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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994


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Hans-Konrad Ress


IV. Staatsangehörigkeit

2. Mehrfache Staatsangehörigkeit

      22. In dem - nicht rechtskräftigen - Beschluß vom 8.4.1994 (25 A 59/93 - StAZ 1994, 317) befaßte sich das OVG Nordrhein-Westfalen mit der Frage, wann der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 RuStAG eintritt. Nach dieser Vorschrift verliert ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt. Der in der Schweiz lebende Sohn eines Deutschen und einer Schweizerin hatte im Jahre 1986 von der Möglichkeit des in Art. 57 Abs. 8 Satz 1 Buchst. a des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BG) Gebrauch gemacht und ein Gesuch um Anerkennung als Schweizer Bürger eingereicht. Diesem Gesuch hatte die zuständige Polizeidirektion des Kantons entsprochen. Das OVG entschied, daß damit der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 RuStAG eingetreten sei, da der Wortlaut der schweizerischen Bestimmungen ("Anerkennung als Schweizer Bürger") nicht bedeute, daß das entsprechende Verwaltungsverfahren nur auf die deklaratorische Feststellung eines vom Willen des Betroffenen unabhängigen Staatsangehörigkeitserwerbs zielte. Auch hier handele es sich um einen Antrag im Sinne von § 25 Abs. 1 RuStAG.

      23. Mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern (Mehrstaater Übk.)37 beschäftigte sich das VG Greifswald in dem - nicht rechtskräftigen - Urteil vom 10.11.1994 (5 A 1189/92 - StAZ 1995, 109 mit Anm. M. Silagi). Eine DDR-Staatsbürgerin hatte nach ihrer Heirat mit einem österreichischen Staatsbürger die österreichische Staatsbürgerschaft im Jahre 1981 durch die Erklärung erworben, der Republik Österreich als getreue Staatsbürgerin angehören zu wollen. 1983 hatte sie nach Österreich ausreisen können, nachdem sie auf eigenen Antrag hin aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen worden war. Nach der Wiedervereinigung hatte die in Wien wohnende Klägerin einen Antrag auf Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises beantragt, der von der zuständigen Verwaltungsbehörde abgelehnt worden war. Das VG Greifswald hielt die Verpflichtungsklage der Klägerin für unbegründet.

      Zwar habe sie ursprünglich die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 3 Nr.1, § 4 Abs. 1 RuStAG besessen, diese jedoch nach Art. 1 Abs. 1 Mehrstaater Übk. durch Erwerb der österreichischen Staatsangehörigkeit verloren. Nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens verlieren volljährige Staatsangehörige einer Vertragspartei, die infolge einer ausdrücklichen Willenserklärung durch Einbürgerung, Option oder Wiedereinbürgerung die Staatsangehörigkeit einer anderen Vertragspartei erwerben, ihre vorherige Staatsangehörigkeit. Nach Auffassung des VG findet das Übereinkommen im vorliegenden Fall Anwendung. Zum einen habe die Klägerin die Staatsangehörigkeit der Republik Österreich infolge einer freien Willensentscheidung erworben, zum anderen sei die Klägerin zum Zeitpunkt des Erwerbs der österreichischen Staatsangehörigkeit auch Staatsangehörige einer Vertragspartei gewesen. Obwohl die Klägerin die Staatsbürgerschaft der DDR innegehabt habe, die nicht Vertragspartei des Übereinkommens war, sei sie auch als Staatsangehörige der Vertragspartei Bundesrepublik Deutschland anzusehen. Die Bundesrepublik Deutschland habe bei der Unterzeichnung des Übereinkommens durch eine Erklärung klargestellt, daß für die Anwendung des Übereinkommens als Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland jede Person gelte, die Deutscher im Sinne des Art. 116 des Grundgesetzes sei. Insofern habe die Klägerin als Bürgerin der DDR zugleich die bundesdeutsche Staatsbürgerschaft besessen. Unabhängig von der späteren Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft habe die Klägerin somit die deutsche Staatsangehörigkeit bereits mit der Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft verloren. Das VG Greifswald wies auch die Auffassung der Klägerin zurück, sie sei zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung noch DDR-Staatsbürgerin gewesen, da ihr Verzicht auf die DDR-Staatsbürgerschaft nicht freiwillig, sondern Bedingung für ihre Ausreise nach Österreich gewesen sei. Das VG Greifswald wies darauf hin, daß der Verlust der DDR-Staatsbürgerschaft nach dem Recht der DDR wirksam sei und es nicht darauf ankomme, ob dieser Verlust der Staatsbürgerschaft mit dem deutschen ordre public im Einklang stehe. Die gesamtdeutsche Staatsangehörigkeit hätte die Klägerin auch dann bereits infolge des Mehrstaater Übk. verloren, wenn sie bundesdeutsche Staatsbürgerin mit Wohnsitz in der damaligen Bundesrepublik gewesen wäre.



      37 BGBl. 1969 II, 1954.