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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1997


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Lars-Jörgen Geburtig


XI. Deutschlands Rechtslage nach 1945 und deutsche Wiedervereinigung

       Zum Einfluß des Zwei-Plus-Vier-Vertrages auf die Klagezurückstellung nach Art. 5 Abs. 2 Londoner Schuldenabkommen vgl. das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.11.1997 unter [4].

       94. Das OLG Köln hat in seinem Urteil vom 9.7.1996 (22 U 215/95 - VIZ 1998, 213) die Klage des Erben des Fürsten von und zu L. auf Herausgabe eines Bildes aus der Familiensammlung, das sich zum Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Schloß der Familie in der heutigen tschechischen Republik befand und das der Beklagten im Jahre 1991 von der Streithelferin für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt worden war, für unzulässig erklärt. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gemäß Teil VI Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Vertrages vom 26.5.1952 zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag) für Klagen gegen Personen ausgeschlossen, die unmittelbar oder mittelbar im Zuge von Reparationsmaßnahmen Eigentum an beschlagnahmtem deutschen Auslandsvermögen erworben haben. Diese Bestimmung sei durch Art. 7 des Zwei-plus-Vier-Vertrages nicht außer Kraft gesetzt worden, da in den ergänzenden Bestimmungen in Nr. 2 und 3 der Vereinbarung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der drei West-Alliierten vom 27./28.9.1990 Teil VI Art. 3 Abs. 1, 3 ÜblVertr ausdrücklich als eine der Bestimmungen genannt wird, die nicht außer Kraft tritt. Die Voraussetzungen des Teils VI Art. 3 Abs. 3 ÜblVertr seien gegeben. Es genüge nach Sinn und Zweck der Vorschrift, daß sich die Streithelferin auf den konfiskationsbedingten Übergang des Eigentums auf den tschechischen Staat beruft und die Beklagte sich der Ableitung ihres unmittelbaren Besitzes vom vermeintlichen Erwerber berühmt. Der Ausschluß der deutschen Gerichtsbarkeit verletze den Kläger auch nicht in seinen Grundrechten, da diese nicht gegen die Ausübung fremder Staatsgewalt im Ausland schützen.

       Der Bundesgerichtshof nahm in seinem Beschluß vom 25.9.1997 (II ZR 213/96 - ohne schriftliche Begründung) die Revision gegen dieses Urteil nicht an. Die gegen die zivilgerichtlichen Entscheidungen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 28.1.1998 (2 BvR 1981/97 - EuGRZ 1998, 408 = IPRax 1998, 482) nicht zur Entscheidung angenommen. In diesem Beschluß führte die Kammer aus, daß die Bewertung der Enteignung als Maßnahme gegen das deutsche Auslandsvermögen nicht zu beanstanden ist und daß ein Verstoß gegen Art. 14 GG durch den Klageverzicht im Überleitungsvertrag nicht vorliegt, da die Regelung im Überleitungsvertrag Vorgänge aus der Zeit vor der Entstehung des Grundgesetzes betrifft. Weiterhin bestätigte die Kammer die Auffassung der Zivilgerichte, daß Teil VI Art. 3 Abs. 1, 3 ÜblVertr nicht durch Art. 7 Abs. 1 Zwei-Plus-Vier-Vertrag aufgehoben wurde. Dies entspreche der Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland und der drei Westmächte selbst, die anderenfalls den Wegfall von Teilen des Überleitungsvertrages nicht eigenständig im Notenwechsel hätten vereinbaren müssen. Dem engen historisch-politischen, inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang von Notenwechsel und Zwei-Plus-Vier-Vertrag würde die Annahme nicht gerecht, daß die drei Mächte und die Bundesrepublik Deutschland einerseits mit ihrer Beteiligung am Zwei-Plus-Vier-Vertrag die uneingeschränkte Aufhebung des Überleitungsvertrages vereinbaren wollten, sich anderseits aber im unmittelbaren Zusammenhang dazu in Widerspruch setzen und über Ziff. 3 des Notenwechsels Teile des Überleitungsvertrages wieder aufleben ließen.

