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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


500. ORGANE DES DIPLOMATISCHEN UND KONSULARISCHEN VERKEHRS

Nr.91/1

Die diplomatische Immunität eines Beteiligten steht der Berichtigung eines Geburtseintrages nach §47 PStG nicht entgegen.

The diplomatic immunity of an interested party does not preclude the correction of an entry in the register of births pursuant to §47 of the Law on Civil Status.

Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 4.11.1991 (16 Bx 46/91), StAZ 1992, 12 (ZaöRV 53 [1993], 386)

Einleitung:

      Weiterer Beteiligte zu 1) des vorliegenden Verfahrens ist der spanische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, weitere Beteiligte zu 2) seine Ehefrau. Die Eheleute hatten vor einem deutschen Standesamt geheiratet und dabei keinen gemeinsamen Ehenamen gewählt. Für die beiden ehelichen Kinder trug der Standesbeamte einen nach spanischem Recht zulässigen Familiennamen ein, der nach deutschem Recht nicht zulässig gewesen wäre. Er ging dabei davon aus, daß auch die weitere Beteiligte zu 2) lediglich die spanische Staatsangehörigkeit besitze. Nachdem sich später ergeben hatte, daß diese gleichzeitig auch deutsche Staatsangehörige war, stellte sich die Standesamtsaufsicht auf den Standpunkt, daß der Familienname der Kinder nach deutschem Namensrecht zu beurteilen gewesen sei. Sie beantragte daher beim Amtsgericht die Berichtigung des Geburtenbuchs. Die stattgebende Anordnung des Amtsgerichts hat das Landgericht im Hinblick auf die diplomatische Immunität der weiteren Beteiligten aufgehoben. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Standesamtsaufsicht ihr Berichtigungsbegehren weiter. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht nach Art.100 Abs.1 GG vorgelegt, weil es die einschlägige deutsche Gesetzesnorm wegen Verstoßes gegen Art.3 Abs.2 GG für verfassungswidrig hält. Um die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu begründen, legt das Oberlandesgericht dar, daß es den Immunitätseinwand für nicht begründet hält.

Entscheidungsauszüge:

