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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994


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Hans-Konrad Ress


X. Europäische Gemeinschaften

5. Dienstleistungsfreiheit

      100. In dem bereits oben besprochenen Urteil des OLG Nürnberg vom 18.8.1994 [95] zur Vereinbarkeit des Rabattgesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht übertrug das Gericht die Keck-Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 EGV auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 EGV. Ob Maßnahmen, die nicht das Produkt selbst, d. h. die Erbringung und Empfangnahme der Dienstleistung, beträfen, gegen die Gewährung der Dienstleistungsfreiheit verstießen, sei entsprechend den Grundsätzen über die Zulässigkeit von Beschränkungen des freien Warenverkehrs nach Art. 30 EGV zu entscheiden. Diese stünden aber nach der Rechtsprechung des EuGH der Anwendung des deutschen Rabattgesetzes nicht entgegen.

      101. Die Zurückweisung einer in einem anderen Mitgliedstaat nach dortigem Recht zugelassenen Steuerberatungsgesellschaft nach § 80 Abs. 5 AO als Bevollmächtigte i.S.des Steuerberatungsgesetzes verstößt nach Auffassung des BFH für den Fall, daß sie in der Bundesrepublik nicht als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt ist, jedenfalls dann nicht gegen das Recht der EG, wenn die Gesellschaft die erforderliche berufliche Qualifikation bezogen auf das deutsche Recht nicht nachgewiesen hat (Urteil vom 19.7.1994 - VII R 107/93 - BFHE 175, 192 = RIW 1994, 984 = HFR 1994, 731 = EuZW 1995, 185). Es stelle zwar eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 59 Abs. 1, 60 Abs. 3 EGV dar, wenn eine nationale Vorschrift die Ausübung bestimmter Dienstleistungen durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen im Inland von der Erteilung einer bestimmten Erlaubnis abhängig mache, die an die Erfüllung bestimmter beruflicher Qualifikationen geknüpft sei. Derartige Beschränkungen ließen sich jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen, sofern die Beschränkungen für alle im Empfängerstaat tätigen Personen und Unternehmen gälten. Die Regelungen des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) über die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sei im Allgemeininteresse geboten. Es stehe daher im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wenn das Steuerberatungsgesetz insbesondere eine bestimmte berufliche Qualifikation von denjenigen verlange, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisteten. Im vorliegenden Fall bestehe auch kein Anlaß, die Anforderungen an die Qualifikation abweichend vom Steuerberatungsgesetz nach der Art der Hilfeleistung im konkreten Fall zu differenzieren, da die geforderte Qualifikation zu den Bedürfnissen der Empfänger der Dienstleistung nicht außer Verhältnis stehe.

      Der Umstand, daß in keinem anderen Mitgliedstaat der EG womöglich der Bereich der Steuerberatung in solch umfangreichem Maße eingeschränkt werde wie in der Bundesrepublik, könne nicht dazu führen, daß die nach dem Steuerberatungsgesetz festgelegten Voraussetzungen mit dem EG-Vertrag nicht vereinbar seien. So lange derartige Voraussetzungen nicht gemeinschaftlich harmonisiert seien, stehe es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, solche Voraussetzungen durch innerstaatliches Recht zu regeln, soweit dies aus einem zwingenden Allgemeininteresse für notwendig gehalten werde.