       95. Mit dem von der sowjetischen Besatzungsmacht aufgestellten Verbot der Enteignung ausländischen Vermögens befaßte sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13.2.1997 (7 C 50/95 - VIZ 1997, 222 = DtZ 1997, 205). Der Kläger beanspruchte die Rückgabe eines Gutes in Mecklenburg-Vorpommern, das seinem Vater gehörte. Dieser habe bereits vor dem Zweiten Weltkrieg durch Einbürgerung die Staatsbürgerschaft der Südafrikanischen Union erworben, weshalb die Einbeziehung des Gutes in die Bodenreformmaßnahmen gegen das von der sowjetischen Besatzungsmacht ausgesprochene Verbot der Enteignung ausländischer Vermögenswerte verstoßen habe. Das VG hatte die Klage unter Berufung auf § 1 Abs. 8 lit. a Vermögensgesetz abgewiesen, wonach vermögensrechtliche Ansprüche auf Rückübertragung ausgeschlossen sind, wenn und soweit die Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt ist. Das BVerwG führte aus, daß Bodenreformenteignungen zwar in aller Regel besatzungshoheitlicher Natur sind. Jedoch seien die von deutschen Stellen durchgeführten Enteignungen dann nicht der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnen und daher vom Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 lit. a Vermögensgesetz nicht erfaßt, wenn sie einem generell oder im Einzelfall ausgesprochenen Verbot der Besatzungsmacht zuwiderliefen. Das generelle Verbot der entschädigungslosen Enteignung von Vermögenswerten, die im Eigentum ausländischer natürlicher oder juristischer Personen standen, sei bereits in der Proklamation Nr. 2 der Oberbefehlshaber der Besatzungsstreitkräfte vom 20.9.1945 enthalten gewesen. Dieses Verbot habe sich auch auf Enteignungen im Zuge der Bodenreform bezogen. Die entschädigungslose Enteignung von Gütern nichtdeutscher Staatsangehöriger sei daher grundsätzlich nicht besatzungshoheitlicher Natur. Allerdings habe die sowjetische Militäradministration derartige Enteignungen in Mecklenburg-Vorpommern nachträglich in bestimmtem Umfang gebilligt und insoweit einen besatzungshoheitlichen Zurechnungszusammenhang begründet. Jedoch könnten Enteignungen unter Verstoß gegen ein Enteignungsverbot der sowjetischen Besatzungsmacht nicht schon bei stillschweigender Hinnahme, sondern erst dann zugerechnet werden, wenn sie die Enteignungen im Einzelfall oder in bestimmten Fallgruppen nach außen erkennbar bestätigt habe. Eine solche nachträgliche Bestätigung sei für Bodenreformenteignungen von Gütern ausländischer Eigentümer in Mecklenburg-Vorpommern nur insoweit erfolgt, als das Land bereits ausgesiedelt und an Neubauern verteilt worden war. Für alle Flächen, die während der sowjetischen Besatzungszeit nicht aufgesiedelt und an Neubauern verteilt worden sind, bestehe daher kein Restitutionsausschluß. Das Verwaltungsgericht, an das die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen wurde, werde allerdings noch zu prüfen haben, ob der Vater des Klägers trotz des Erwerbs der südafrikanischen Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Enteignung die deutsche Staatsangehörigkeit noch besessen hatte. Das Verbot der Enteignung ausländischer Vermögenswerte habe sich nicht oder jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit auf deutsche Staatsangehörige, die zugleich eine ausländische Staatsangehörigkeit besaßen, erstreckt. Hieran halte der Senat auch mit Blick auf die vom Kläger vorgelegten Rechtsgutachten aus den Jahren 1992 und 1994 fest. Abschnitt VI Nr. 19 lit. a der Proklamation Nr. 2 der Oberbefehlshaber der Besatzungsstreitkräfte vom 20.9.1945 sei, bezogen auf den speziellen Fall der Staatsangehörigen von Ländern, die seinerzeit den Vereinten Nationen angehörten, in der Frage der "Doppelstaatler" ebensowenig eindeutig, wie die grundlegende Regelung in Abschnitt III Nr. 9 über den Schutz des Eigentums "nichtdeutscher Bürger" ("persons not of German nationality").

