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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1993


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Christiane E. Philipp


IX. Europäische Gemeinschaften

7. Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 119 EWG-Vertrag)

       77. In seinem Urteil vom 26.5.1993 (5 RZR 184/92 = BB 1993, 2451 ff. = MDR 1994, 283) entschied das Bundesarbeitsgericht, daß teilzeitbeschäftigte Frauen, deren tägliche Arbeitszeit spätestens um 12 Uhr ende, keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung an Tagen hätten, an denen der Arbeitgeber ab 12 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge gewähre. Die vom Arbeitgeber gewährten bezahlten Freistellungen fielen unter den Begriff des Entgeltes im Sinne von Art. 119 EWG-Vertrag. Die Klägerin werde auch anders behandelt als die Arbeitnehmer, deren Sollarbeitszeit nach 12 Uhr ende. Sie erhalte also an diesen Tagen für die von ihr geleistete Arbeit eine geringere Vergütung pro Zeiteinheit als diejenigen, die ab 12 Uhr von der Arbeit freigestellt seien. Es könne auch zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß die Benachteiligung erheblich mehr Frauen als Männer treffe. Dennoch erweise sich die Ungleichbehandlung hier als gerechtfertigt, denn sie sei durch objektive Faktoren begründet, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun hätten. Ein objektiver, die Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund liege dann vor, wenn "Gleichbehandlung", also die Gewährung der Vergünstigung auch an die Teilzeitbeschäftigten, zu einer Veränderung des Leistungszweckes, d.h. der Art der Leistung führen würde, wenn also die den Teilzeitbeschäftigten gewährte Vergünstigung in ihrer Art nicht mehr dieselbe wäre wie die den Vollzeitbeschäftigten gewährte. Das sei hier der Fall. Die Beklagte stelle ihre Arbeitnehmer am 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres und in den meisten Jahren auch an Weiberfastnacht und Karnevalsdienstag jeweils ab 12 Uhr von der Arbeit frei. Es handle sich also um eine streng zeit- und anlaßbezogene Freistellung, die ihrerseits nichts mit einer Diskriminierung von Frauen zu tun habe.

       78. Das Landesarbeitsgericht Hannover entschied mit Urteil vom 12.1.1993 (6 Sa 1094/92 E = MDR 1993, 659 f.), daß das Gleichbehandlungsgebot dann nicht verletzt sei, wenn eine höhere Vergütung durch die in einer längeren Ausbildung gewonnene unterschiedliche berufliche Qualifikation gerechtfertigt sei. Dem beklagten Land sei die Anknüpfung an sachfremde Gesichtspunkte bei einer Festlegung der Eingruppierungsvoraussetzungen für Lehrer nicht vorzuhalten, soweit auf Ausbildungskriterien abgestellt worden sei. Eine Eingruppierungsregelung, die die Höhe der Vergütung von einem bestimmten Ausbildungsabschluß abhängig mache und für andere Ausbildungsabschlüsse bei gleicher Tätigkeit eine niedrigere Vergütung vorsehe, verletze den Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht. Es sei zulässig, den Vergütungsanspruch nicht nur von der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, sondern auch von weiteren persönlichen Voraussetzungen wie dem Nachweis bestimmter Kenntnisse oder einer speziellen Ausbildung abhängig zu machen. Die Prüfung führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, daß die gewählten Eingruppierungsgrundsätze für die Einstellung als Klassenlehrer an der Sonderschule für geistig Behinderte den wirklichen Bedürfnissen des beklagten Landes dienten und zum Erreichen der gewählten Ziele geeignet und erforderlich seien. Der Umstand, daß durch die Maßnahme – bei Berücksichtigung der beamteten Lehrkräfte – eine wesentlich größere Anzahl von weiblichen als von männlichen Arbeitnehmern betroffen sei, reiche daher für die Feststellung einer Verletzung des Art. 119 Abs. 1 EWG-Vertrages nicht aus.