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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1998


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Kai Peter Ziegler


X. Internationaler Menschenrechtsschutz

2. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Europäisches Minderheitenschutzabkommen

       85. Nach Auffassung des brandenburgischen VerfG in seinem Urteil vom 18.6.1998 (VfGBbg 27/97 - LKV 1998, 395) gewährleistet Art. 25 Abs. 1 S. 1 BbgVerf zwar das Recht des sorbischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seines angestammten Siedlungsgebietes, bietet jedoch keinen absoluten Schutz vor der Inanspruchnahme einer sorbisch geprägten Siedlung durch den Braunkohlentagebau. Eine Abgeordnetengruppe des Landtags Bbg stellte einen Normenkontrollantrag vor dem BbgVerfG zur Überprüfung von Art. 2 § 1 des Bbg Braunkohlengrundlagengesetzes (BbgBkGG), der i.V.m. Art. 1 des Gesetzes die Auflösung der Gemeinde Horno vorsah. Art. 1 BbgBkGG seien die Grundsatzentscheidung für den Braunkohlentagebau in der Region, sowie Regelungen für die Inanspruchnahme von Siedlungen, einschließlich solcher mit sorbischer Tradition, zu entnehmen. Art. 2 § 1 BbgBkGG konkretisiere diese Grundsätze für die Gemeinde Horno und bestimme ihre Auflösung. Nach Ansicht des BbgVerfG begründet Art. 25 Abs. 1 S. 1 BbgVerf kein absolutes Eingriffsverbot, sondern gewährt nur einen der Abwägung zugänglichen Schutz. Die Verfassungsnorm sei solange als Staatszielbestimmung und nicht als Grundrecht i.S. eines Abwehrrechtes zu verstehen, als kein gezielt gegen das Sorbentum gerichteter Eingriff in Frage stehe. Eine Anknüpfung an Differenzierungskriterien, die unter Art. 3 Abs. 3 GG fielen, sei bei einer solchen kompensierenden Staatszielbestimmung zulässig, da ein wirksamer Minderheitenschutz die identitätsstiftenden Charakteristika schützen und fördern müsse, um dem Assimilierungsdruck durch die Mehrheit entgegenzuwirken. Dies bestätige das Rahmenübereinkommen des Europarates vom 1.2.1995 zum Schutz nationaler Minderheiten,105 in dem sich die Bundesrepublik verpflichtet habe, in allen Bereichen die Gleichheit zwischen einer nationalen Minderheit und der Mehrheit zu fördern. Zwar handele es sich dabei um Handlungsaufträge an die Signatarstaaten und keine unmittelbar geltenden Rechtssätze, doch schließe danach der Minderheitenschutz ausgleichende und fördernde Maßnahmen ein. Art. 25 BbgVerf stelle die prägenden Elemente der sorbischen Minderheit unter den besonderen Schutz des Landes und verpflichte das Land zu Erhaltung, Bewahrung und Förderung. Ein allein den Sorben zustehendes subjektives Abwehrrecht könne darin aber wegen Art. 3 Abs. 3 GG nicht gesehen werden, so daß der Normenkontrollantrag erfolglos bleiben müsse.

      



      105 BGBl. 1997 II 1406.