       96. Ebenfalls um Fragen des Restitutionsausschlusses bei Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage ging es im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.4.1997 (7 C 15/96 - VIZ 1997, 477). Der im Einigungsvertrag festgelegte Restitutionsausschluß für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage gehe auf das Verlangen der Regierungen der Sowjetunion und der DDR zurück. Während der DDR vor allem an der Festschreibung der durch die Enteignungen geschaffenen neuen Eigentumsverhältnisse gelegen war, sei für die Sowjetunion entscheidend gewesen, daß sie nicht durch die Rückgabe der enteigneten Vermögenswerte im Wege der Wiedergutmachung dem Vorwurf ausgesetzt sein wollte, sie habe während der Besatzungszeit staatliches Unrecht verübt oder zugelassen. Durch das in § 1 Abs. 8 lit. a Vermögensgesetz ausgesprochene Verbot, die fraglichen Enteignungen durch Rückgabe der Vermögenswerte wiedergutzumachen, habe der deutsche Gesetzgeber die Sowjetunion entsprechend ihrem Anliegen endgültig und abschließend von einem möglichen Unrechtsvorwurf entlastet. Deshalb gingen nachträgliche Entscheidungen, Äußerungen oder sonstige Verlautbarungen von Organen der Sowjetunion oder eines Nachfolgestaates zur Verantwortlichkeit für bestimmte Enteignungen während der Besatzungszeit als rechtlich bedeutungslos ins Leere, ganz abgesehen davon, daß es für Geltung und Reichweite des Restitutionsausschlusses nicht nur auf die Vorstellung der Sowjetunion, sondern auch der DDR als einer der Vertragsparteien des Einigungsvertrages ankomme. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn das deutsche Wiedergutmachungsrecht ausdrücklich die Beachtlichkeit bestimmter nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages und des Vermögensgesetzes ergangener Rechtsakte der Sowjetunion oder eines Nachfolgestaates vorsehe. Eine solche Bezugnahme enthalte die Vorschrift des § 1 Abs. 8 lit. a Vermögensgesetz zu diesem Punkt aber nicht. Für die Frage, ob eine Enteignung überhaupt auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage erfolgt und deshalb der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnen ist, komme es daher allein auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der jeweiligen Enteignung an. Daraus folge, daß ein allgemeiner Rehabilitierungsausspruch auf der Grundlage des Gesetzes der russischen Föderation über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression vom 3.9.1993 ohne Auswirkungen auf das Bestehen von vermögensrechtlichen Ansprüchen ist, auch wenn in einer solchen Bescheinigung eine Distanzierung von Enteignungen in der Zeit zwischen 1945 und 1949 zum Ausdruck kommen sollte.

       97. In seinem Urteil vom 31.7.1997 (7 C 43/96 - VIZ 1998, 204) befaßte sich das Bundesverwaltungsgericht mit den Voraussetzungen des Restitutionsausschlusses nach § 1 Abs. 8 lit. b Vermögensgesetz. Das BVerwG entschied, daß es auf die Auszahlung einer Entschädigungssumme für die Frage der Anwendbarkeit des zwischenstaatlichen Abkommens und damit des Restitutionsausschlusses nach § 1 Abs. 8 b Vermögensgesetz nicht ankomme. Entscheidend sei ausschließlich, daß der betroffene Vermögenswert in ein zwischenstaatliches Entschädigungsabkommen im Sinne von § 1 Abs. 8 b Vermögensgesetz wirksam eingezogen worden ist. Ob der durch den Vermögensverlust des einbezogenen Vermögenswertes individuell Geschädigte durch den Vertragspartner der DDR entschädigt wurde, sei keine Anwendungsvoraussetzung des § 1 Abs. 8 b Vermögensgesetz. Als entscheidend hierfür stellte das BVerwG auf die an die Vorschrift geknüpfte globale Entschädigung ab. Die Leistung einer hierauf beruhenden individuellen Entschädigung obliege ohnehin der innerstaatlichen Regelung des entschädigten Heimatstaates. Im Ergebnis schließe demzufolge die Anwendung des § 11 c Satz 4 Vermögensgesetz (Eintragung des Zustimmungsvorbehalts) die Prüfung aus, ob der Geschädigte auf der Grundlage des jeweiligen Abkommens durch seinen Heimatstaat entschädigt worden ist. In bezug auf das zwischen Österreich und der DDR abgeschlossene Globalentschädigungsabkommen entschied das BVerwG zudem, daß Gegenstand dieses Abkommens das Vermögen eines österreichischen Staatsbürgers, das in die ausschließliche Verfügungsmacht der DDR gelangt ist, auch dann sein könne, wenn der österreichische Staatsbürger es nach dem 8.5.1945 erworben hatte. Weiterhin stellte das BVerwG fest, daß das Ergebnis der Vertragsauslegung, demzufolge bestimmte vermögensrechtliche Ansprüche in einem zwischenstaatlichen Abkommen wirksam geregelt wurden, bei der Anwendung des § 1 Abs. 8 b Vermögensgesetz in dem Sinne Tatbestandswirkung hat, daß die Reccfmäßigkeit der vertraglichen Regelung nicht zu prüfen ist.

