mögliche, notwendige oder gar schon eingetretene Änderungen des Völkerrechts und sind daher als sog. "soft law" nicht vollends unbeachtlich und können auch ergänzend zur Auslegung nationalen Rechts herangezogen werden ...
      Aus der Verabschiedung der UN-Charta des Kindes ergibt sich, daß auf internationaler Ebene Konsens über die Verächtlichkeit des Kinderhandels besteht und daß diese Form gewerblicher Ausnutzung von Kindern den Formen der Sklaverei, Leibeigenschaft und ähnlicher Praktiken, deren Bekämpfung sich die Bundesrepublik Deutschland zuletzt durch den Beitritt zu dem Zusatzabkommen v. 7.9.1956 über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken durch Gesetz v. 4.7.1958 verpflichtet hat (BGBl.1958 II, 203, in Kraft getreten am 14.1.1959, BGBl.1959 II, 407), gleichzuachten ist.

Hinweis:

      Der Beschluß ist nach Antragsrücknahme für wirkungslos erklärt worden.