Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994


Inhalt | Zurück | Vor

Hans-Konrad Ress


IX. Internationaler Menschenrechtsschutz

1. Europäische Menschenrechtskonvention

b) Verbot von Zwangs- oder Pflichtarbeit (Art. 4 Abs. 2 EMRK)

      71. Nach § 37 BadWürttFeuerwehrG sind Männer zur Leistung einer Feuerwehrabgabe verpflichtet, sofern sie nicht zu der nur ihnen obliegenden Dienstpflicht in der Feuerwehr Baden-Württemberg herangezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht äußerte sich in seinem Beschluß vom 17.1.1994 - 8 B 235/93 - NVwZ 1995, 390 zur Vereinbarkeit dieser Regelung mit Art. 4 und Art. 14 EMRK. Zwar verbiete Art. 4 Abs. 2 EMRK "Zwangs- oder Pflichtarbeit", allerdings gelte nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. d EMRK "jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürgerpflichten gehört" nicht als "Zwangs- oder Pflichtarbeit" im Sinne dieses Artikels. Der Feuerwehrdienst falle unter die genannte Ausnahme. Das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK schließe sachlich gerechtfertigte Differenzierungen auch aufgrund des Geschlechts nicht aus. Damit gingen Art. 14 Abs. 4 EMRK ersichtlich nicht über Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 sowie Art. 12 Abs. 2 GG hinaus; sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch das Bundesverfassungsgericht hätten die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen unter dem Blickwinkel des Art. 3 GG für zulässig gehalten62.

      Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat hingegen mit Urteil vom 18.7.199463 in der auf Männer beschränkten Feuerwehrabgabe nach dem Baden-Württembergischen Feuerwehrgesetz einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Buchst. d EMRK erblickt. Da die im Baden-Württembergischen Feuerwehrgesetz verankerte Dienstpflicht in der Praxis nie durchgesetzt worden sei, habe sich die Ausgleichsabgabe zu einer rein finanziellen Abgabe verwandelt. Eine Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen Mann und Frau sei nicht erkennbar. Auch das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen mit Beschluß vom 24.1.1995 in der Beschränkung der Feuerwehrdienstpflicht und der hieran anknüpfenden Abgabepflicht auf Männer einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG erblickt und die entsprechenden Bestimmungen des einschlägigen bayerischen und baden-württembergischen Landesgesetzes für nichtig erklärt64.



      62 Bundesverwaltungsgericht zuletzt Beschluß vom 20.6.1990 - 8 B 84/90; BVerfGE 13, 167.
      63 EuGRZ 1995, 392.
      64 Beschluß vom 24.1.1995 - 1 BvL 18/93 - EuGRZ 1995, 410; siehe auch A. Bleckmann, Bundesverfassungsgericht v. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte. Innerstaatliche Rechtskraft der Urteile des EGMR und Gleichheit von Mann und Frau, Anmerkung zu den Feuerwehrabgabe-Entscheidungen des EGMR vom 18.7.1994 und des Bundesverfassungsgerichts vom 24.1.1995, EuGRZ 1995, 387.