       98. Mit Kammerbeschluß vom 30.12.1997 (1 BvR 2339/95 u.a. - EuGRZ 1998, 62) wurde die Verfassungsbeschwerde einer deutschen GmbH mit schwedischer Muttergesellschaft nicht zur Entscheidung angenommen, die sich zum einen gegen das Urteil des BVerwG wandte, mit dem die Klage gegen das Ersuchen um Eintragung eines Zustimmungsvorbehaltes gemäß § 11 c VermG bezüglich eines Grundstücks, das zum Gesamtkomplex "Komische Oper" in Berlin-Mitte gehört, abgewiesen wurde77, und zum anderen gegen das Urteil des BGH wendete, mit dem die Klage auf Auskunft und Rechnungslegung über die Verwaltung des in Rede stehenden Grundstücks abgewiesen wurde.78 Beide Urteile beruhten auf der Auffassung, daß das genannte Grundstück Gegenstand des Abkommens der Regierung Schwedens und der Deutschen Demokratischen Republik vom 24.10.1986 und damit gemäß § 11 c Satz 1 VermG Gegenstand einer in § 1 Abs. 8 Buchstabe b VermG bezeichneten Vereinbarung sei. Zwar habe zwischen den Parteien des Abkommens bis zuletzt Dissens darüber bestanden, ob von dem Abkommen auch Gesellschaften erfaßt werden sollten, die ihren Sitz außerhalb Schwedens hatten, aber von einer Gesellschaft mit Sitz in Schweden kontrolliert wurden. Im Hinblick darauf, daß mit dem Abkommen alle offenen vermögensrechtlichen Ansprüche endgültig geregelt sein sollten, die Parteien sich auf eine Globalentschädigung geeinigt hätten und aus dieser der Muttergesellschaft ein Betrag auch für das streitgegenständliche Grundstück zugewiesen wurde, könne davon ausgegangen werden, daß eine Regelung dieser Ansprüche im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchstabe b VermG vorliege. Die Kammer war nun der Ansicht, daß ein Verstoß gegen das Willkürverbot durch diese Urteile nicht festgestellt werden könne, da die Gerichte diese Auffassung in vertretbarer Weise nachvollziehbar begründet haben.

       99. In seinem Urteil vom 20.3.1997 (7 C 23/96 - Neue Justiz 1997, 438 = VIZ 1997, 348) hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage zu befassen, ob eine Enteignung eines in der DDR belegenen Grundstücks ohne Beteiligung der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Eigentümer an einem so gravierenden Verfahrensfehler leide, daß die Enteignung eine unlautere Machenschaft darstellt und das betroffene Grundstück damit gemäß § 1 Vermögensgesetz zu rückübertragen ist. Nach Art. 19 Satz 1 EV bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam. Wirksam ergangen und damit gemäß Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag auch weiterhin gültig seien alle Verwaltungsakte, die nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der DDR ungeachtet etwaiger Rechtsmängel als wirksam angesehen und behandelt wurden. Dies bedeute, daß alle in der DDR als wirksam angesehenen und behandelten Enteignungsmaßnahmen wirksam bleiben, sofern sie nicht durch Restitution nach dem Vermögensgesetz rückgängig gemacht werden oder sonst auf der Grundlage des Art. 19 Satz 2 Einigungsvertrag in Verbindung mit den dazu erlassenen Gesetzen, etwa dem VwRehaG, wegen Unvereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen aufgehoben werden können. Die städtebaulichen Enteignungen auf der Grundlage des Aufbaugesetzes und des Baulandgesetzes seien in der DDR auch dann als wirksam angesehen und behandelt worden, wenn die Enteignungen entsprechend der allgemeinen Behördenpraxis ohne Beteiligung der in der Bundesrepublik Deutschland oder im (westlichen) Ausland lebenden Eigentümer durchgeführt wurden. Der Rückübertragungsantrag mußte daher erfolglos bleiben.

