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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994


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Hans-Konrad Ress


VII. Asylrecht

6. Verfahrensfragen

      62. Nach einem Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24.2.1994 verstößt es gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, wenn das zur Entscheidung eines Rechtsstreits über eine Asylanerkennung berufene Gericht Feststellungen über eine interne Fluchtalternative lediglich auf andere Gerichtsentscheidungen stützt, die zuvor nicht in das Verfahren eingeführt worden sind (12 UZ 2865/93 - InfAuslR 1994, 245). Das Verwaltungsgericht hatte in der 1. Instanz den Asylantrag eines Kurden unter anderem mit dem Hinweis abgelehnt, es könne dahingestellt bleiben, ob Kurden in ihren angestammten Siedlungsgebieten im Osten der Türkei einer asylrechtlich erheblichen Gruppenverfolgung ausgesetzt seien, da jedenfalls dem Kläger eine inländische Fluchtalternative, und zwar in den westtürkischen Großstädten und in weiten Teilen der Mittelmeerküste, zur Verfügung stehe. Das Verwaltungsgericht habe sich hierbei "auf eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung" bezogen und dafür ausschließlich Entscheidungen einiger Oberverwaltungsgerichte zitiert. Auf diese Weise hätten die Beteiligten nicht ausreichend Gelegenheit gehabt, zu den Dokumenten und den dort wiedergegebenen Tatsachenschilderungen Stellung zu nehmen und auch ihre sonstige Prozeßführung darauf einzurichten. Soweit es die Feststellung von Tatsachen angehe, sei es unzureichend, lediglich auf andere Gerichtsentscheidungen hinzuweisen, selbst wenn das Verwaltungsgericht deren wesentlichen Inhalt wiedergebe und sich deren Entscheidungsfindung anschließe.

      63. Das rechtliche Gehör im Asylverfahren war auch Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 13.10.1994 - 2 BvR 126/94 - InfAuslR 1995, 69). Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, trug nach Ablehnung seines Asylantrages in seiner Klage ergänzend vor, er habe sich aktiv an kurdischen Protestaktionen in der Bundesrepublik beteiligt. Das Verwaltungsgericht wies die Klage unter anderem mit der Begründung ab, der Kläger könne kein Asyl beanspruchen, weil er im Bundesgebiet terroristische Aktivitäten unterstützt habe. Das Bundesverfassungsgericht bejahte einen Verstoß gegen die Garantie des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, da das VG es versäumt habe, den Beschwerdeführer auf die Bewertung seiner exilpolitischen Aktivitäten als Fortsetzung eines terroristischen Kampfes im Bundesgebiet aufmerksam zu machen und damit Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.