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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1997


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Lars-Jörgen Geburtig


X. Internationaler Menschenrechtsschutz

2. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

       93. Das VG Frankfurt/Main befaßte sich in seinem Beschluß vom 23.10.1997 (9 G 1638/97 (1) - ZBR 1998, 219 (Leitsatz)) mit dem Einfluß des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) auf den Zugang von Ausländern zum Auswahlverfahren zum pädagogischen Vorbereitungsdienst. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 des Gesetzes über das Lehramt an öffentlichen Schulen (HessLAG) können Ausländer, die eine 1. Staatsprüfung bestanden haben, in den pädagogischen Vorbereitungsdienst aufgenommen werden, wobei über die Aufnahme im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu befinden ist. Das der Einstellungsbehörde zugebilligte Ermessen unterliege indes seinerseits Beschränkungen, die sich insbesondere aus Art. 67 der Verfassung des Landes Hessen (HV) i.V.m. den übernommenen Verpflichtungen der Bundesrepublik im Rahmen des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.196676 ergeben. Nach Art. 6 Abs. 1 IPwskR garantieren die Vertragsstaaten jedem einzelnen das Recht auf Arbeit, das nach Art. 6 Abs. 2 IPwskR auch die Möglichkeit umfaßt, ohne Rücksicht auf die nationale Herkunft an Ausbildungsprogrammen teilzunehmen, die zur Gewährleistung des Rechts auf Arbeit jedermann angeboten werden. Indem die Hessische Landesverfassung in Art. 67 S. 2 einen möglichen Widerstreit zwischen einem staatlichen Gesetz einerseits und den Regeln des Völkerrechts und Staatsverträgen andererseits zugunsten völkerrechtlicher Regeln und Staatsverträgen auflöse, manifestiere sie nicht nur den Vorrang der Regeln des Völkerrechts vor den einfachen Gesetzen, sondern erstrecke diesen Vorrang auch - insoweit über Art. 25 GG hinausgehend - auf Staatsverträge. Desweiteren gebiete Art. 67 S. 2 HV im Interesse der Erhaltung der Gültigkeit von Gesetzen eine völkerrechtsfreundliche Auslegung nationalen Rechts dergestalt, daß übernommenen internationalen Verpflichtungen größtmögliche Geltung verschafft wird. Im Hinblick auf die im IPwskR übernommenen Pflichten bedeute dies für die Ermessensentscheidung im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 4 HessLAG, daß jedenfalls bei Ausländern, deren Verbleib für längere Zeit im Inland mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, eine Versagung des Ausbildungswunsches nur in Ausnahmefällen zulässig sein kann, und zwar nur dann, wenn eine spätere Berufsausübung nicht in Betracht kommt. Die Antragstellerin war daher chancengleich im Verhältnis zu inländischen Konkurrenten am Auswahlverfahren zum pädagogischen Vorbereitungsdienst gemäß § 4 HessLAG zu beteiligen.

      



      76 BGBl. 1973 II, 1569.