       100. Das Bundesverwaltungsgericht befaßte sich in seinem Urteil vom 15.10.1997 (7 C 21.96 - DÖV 1998, 290) mit dem öffentlich-rechtlichen Status der Israelitische Synagogengemeinde Adass Jisroel zu Berlin. Die im Jahr 1869 gegründete Religionsgemeinschaft bekam 1885 die Rechte einer Synagogengemeinde verliehen. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde ihr der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts entzogen. Infolge Deportation kam das Gemeindeleben zum Erliegen. 1986 wurde in Berlin (West) ein Verein zur Förderung von Adass Jisroel gegründet. Am 18.12.1989 gab die Regierung der DDR eine Erklärung ab, in der es hieß, daß die Israelitische Synagogengemeinde Adass Jisroel zu Berlin nicht durch faschistischen Willkürakt untergegangen ist, sondern fortbesteht, daß dementsprechend ihr Rechtsstatus in der DDR voll gewahrt ist und daß der Vorstand die sich aus der Rekonstituierung ergebenden Rechte entsprechend der Rechtsordnung der DDR voll wahrnehmen kann. Diese Erklärung hat nach Auffassung des BVerwG rechtlichen Entscheidungsgehalt. Sie habe verbindlich klären sollen, daß die wiederbelebte Gemeinde als mit der Gemeinde von 1869 rechtlich identisch angesehen werde. Daß die Erklärung keine Aussage zur Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts enthält, erkläre sich daraus, daß dieser Rechtsstatus seit 1968 in der Verfassung der DDR nicht mehr vorgesehen war. Dieser feststellende Verwaltungsakt vom 18.12.1989 gelte gemäß Art. 19 Satz 1 EV fort. Dabei komme entgegen der Auffassung des OVG den Verwaltungsakten der DDR nach Art. 19 Satz 1 EV grundsätzlich ebenso Geltung im gesamten Bundesgebiet zu, wie dies für Verwaltungsakte zutrifft, die bis zum 3.10.1990 von einer Behörde eines alten Bundeslandes erlassen worden sind. Zudem könnten statusbildende Verwaltungsakte schon wegen ihres Inhalts nicht in ihrer Geltung auf Teile des Bundesgebietes beschränkt werden. Da über das 1988/89 beim damaligen Land Berlin angebrachte Begehren des Vereins auf Anerkennung als mit der Gemeinde von 1869 identisch nie zum Nachteil der Klägerin entschieden wurde, seien keine Gründe ersichtlich, dem Verwaltungsakt vom 18.12.1989 die Geltung zu versagen. Auf die Frage, ob die Gemeinde von 1869 durch die jahrzehntelange Untätigkeit untergegangen sei, komme es daher wegen des Verwaltungsaktes der Regierung der DDR, der im gegenteiligen Sinn über den Fortbestand entschieden hat, nicht an. Religionsgemeinschaften in der ehemaligen DDR, die bereits vor dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts waren oder denen der öffentlich-rechtliche Korporationsstatus unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung verliehen worden ist, haben diesen Status am 3.10.1990 verfassungskräftig wiedererlangt, wenn sie ihn infolge der Nichtanerkennung dieses Status durch die DDR verloren hatten. Seit dem 3.10.1990 beruhe der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts bei allen Religionsgemeinschaften, die die Voraussetzungen des Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung erfüllen, einheitlich auf Art. 140 GG. Die Klägerin habe bereits vor dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 aufgrund der Verordnung des Königs von Preußen vom 9.9.188579 den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts innegehabt. Dieser Status sei ihr nicht durch § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen vom 28.3.193880 wirksam entzogen worden. Die Vorinstanzen hätten zutreffend ausgeführt, daß die Überführung der jüdischen Gemeinden in den Status eines bürgerlich-rechtlichen Vereins im Zusammenhang mit der vom deutschen Staat seit 1933 planmäßig betriebenen Verfolgung und Vernichtung der Juden steht und daher als eine in das Gewand des Rechts gekleidete Willkürmaßnahme von Anfang an nichtig war. Dem sei nichts hinzuzufügen.

       101. Das Bundesverfassungsgericht befaßte sich in seinem Urteil vom 8.4.1997 (1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267 = DÖV 1997, 545 = Neue Justiz 1997, 360) mit der Überleitung von Altschulden der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR. Die Altschulden seien beim Untergang der DDR nicht erloschen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer gingen mit der Verfassung eines Territoriums nicht die in ihm bestehenden Rechtsbeziehungen unter. Beim Verfassungswechsel sei vielmehr die Kontinuität der nicht unmittelbar verfassungsrechtlich begründeten Rechtsbeziehungen die Regel, während ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet werde. Der Umstand, daß sich die Rechtsordnung der DDR von derjenigen der Bundesrepublik in Leitvorstellungen und Ausformungen grundlegend unterschied, führe ebenfalls nicht dazu, daß sämtliche Rechtsbeziehungen endeten und unter den neuen Bedingungen erneut begründungsbedürftig geworden wären. Das gelte nicht nur für Rechtsbeziehungen, die systemneutral sind, sondern auch für Rechtsbeziehungen, die zwar in derjenigen Form, die sie als Ausprägung des sozialistischen Rechtssystems in der DDR gefunden hatten, in der Bundesrepublik nicht hätten entstehen können, aber auch nicht Ausdruck des besonderen Unrechtsgehalts der früheren Ordnung seien. Letzteres sei bei den Kreditbeziehungen zwischen LPG und Bank für Landwirtschaft und Nahrungsmittelwirtschaft nicht der Fall. Bei der Altschuldenregelung habe sich der Gesetzgeber für einen Mittelweg zwischen vergangenheitsorientiertem und zukunftsgerichtetem Überleitungskonzept entschieden. Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung der bilanziellen Entlastung nach § 16 Abs. 3 DM-Bilanzierungsgesetz stelle unter der Voraussetzung, daß die bilanzielle Entlastung ihr Ziel erreicht, keine unzumutbare Belastung der LPG und ihrer Rechtsnachfolger dar. Sie sei derzeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wegen der Ungewißheit der Zielerreichung müsse der Gesetzgeber aber die weitere Entwicklung beobachten und gegebenenfalls eine Nachbesserung der Regelung vornehmen. Hierfür scheine eine Frist von 10 Jahren ab Herstellung der deutschen Einheit und Einführung der bilanziellen Entlastung angemessen.

