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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1996


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Kerrin Schillhorn


X. Europäische Gemeinschaften

3. Freiheit des Marktes/Wettbewerbsrecht

      82. Über die gemeinschaftsrechtliche Vereinbarkeit des Pflanzenschutzgesetzes, nach dem nicht nur die Pflanzenschutzmittel selbst, sondern auch deren Zusatzstoffe zulassungsbedürftig sind, hatte das BayOLG in seinem Beschluß vom 19.7.1996 (3 ObOWi 75/96, BayOLGESt 1996, 117ff.) zu entscheiden. Zunächst stellte das Gericht fest, die Richtlinie des Rates vom 15.7.1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln97 umfasse nicht auch Zusatzstoffe zu Pflanzenschutzmitteln. Weiter führte das Gericht aus, es komme ein Verstoß gegen Art. 30 EGV in Betracht, weil die Gleichstellung von Zusatzstoffen mit Pflanzenschutzmitteln im PflanzenschutzG zu einer tatsächlichen Einfuhrbeschränkung für Zusatzstoffe führen könne. Das Gericht entschied, daß es sich auch bei der für eingeführte Zusatzstoffe geltenden Zulassungsbedürftigkeit um eine der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung entsprechende Maßnahme gleicher Wirkung handele. Diese sei jedoch nach Art. 36 EGV gerechtfertigt, weil sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens der Menschen, Tiere und Pflanzen notwendig und geeignet sei. Weiterhin führte das Gericht aus, eine Vorlagepflicht habe nicht bestanden, da die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig sei, daß für vernünftige Zweifel kein Raum bleibe.

      83. Das KG Berlin hatte sich in seinem Urteil vom 27.2.1996 (5 U 8281/95 = NJW 1997, 330ff.) mit der Rechtmäßigkeit des Vertriebssystems eines weltweit operierenden Software-Herstellers zu beschäftigen, demzufolge dessen Software im Zusammenhang mit dem Kauf von Hardware billiger abgegeben wurde. Das Gericht entschied, diese Form des Vertriebssystems sei mit den deutschen Regeln zum Wettbewerbsrecht vereinbar. Weiterhin stellte das Gericht fest, daß dieser Beurteilung auch nicht Art. 36 EGV entgegenstehe. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Bestimmungen der Art. 30-34 EGV stünden solchen Beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt seien, sofern diese Beschränkungen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstelle. Eine solche willkürliche Diskriminierung sei hier nicht zu erkennen, da der verkaufsfördernde Mitverkauf eines Zubehörprogrammes beim Absatz von Hardware einen wirtschaftlich vernünftigen Grund darstelle, solche Partner zu bevorzugen, die ebenfalls die Hardware zu der jeweiligen Software vertrieben. Angesichts dieses Umstandes könne die Vertriebsbeschränkung nicht willkürlich sein, da sie eben durch ein anerkennenswertes sachliches Erfordernis begründet sei.

      84. Über die gemeinschaftsrechtliche Vereinbarkeit eines Boykott-Aufrufes, mit dem eine Leasingfirma ihre Vertragshändler dazu aufforderte, eine Autoherstellerin nicht mit Fahrzeugen zu beliefern, sofern nicht sichergestellt sei, daß der Leasingnehmer, an den das Leasingunternehmen den Wagen verlease, seinen Wohnsitz/Geschäftssitz im Gebiet des leasenden Vertragshändlers habe, hatte der BGH in seinem Urteil vom 2.7.1996 (KZR 20/91, EuZW 1996, 637 = BB 1996, 1857ff. = EWS 1996, 330ff. = WuW 1996, 821ff.) zu entscheiden. Das Gericht stellte fest, daß dieser Aufruf gegen Art. 85 Abs. 1 EGV verstoße und damit eine unbillige Beeinträchtigung darstelle. Weiterhin entschied das Gericht, daß es sich bei dem Boykott-Aufruf nicht um ein Verhalten handele, das nach Art. 85 Abs. 3 EGV freistellungsfähig sei.



      97 91/414/EWG, Abl. L 230/1 vom 19.8.1991.