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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1997


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Lars-Jörgen Geburtig


V. Staatsangehörigkeit

2. Verlust

       24. Das OVG Hamburg entschied in seinem Urteil vom 24.2.1997 (Bf III 53/95 - FamRZ 1998, 289), daß der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach §§ 17 Nr. 2, 25 Abs. 1 RuStAG a.F. in den Fällen, in denen deutsche Staatsangehörige polnischer Abstammung nach dem Ende des 2. Weltkrieges ihren langjährigen Wohnsitz in einem westlichen Gebietsteil Deutschlands aufgaben und als Repatrianten auf Antrag als polnische Staatsangehörige anerkannt wurden, auch dann eintrat, wenn diese Personen sich 1948 in einem Gebiet östlich der Oder und Neiße innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches vom 31.12.1937 niederließen, das nach dem Potsdamer Abkommen vom 2.8.1945 unter vorläufiger Verwaltung Polens stand.

       25. Das VG Stuttgart hatte sich in seinem Urteil vom 5.3.1997 (7 K 4077/95 - StAZ 1997, 346) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Kläger, der 1951 als nichteheliches Kind einer deutschen Staatsangehörigen und eines russischen Staatsangehörigen geboren wurde und dessen Eltern 1954 heirateten, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Der Kläger habe nachgewiesen, als nichtehelicher Sohn einer deutschen Staatsangehörigen mit Geburt im Jahre 1951 gemäß § 4 Satz 1 RuStAG in der damals gültigen Fassung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben zu haben. Einzige Vorschrift, nach der der Kläger seine durch Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben könnte, sei § 17 Nr. 5 a.F. RuStAG, wonach uneheliche Kinder durch eine von einem Ausländer bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Nach Ansicht des VG konnte ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 17 a.F. RuStAG aufgrund der 1954 geschlossenen Ehe der Eltern des Klägers schon deshalb nicht eingetreten sein, weil diese Vorschrift im Hinblick auf einen Verstoß mit dem mit Wirkung vom 1.4.1953 zu beachtenden Gleichberechtigungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2, Art. 117 Abs. 1 GG) - unabhängig von der erst Jahre später erfolgten förmlichen Aufhebung des § 17 Abs. 5 a.F. RuStAG - zu diesem Zeitpunkt außer Kraft getreten sei und im Jahre 1954 einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beim Kläger nicht mehr habe bewirken können. Die Feststellung der Nichtigkeit des § 17 Abs. 5 a.F. RuStAG habe vom Gericht dabei ohne Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG getroffen werden können, nachdem es sich um eine vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Rechtsvorschrift handele, die der nachkonstitutionelle Gesetzgeber auch nicht in seinen Willen aufgenommen habe. Daß § 17 Nr. 5 a.F. RuStAG gegen Art. 3 verstößt, ergebe sich daraus, daß der Verlustgrund der Legitimation durch einen ausländischen Vater einem Grundgedanken des ursprünglichen RuStAG folgt, der der Abstammung vom Vater und dem familienrechtlichen Band zu ihm ein stärkeres Gewicht gibt und das Band zur Mutter zurücktreten läßt. § 17 Abs. 5 a.F. RuStAG beruhe zuallererst auf einer Differenzierung nach dem Geschlecht der beiden Elternteile. Selbst dem rechtlich als Elternteil erst später durch die Legitimation hinzutretenden Vater werde der Vorzug gegeben. Das berechtigte staatliche Ordnungsinteresse an der Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit rechtfertige dies nicht, da zum einen der Verlust der durch die Mutter vermittelten Staatsangehörigkeit auch dann eintreten konnte, wenn er zur Staatenlosigkeit führte, und zum anderen die nach dem Grundgesetz unzulässige Differenzierung nach dem Geschlecht ja gerade darin liege, daß § 17 Nr. 5 a.F. RuStAG dieses Ordnungsinteresse allein zu Lasten der Mutter aufstelle, wohingegen es in anderer Konstellation der Hinzuerwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit der Mutter, bei bestehender vom Vater abgeleiteter deutscher Staatsangehörigkeit, nicht sanktioniere. Die Vorschrift sei daher allein auf eine Differenzierung nach dem Geschlecht der beiden Elternteile zurückzuführen und aus diesem Grund mit dem 1.4.1953 als mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig anzusehen.32 Da ein anderer Verlustgrund nicht in Betracht komme, besitze der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit nach wie vor.

      



      32 Ebenso OVG Rheinland-Pfalz 23.4.1993, InfAuslR 1993, 276, 277.