       102. In seinem Beschluß vom 21.12.1997 (2 BvL 6/95 - DÖV 1998, 468 = NJW 1998, 1699) entschied das Bundesverfassungsgericht, daß Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik, die nach Art. 9 Abs. 2 des Einigungsvertrages in Verbindung mit dessen Anlage II in Kraft bleiben sollen, nicht der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG unterliegen. Das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts gelte nur für solche Gesetze, die unter der Herrschaft des Grundgesetzes erlassen worden sind. Nur solche vorkonstitutionellen Gesetze stünden den nachkonstitutionellen gleich, die der Gesetzgeber nach Inkrafttreten des GG in seinen Willen aufgenommen habe. Nach Art. 9 Abs. 2 Einigungsvertrag bleibt das in Anlage II aufgeführte Recht der DDR mit den dort genannten Maßgaben in Kraft, soweit es mit dem Grundgesetz unter Berücksichtigung des Einigungsvertrages sowie mit dem unmittelbar geltenden Recht der Europäischen Gemeinschaften vereinbar ist. Die Überleitungsvorschriften des Einigungsvertrages inkorporieren Recht der DDR in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und nehmen dabei die einzelnen Vorschriften, die in Kraft bleiben sollen, in den Blick. Indessen werde dadurch diesen Vorschriften nicht der Rang nachkonstitutionellen Rechts der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland habe diese Vorschriften lediglich hingenommen und von ihrer Aufhebung abgesehen, ohne sie in ihrer Geltung zu bestätigen. Für die nachträgliche Prüfung am Maßstab des Grundgesetzes gelte das in Art. 101 Abs. 1 GG geregelte Verfahren der konkreten Normenkontrolle daher nicht.

       103. Der Bundesgerichtshof befaßte sich in seinem Urteil vom 18.12.1997 (X ZR 35/95 - NJW 1998, 1701 = VIZ 1998, 269) mit dem Übergang werkvertraglicher Verbindlichkeiten gemäß Art. 21 Einigungsvertrag auf die Bundesrepublik Deutschland. Gegenstand des Streits war ein vom Ministerium für nationale Verteidigung der DDR geschlossener Vertrag über die Lieferung von Schnellbooten, der vom klagenden Hersteller bereits vor der Wiedervereinigung teilweise erfüllt worden war. Die in Art. 21 und 22 EV vorgenommene Zuordnung des Vermögens der DDR beruhe auf der traditionellen Unterscheidung des Verwaltungsrechts zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen. Zum sogenannten Verwaltungsvermögen gehörten jedenfalls die öffentlichen Sachen, das heißt, das "Inventar" des Staates, das durch seinen unmittelbaren Gebrauch der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dient. Mit Art. 21 Abs. 1 Einigungsvertrag sei lediglich eine partielle, gegenständlich begrenzte Rechtsnachfolge bezüglich unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dienender Vermögensgegenstände (Verwaltungsvermögen) geschaffen worden. Schnellboote, die dafür ausgerüstet und bestimmt sind, militärischen Zwecken zu dienen, seien dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen, da sie durch ihren unmittelbaren Gebrauch der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dienen. Die Bundesrepublik Deutschland habe unstreitig drei solcher Boote übernommen, die auf der Grundlage des nicht vollständig erfüllten einheitlichen Vertrages vom 31.1.1985 und der Nachträge zu diesem Vertrag hergestellt worden sind. Aus Art. 21 Abs. 1 Einigungsvertrag könne nicht hergeleitet werden, daß nur diese drei Boote als Aktiva ohne weiteren Übertragungsakt auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen wären, nicht aber die gesamten Passiva in Form aller Verbindlichkeiten aus dem nur teilweise erfüllten, einheitlichen Vertrag, wie sie am 3.10.1990 bestanden haben. Zum Verwaltungsvermögen gehörten auch die Passiva, die mit übernommenen Aktiva in innerem Zusammenhang stehen. Es komme insoweit nicht darauf an, ob sich bei einem Vergleich der Aktiva mit den zugehörigen Passiva ein positiver Saldo ergibt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne ein einheitlicher Vertrag nicht in einen nicht erfüllten und einen vom Werkunternehmer erfüllten Teil aufgespalten werden, wobei dann nur die auf den rechtlich verselbständigten erfüllten Teil entfallenden Verbindlichkeiten nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Einigungsvertrag übergehen sollen, wie das Berufungsgericht meint. Sind auf der Grundlage eines teilweise erfüllten, einheitlichen Werkvertrages Gegenstände des Verwaltungsvermögens der DDR gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, so seien auch alle auf dem Werkvertrag beruhenden Verbindlichkeiten mit übergegangen, die zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs bestanden haben. Dem Kläger stehe daher ein Aufwendungsersatzanspruch wegen der Aufhebung des Vertrages gegen die Bundesrepublik Deutschland zu.

