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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1998


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Kai Peter Ziegler


XII. Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen

       97. Das BVerfG erklärte in seinem Beschluß vom 31.3.1998 (2 BvR 1877/97 und 50/98 - DVBl. 1998, 582), daß die Mitwirkung Deutschlands an der Währungsunion im MV122 vorgesehen sei und von Art. 23 und 88 S. 2 GG grundsätzlich gestattet werde. Der Vertrag zeichne den Maßstab und das Verfahren zum Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion vor und eröffne der Bundesregierung und dem Parlament Einschätzungs- und Prognoseräume, mit der Verantwortung für die Sicherung des Geldeigentums. Der Geldeigentümer könne diese parlamentarisch mitzuverantwortende Entscheidung jedoch nicht mit einer Verfassungsbeschwerde inhaltlich überprüfen lassen. Das BVerfG hält die Verfassungsbeschwerden gegen die Teilnahme Deutschlands an der Europäischen Währungsunion (EWU) für offensichtlich unbegründet und führte dazu aus, daß der Eintritt in die dritte Stufe der EWU und die Entscheidung über die konkrete Gestalt der Währungsunion auf der Grundlage des MV hinreichend demokratisch legitimiert sei und Art. 38 Abs. 1 GG folglich nicht berührt werde, weil die Mitwirkung in den europäischen Organen durch die Beteiligungsrechte des Bundestages parlamentarisch mit verantwortet werde. Die Entscheidung über die Einführung der EWU unter zu bestimmenden Teilnehmerstaaten begründe weder eine politische Union, die einer Vertragsänderung mit Zustimmung der nationalen staatlichen Organe bedürfen würde, noch nehme sie dem Bundestag weitere Kompetenzen, da diese Hoheitsrechte bereits durch den MV übertragen worden seien. In bezug auf Geldeigentumsrechte sei das Zustimmungsgesetz zum MV als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu werten, da der Geldwert in besonderer Weise gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsabhängig sei und der Staat den Geldwert folglich nicht grundrechtlich garantieren, sondern nur die institutionelle Grundlage und die individuelle Zuordnung gewährleisten könne. Werde die D-Mark durch eine andere Währung ersetzt, so finde dies in Art. 88 S. 2 GG, in der Zustimmung des Gesetzgebers zum MV gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG und in dessen Mitwirkung an Rechtsetzungsakten zu seinem Vollzug gemäß Art. 23 Abs. 2 ff. GG eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage. Art. 109 j i.V.m. Art. 104 c EGV fordere für die Entscheidung über den Beginn der EWU eine Beurteilung ihrer dauerhaften Stabilität, was Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognoseräume eröffne, die Art. 23 Abs. 2 ff. GG Regierung und Parlament zuweise. Diese Prognoseentscheidungen könnten nicht nach dem individualisierenden Maßstab eines Grundrechts beurteilt werden, sondern seien von den politischen Organen zu verantworten. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat würden mit Erfüllung ihres Auftrages in Art. 88 S. 2 GG, die EWU als Stabilitätsgemeinschaft mitzugestalten, auch zur objektiv-rechtlichen Sicherung des Geldeigentums des Art. 14 Abs. 1 GG beitragen.

      



      122 Vertrag vom 7.2.1992 über die Europäische Union, BGBl. 1992 II 1251.