Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1996

Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1996


Inhalt | Zurück | Vor

Kerrin Schillhorn


IX. Internationaler Menschenrechtsschutz

2. Genfer Flüchtlingskonvention

      61. Das BVerwG hatte sich in einem Verfahren zum Abschiebungsschutz von Kontingentflüchtlingen mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen der Status eines Kontingentflüchtlings erlöschen kann (Urteil vom 27.2.1996 - 9 C 145/95 = InfAuslR 1996, 322 = VBlBW 1996, 255). Gegenstand des Verfahrens war die rechtliche Prüfung eines Widerrufs der Asylanerkennung von albanischen Botschaftsflüchtlingen, die als Kontingentflüchtlinge eingestuft wurden. Das Gericht führte aus, daß nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG das Gesetz nicht für Ausländer i.S.d. Kontingentflüchtlingsgesetzes gelte. Diese seien nach § 1 des Gesetzes Ausländer, die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor der Einreise oder aufgrund einer Übernahmeerklärung nach § 33 Abs. 1 AuslG in den Geltungsbereich des Gesetzes aufgenommen worden seien. Ein solcher Ausländer genieße die Rechtsstellung nach den Art. 2-34 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Hinsichtlich des Erlöschenstatbestandes des jeweiligen Status führte das Gericht weiter aus, daß sich die Rechtsstellungen eines Asylberechtigten und eines nach der GFK anerkannten Flüchtlings unterschieden. Ein Ausländer, der eine Verfolgungssituation oder ein Flüchtlingsschicksal erlitten habe und als Kontingentflüchtling aufgenommen worden sei, behalte diese Eigenschaft und die durch sie vermittelte Rechtsstellung nach Art. 2-34 der GFK, auch wenn die seine Verfolgung und sein Flüchtlingsschicksal begründenden Umstände ihr Ende gefunden hätten. Hingegen würden die originär durch Art. 1 GFK erworbene Rechtsstellung kraft Gesetzes und die Anerkennung als Asylberechtigter aufgrund gesetzlich vorgeschriebenen Widerrufs enden. Die albanischen Botschaftsflüchtlinge seien erklärtermaßen nur vorübergehend und nicht auf Dauer aufgenommen worden. Jedoch bedürfe es hinsichtlich der vorübergehenden Aufnahme einer rechtlich verbindlichen Verlautbarung des Bundesministers des Innern. Ob eine solche im vorliegenden Fall vorliege, sei noch nicht hinreichend geklärt, weshalb der Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen werde.

      62. Das OVG Nordrhein-Westfalen entschied mit Beschluß vom 11.11.1996 (8 B 2261/96 = InfAuslR 1997, 37), daß ein Asylberechtigter unter denselben Voraussetzungen wie ein deutscher Staatsangehöriger Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich der Kosten einer angemessenen Unterkunft habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Vertragsstaaten seien nach der GFK verpflichtet, den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhielten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen zu gewähren, Art. 23 GFK.79 Handele es sich nicht um einen Asylantragsteller, sondern um einen Asylberechtigten, so gelte die Regelung der GFK, da sich die Rechtsstellung eines Asylberechtigten nach § 2 AsylVfG aus den Regelungen dieser Konvention ergebe.

      63. In einem Urteil vom 19.1.1996 entschied das Freiburger VG, daß die Unterbringung von Asylbewerbern während des Asylverfahrens in Gemeinschaftsunterkünften nicht gegen das GG oder die GFK verstoße (A 2 K 10233/96 = VBlBW 1997, 112ff. = NVwZ-Beilage 2/1997, 15). Nach einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Verhältnissen in Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber kam das Gericht zu dem Schluß, daß eine solche Unterbringung während des Asylverfahrens nicht gegen höherrangiges Recht verstoße, wenn die Asylbewerber nicht gezwungen seien, sich ausschließlich in dem gemeinschaftlichen Wohnraum aufzuhalten, ihnen also auch andere Räume zur Benutzung und zum Aufenthalt zur Verfügung stünden und sie das Recht hätten, sich auch in der Umgebung der Unterkunft aufzuhalten. Durch eine solche Regelung werde auch nicht das Recht aus Art. 21 GFK, der die schlechtere Behandlung politischer Flüchtlinge bei der Wohnversorgung gegenüber sonstigen Ausländern grundsätzlich verbiete, verletzt.



      79 Vgl. hierzu auch Beschluß des VG Köln vom 30.5.1996, [2].