       104. Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich in seinem Urteil vom 9.7.1997 (5 StR 544/96 - BGHSt 43, 129 = DtZ 1997, 382) mit der Anwendbarkeit von Art. VIII Militärregierungsgesetz (MRG) Nr. 53 bei Embargoverstößen von Bürgern der DDR. Der Angeklagte hatte als Staatssekretär im Ministerium für Außenhandel der DDR und Leiter des Bereichs "Kommerzielle Koordinierung" Anfang der 80er Jahre Handfeuerwaffen und Nachtsichtgeräte von der DDR aus über Mittelsmänner aus der Bundesrepublik Deutschland beschafft. Der Senat hält in Fällen der vorliegenden Art, welche die Verfolgung eines ehemaligen Bürgers der DDR betreffen, eine restriktive Auslegung der Strafbestimmung des Art. VIII MRG Nr. 53 für geboten. Hier sei es angezeigt, die Strafbarkeit insoweit auf Fälle zu beschränken, in denen ein vergleichbarer Sachverhalt bei Anwendung des Außenwirtschaftsgesetzes verboten wäre. Dafür sprächen zwingende verfassungsrechtliche Gründe. Das in MRG Nr. 53 seit dem Inkrafttreten des Außenwirtschaftsgesetzes 1961 nur noch für den innerdeutschen Waren- und Geldverkehr geltende umfassende Verbot trug den besonderen Umständen Rechnung, die mit der Teilung Deutschlands verbunden waren. Daher gingen die im MRG Nr. 53 vorgesehenen strafbewährten Verbote erheblich über die Beschränkungen hinaus, die im Außenwirtschaftsgesetz für den Handelsverkehr mit dem Ausland vorgesehen gewesen seien. Wenn die bis zum Jahre 1990 bestehenden besonderen deutschlandpolitischen Zwänge außer Betracht blieben, begegnete der Umfang der Strafbarkeit nach Art. VIII MRG Nr. 53 beachtlichen Einwänden. So könne eine Strafverfolgung gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, wenn feststeht, daß durch die Anwendung der einschlägigen Strafvorschriften keiner der gesetzlich anerkannten Strafzwecke mehr zu erreichen ist. Mit der Herstellung der deutschen Einheit hätten die Verbote und Gebote nach den Devisenbewirtschaftungsgesetzen ihre Geltung verloren. Dieser Befund mache es erforderlich, Gesichtspunkte der Prävention und der Sühne gegenüber ehemaligen DDR-Bürgern bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des (innerdeutschen) Wirtschaftsverkehrs im besonderen Maße zu rechtfertigen. Eine solche Rechtfertigung wäre zweifelhaft, wenn eine Strafverfolgung nur den Sinn hätte, diese Menschen zur Achtung obsoleter Gesetze anzuhalten, soweit diese Gesetze speziell und ausschließlich den Zweck hatten, das Land, dessen Bürger sie waren, besonders restriktiven Regelungen zu unterwerfen. Eine Sanktion sei dagegen gerechtfertigt, soweit das Verhalten des Täters selbst bei Zugrundelegen der liberalen Maßstäbe des Außenwirtschaftsgesetzes als sanktionsbewehrtes Unrecht erscheint. Völkerrechtliche Prinzipien stünden einer Bestrafung des Angeklagten nicht im Wege. Das völkerrechtlich allgemein anerkannte Schutzprinzip räume den Staaten die Befugnis ein, im Ausland von In- oder Ausländern begangene Delikte zu bestrafen, welche die Existenz oder andere wichtige Rechtsgüter des Staates bedrohen. Aus den Genehmigungsvorbehalten des § 5 Außenwirtschaftsverordnung ergebe sich, daß sanktionsbewehrte Ausfuhrbeschränkungen gesamtwirtschaftlichen Belangen, dem Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, ihren auswärtigen Beziehungen und dem friedlichen Zusammenleben der Völker oder der Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen dienen. Es liege auf der Hand, daß diese Anliegen auch dem Schutz der freiheitlich verfaßten Bundesrepublik Deutschland nach außen dienen. Hinzu komme, daß der Export von militärisch nutzbaren Gütern "wichtige Rechtsgüter" der Bundesrepublik Deutschland bedroht. In Art. 26 GG habe sich die Bundesrepublik Deutschland zur Friedensstaatlichkeit bekannt. Handlungen, die geeignet seien und in der Absicht vorgenommen würden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, seien verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen. Auch wenn eine solche Absicht nicht festgestellt sei, so sei doch schon der ungenehmigte Export militärisch nutzbarer Gegenstände geeignet, das hochrangige Rechtsgut der Friedensstaatlichkeit zu verletzen. Schließlich bestehe auch keine allgemeine Regel des Völkerrechts, wie ein Staat, nachdem ihm ein anderer Staat beigetreten ist, mit Personen verfahren darf, die Straftaten zugunsten des beigetretenen Staates begangen haben.

