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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1993


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Christiane E. Philipp


VIII. Internationaler Menschenrechtsschutz

1. Europäische Menschenrechtskonvention

b) Art. 5 Abs. 4 und Abs. 5

       52. Im Überprüfungsverfahren nach den §§ 67d und 67e StGB ist dem wegen Geisteskrankheit Untergebrachten in der Regel ein Verteidiger von Amts wegen zu bestellen. Dies entschied das Oberlandesgericht Stuttgart (2 Ws 34/93 = MDR 1993, 788 ff. = Die Justiz 1993, 367 ff.) mit Beschluß vom 13.3.1993 im Anschluß an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 12.5.1992 (= NStZ 1993, 148 = StV 1993, 88). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte seinerzeit ausgesprochen, daß dem genannten Personenkreis in den weiteren Verfahren, die die Fortdauer, die Aussetzung zur Bewährung oder die Beendigung der Unterbringung betreffen, ein rechtskundiger Beistand zur Seite gestellt werden müsse, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor. Der genannte Personenkreis sei nicht in der Lage, bei der notwendigen mündlichen Anhörung die medizinischen Sachverstand voraussetzenden Argumente zu seinen Gunsten angemessen vorzubringen und darzulegen. Hieraus folge nach der Ansicht des EGMR, der sich der Senat anschloß, daß der Rechtsbeistand im Überprüfungsverfahren zu beteiligen sei, unabhängig davon, ob ein entsprechendes Begehren von dem Untergebrachten geäußert werde, und auch unabhängig davon, ob der Untergebrachte Anstalten mache, sich selbst zu verteidigen oder nicht.

       53. In seinem Urteil vom 29.4.1993 (III ZR 3/92 = MDR 1993, 740 = NJW 1993, 2927 ff. = NStZ 1993, 493 ff.) entschied der BGH, daß der Anspruch auf Schadensersatz wegen rechtswidriger Inhaftierung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasse. Die in Art. 5 EMRK geschützte Freiheit sei ein immaterielles Rechtsgut, das weniger durch seinen materiellen Wert als durch seine Bedeutung für das persönliche Wohl gekennzeichnet sei. Wenn deswegen bei konventionswidriger Verletzung der Freiheit Schadensersatz zu leisten sei, bedeute dies, ungeachtet der Tatsache, daß ein Freiheitsentzug auch zu einem wirtschaftlichen Schaden führen könne, zunächst Ersatz für den Verlust der Freiheit selbst, also immateriellen Schadensausgleich.

       Der Schutz, den die Konvention bezwecke, werde erst dann vollständig gewährt, wenn nicht nur für den nicht notwendigerweise eintretenden wirtschaftlichen Schaden, sondern auch für den nichtwirtschaftlichen Schaden, unmittelbar und nicht erst aufgrund des Art. 50 der EMRK Ersatz geleistet werde. Die Grundsätze des deutschen Schadensersatzrechtes stünden dem nicht entgegen.