      Der weitere Beteiligte zu 1) ist als Botschafter des Königreichs Spanien nach Abschnitt II A.2a des Rundschreibens des Bundesministers des Innern vom 14.3.1975 ("Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen", GMBl. S.337-347) ein Diplomat, der gemäß §18 Satz 1 GVG nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (WÜD; BGBl. 1964 II S.957 ff.) grundsätzlich von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist. Nach Art.31 Abs.1 WÜD genießen Diplomaten grundsätzlich Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates. Dabei erstreckt sich die Immunität des Diplomaten nicht nur auf seine Amtstätigkeit (sogenannte funktionelle Immunität), sondern auch auf die Angelegenheiten des privaten Lebensbereichs des Diplomaten, solange dieser seine Funktion im Empfangsstaat ausübt (sogenannte persönliche Immunität ...). Die Immunität des Diplomaten ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten.
      Nach §18 Satz 1 GVG in Verb. mit Art.31 Abs.1 Satz 2 Halbsatz 1 WÜD genießen Diplomaten unter anderem Immunität von der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates. Im Sinne der genannten Vorschrift umfaßt die deutsche Zivilgerichtsbarkeit begrifflich neben der Arbeitsgerichtsbarkeit die gesamte ordentliche Gerichtsbarkeit, also auch die freiwillige Gerichtsbarkeit, nach deren Vorschriften das Berichtigungsverfahren gemäß §§47, 48 PStG durchzuführen ist.
      Wie beide Vorinstanzen bereits zutreffend festgestellt haben, gehört dieses Verfahren nicht zu den in Art.31 Abs.1 Satz 2 Halbsatz 2 WÜD aufgeführten Ausnahmefällen, in denen sich der Diplomat nicht auf seine Immunität berufen kann. Daraus läßt sich aber nicht ohne weiteres der Umkehrschluß ziehen, daß in allen anderen dort nicht aufgeführten Fällen ein gerichtliches Verfahren generell ausgeschlossen ist und es insoweit bei dem allgemeinen Grundsatz der Immunität des Diplomaten bleibt.
      Diese den gegenständlichen Bereich der Immunität beschreibenden Grundsätze erfordern es nicht, stets und ungeachtet der Besonderheiten des Einzelfalles anzunehmen, die Immunität eines am Verfahren beteiligten Diplomaten verbiete, ungeachtet der jeweiligen Wirkungen und Ziele, jedwede gerichtliche Tätigkeit. Vielmehr kann die besondere Ausgestaltung eines Verfahrens und dessen Zielsetzung zu dem Ergebnis führen, daß dies mit den zur Wahrung der Immunität gebotenen Anforderungen nicht im Widerspruch steht. So liegt es ausnahmsweise auch hier. Das Berichtigungsverfahren nach §§47, 48 PStG weist gegenüber den gewöhnlichen Zivilverfahren und auch gegenüber anderen streitigen Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Reihe von Besonderheiten auf. Es kennt keine sich gegenüber stehenden Parteien. Der vom Antragsteller erstrebte Beschluß, der lediglich formelle Rechtskraft erlangt ..., beschränkt sich allein darauf, den Standesbeamten zur Beischreibung eines Randvermerks zu ermächtigen oder zu verpflichten ... Richtig ist zwar, daß an dem Berichtigungsverfahren diejenigen zu beteiligen sind, auf die sich die zu berichtigende Eintragung bezieht. Diese Beteiligung beschränkt sich allerdings auf die Verpflichtung des Gerichts, rechtliches Gehör zu gewähren (§47 Abs.2 Satz 2 PStG). Diese Rechtspflicht des Gerichts, die dem Rechtsschutz der Beteiligten dient und dessen Wahrnehmung in deren Belieben gestellt ist, verletzt die Immunität des weiteren Beteiligten zu 1) ebensowenig wie die spätere Bekanntgabe des gefaßten Beschlusses.
      Als Repräsentanten ihres Staates sollen Diplomaten nicht auf normalem Wege durch Richterspruch, Exekution oder Zwangsmaßnahmen zur Einhaltung der deutschen Gesetze gezwungen werden können ... Als Gründe hierfür werden im wesentlichen angegeben, daß die Behandlung, die dem den Entsendestaat repräsentierenden Diplomaten im Empfangsstaat zuteil wird, von der offiziellen Meinung im Entsende- und Empfangsstaat nicht als eine persönliche Angelegenheit dieses Vertreters verstanden, sondern als Beweis für den Respekt aufgefaßt wird, die der von ihm vertretene Staat genießt ...; zum anderen wäre eine wirksame Erfüllung der Aufgaben der diplomatischen Mission als Vertretungsorgan des Entsendestaates ohne die Gewährung von Immunitäten und Vorrechten nicht möglich ... Dessen ungeachtet ist aber die Rechtsordnung des Empfangsstaates auch für Diplomaten rechtsverbindlich, so daß diese wie jedermann zur Befolgung der innerstaatlichen Gesetze verpflichtet sind (Art.41 Abs.1 WÜD; ...). Diese Verbindlichkeit der Rechtsordnung des Empfangsstaates verpflichtet die Diplomaten, worauf in dem vorzitierten Rundschreiben des BMI ausdrücklich hingewiesen wird, u.a. auch, Geburten und Sterbefälle nach Maßgabe der §§16 und 32 PStG - allerdings unter Befreiung von den hierfür vorgesehenen Gebühren - anzuzeigen. Diese Verpflichtung geht über die nur passive Beachtung der Rechtsordnung des Empfangsstaates hinaus. Sie verpflichtet den Diplomaten, wenn er sich rechtmäßig verhalten will, zu einer aktiven Handlung. Das unterstreicht die besondere Bedeutung, die der inhaltlichen Richtigkeit der Geburten- und Sterbebücher zukommt. Mit Blick hierauf erschiene es schwer verständlich, wenn Fehler, die bei der auf die Anzeige des Diplomaten hin erfolgten Eintragung aufgetreten sind, nur deshalb nicht berichtigt werden könnten, weil §47 Abs.2 Satz 2 PStG im Interesse derjenigen, auf die sich die Eintragung bezieht, eine Anhörung vorschreibt. Schwer verständlich wäre es auch, wenn wegen der im Personenstandsgesetz ebenfalls vorgesehenen Berichtigungsmöglichkeit durch den Standesbeamten selbst (§§46, 46a PStG) oftmals weniger gravierende Fehler berichtigt werden könnten, während es bei gravierenden Fehlern wegen abstrakter Grundsätze des Immunitätsschutzes zu verbleiben hätte, obwohl in Fällen der vorliegenden Art eine konkrete Beeinträchtigung der Immunität nicht zu besorgen ist und die Berichtigungsmöglichkeit schließlich davon abhängig wäre, wie im Einzelfalle die Grenze zwischen diesen Berichtigungsmöglichkeiten gezogen wird ...
      Danach steht die Immunität des weiteren Beteiligten zu 1) einer Entscheidung in der Sache nicht entgegen.
      Entsprechendes gilt auch für die Immunität seiner Ehefrau, der weiteren Beteiligten zu 2) sowie der betroffenen Kinder. Der Umfang der Immunität und insbesondere der Einfluß deren deutscher Staatsangehörigkeit hierauf bedarf hier keiner näheren Untersuchung. Diese geht jedenfalls nicht weiter als diejenige des weiteren Beteiligten zu 1).