       105. In seinem Beschluß vom 31.1.1997 (AnwZ (B) 8/96 - DtZ 1997, 255) entschied der Bundesgerichtshof, daß die Rücknahme der Anwaltszulassung reccfmäßig ist, wenn bei der Mitwirkung an der Rechtsprechung der DDR in politischen Strafsachen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen wurde. Zwar genüge nicht die bloße Mitwirkung allein, wohl aber ein massiver Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit durch Verhängung gänzlich überhöhter Strafen durch den Ast. in seiner früheren Funktion als Vorsitzender eines Stadtbezirksgerichts. Der Ast. habe sich hierdurch als für den Beruf des Rechtsanwalts in einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Demokratie nicht tragbar erwiesen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Im Nichtannahmebeschluß vom 28.5.1997 (1 BvR 481/97 - EuGRZ 1997, 378) heißt es, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Widerruf der Anwaltszulassung von in der DDR als Rechtsanwalt tätig gewesenen Juristen verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn sie wegen Beteiligung an eklatanten Unrechtshandlungen nicht vertrauenswürdig sind.81 Danach bedürfe keiner weiteren Senatsentscheidung, daß dies auch für Rechtsanwälte gilt, die in ihrer früheren Funktion als Richter an solchen Unrechtshandlungen beteiligt waren.

       106. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof befaßte sich in seinem Beschluß vom 20.2.1997 (Vf. 25-IV-96 - LKV 1997, 285) mit dem Ausschluß der Wählbarkeit vom Bürgermeisteramt aufgrund früherer MfS-Tätigkeit. Die diesbezügliche Regelung in § 49 Abs. 1 SächsGO i.V. mit § 6 Abs. 2 Nr. 2 SächsBG sei verfassungskonform dahin gehend auszulegen, daß der "grundsätzliche" Ausschluß nicht bedeute, daß bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Regelfall die gesetzliche Rechtsfolge eintrete, sondern daß "grundsätzlich" hier bedeute, daß eine Tatsache Ausgangspunkt für weitere Überlegungen sein soll. Die aus der Sächsischen Verfassung folgende Ermächtigung zur Beschränkung der Wählbarkeit bei früherer MfS-Tätigkeit erfordere eine ergebnisoffene Einzelfallprüfung ohne eine der MfS-Tätigkeit zukommende Indizwirkung für die Untragbarkeit der Berufung in das Amt.

       107. In einem Urteil vom 8.7.1997 (1 BvR 1934/93 - BVerfGE 96, 189 = NJW 1997, 2305 = MDR 1997, 945) entschied das Bundesverfassungsgericht, daß der in Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 V Nr. 2 EinigungsV vorgesehene Sonderkündigungstatbestand wegen Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers trotz einer solchen Tätigkeit zuzumuten ist, seien die Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Eine frühere Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter genüge für sich allein nicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

       Mit Urteil vom selben Tage (1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95 und 1 BvR 2189/95 - NJW 1997, 2307) entschied das Bundesverfassungsgericht, daß das Verlangen der Arbeitgeber gegenüber den aus dem Öffentlichen Dienst der DDR übernommenen Arbeitnehmern vor einer Entscheidung über eine Kündigung nach den Vorschriften des Einigungsvertrages, Fragen über frühere Parteifunktionen in der SED und Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit zu beantworten, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Betroffenen vereinbar war.

      



      77 BVerwGE 99, 276.
      78 BGHZ 134, 67.
      79 Preußische Gesetzessammlung, 337.
      80 Reichsgesetzblatt I, 338.
      81 BVerfGE 93, 213 (235 ff.).