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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999


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Ludger Radermacher


III. Völkerrechtliche Verträge

       7. Der BGH entschied in seinem Urteil vom 15.12.1999 (I ZR 114/97; "Playboy" - BGHZ 143, 303 ff.), daß Angehörige von Vertragsstaaten der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ)9 sich aufgrund von Art. 5 des Übereinkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz zur Erfüllung des Benutzungszwanges für eine IR-Marke in Deutschland auch auf Benutzungshandlungen berufen können, die in der Schweiz stattgefunden haben. Dem Fall zugrunde lag ein Streit der Parteien über die Verwendung der Bezeichnung "PLAYBOY" auf dem deutschen Markt. Die Klägerin ist Inhaberin der unter verschiedenen Registernummern und für unterschiedliche Erzeugnisse eingetragenen Wortmarke "PLAYBOY". Sie nahm die Beklagte, ein französisches Unternehmen des Bekleidungssektors, u.a. auf Einwilligung in die Löschung der von dieser ebenfalls verwendeten Wortmarke "PLAYBOY" in Anspruch. Die Beklagte verlangte ihrerseits widerklagend von der Klägerin die Einwilligung in die Löschung und Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "PLAYBOY". Die Revision führte zur Zurückverweisung der Klage an das Berufungsgericht. Eine Schutzentziehungsreife sei jedenfalls wegen der behaupteten Benutzung der IR-Marken in der Schweiz nicht gegeben, da insoweit das Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz betreffend den beiderseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13.4.189210 der Beklagten zugute komme. Dieses Übereinkommen sei weder durch den damaligen Vertrag von Rom noch sonst durch Gemeinschaftsrecht berührt worden und habe auch durch das Inkrafttreten des Markengesetzes keine Veränderung erfahren. In Art. 5 des Abkommens werde bestimmt, daß die Rechtsnachteile, welche nach den Gesetzen der vertragschließenden Parteien einträten, wenn eine Handels- und Fabrikmarke nicht innerhalb einer bestimmten Frist benutzt werde, auch dadurch ausgeschlossen werden sollten, daß die Benutzung in dem Gebiet der anderen Partei erfolge. Aus den für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge geltenden Grundsätzen, nach denen in erster Linie der aus dem Gesamtinhalt, dem Zweck sowie der Entstehungsgeschichte zu ermittelnde Wille der vertragschließenden Parteien maßgeblich sei, folge, daß nicht nur die Benutzung durch den Markeninhaber in seinem Heimatland für eine entsprechende Marke im fremden Staat rechtserhaltend wirke, sondern auch die Benutzung im anderen Vertragsstaat rechtserhaltend für den Heimatstaat wirke. Art. 5 des Übereinkommens bezwecke eine Ausnahme vom Territorialitätsprinzip. Die Benutzung nur im anderen Vertragsstaat mit der Folge des Rechtserhalts auch im Heimatstaat habe zwar nicht notwendig der staatsvertraglichen Regelung bedurft. Ihre Erfassung i.S. einer Gesamtregelung folge jedoch aus der Aufhebung des Art. 1 des Übereinkommens vom 13.4.1892 durch das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz vom 26.5.190211, das im Zusammenhang mit dem Beitritt des Deutschen Reiches zur PVÜ gestanden habe. In der Denkschrift zu diesem Abkommen werde erwähnt, daß der Hauptgrundsatz, welcher die Gleichstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen hinsichtlich des gewerblichen Schutzes gewährleistet habe, in den Art. 2 und 3 der PVÜ enthalten sei. Aus der vorgenommenen Änderung müsse geschlossen werden, daß jedenfalls mit dem Änderungsabkommen auch die Benutzung der Marke in einem anderen Vertragsstaat rechtserhaltende Wirkung für den Heimatstaat haben solle, da durch Art. 2 und 3 PVÜ die im Übereinkommen von 1892 nur den eigenen Staatsangehörigen gewährte Gleichstellung durch das Prinzip der Inländergleichbehandlung für alle Angehörigen der Verbandsländer und die ihnen gleichgestellten Gebietsansässigen ersetzt worden sei. Weder Deutschland noch die Schweiz wären - was nicht beabsichtigt gewesen sein könnte - der ihnen nach der PVÜ obliegenden Verpflichtung zur Inländergleichbehandlung der Verbandsstaaten nachgekommen, wenn nicht die Benutzung der Marke im anderen Vertragsstaat mit der Folge des Rechtserhalts im Heimatstaat durch das geänderte Abkommen hätte erfaßt sein sollen. Irrelevant sei daher auch, daß die Beklagte nicht Angehörige der Schweiz oder Deutschlands sei und hier auch keinen Sitz oder eine Niederlassung habe. Insofern müsse das Berufungsgericht eine Feststellung zur Benutzung der IR-Marke durch die Beklagte treffen.

       8. Das OLG Hamm erklärte mit Zwischenurteil vom 18.3.1999 (18 U 84/98 - RIW 1999, 541 f.), daß völkerrechtliche Verträge zwischen der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis von Deutschland zur heutigen Bundesrepublik Jugoslawien (= Serbien-Montenegro) weiterhin wirksam sind. Im zugrundeliegenden Fall ging es um die Frage, ob die jugoslawisch/serbische Klägerin in einem in Deutschland geführten Zivilprozeß Sicherheit wegen der Prozeßkosten leisten müsse. Das Gericht erkannte, daß die Klägerin nach § 110 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO von der Leistung einer Sicherheit freigestellt ist, weil aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann. Die Klägerin sei Angehörige der sich selbst so nennenden Bundesrepublik Jugoslawien. Die Bundesrepublik Jugoslawien sei als Vertragsstaat des Haager Zivilprozeßübereinkommens (HZPrÜbK)12 anzusehen. Die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien sei Vertragsstaat dieses Abkommens gewesen. Zwar spreche viel dafür, daß diese Republik durch Dismembration untergegangen sei. Trotz fehlender Identität der Bundesrepublik Jugoslawien folge eine Bindung aus der ausdrücklichen Erklärung dieser Republik, daß sie alle Verpflichtungen, an die die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien gebunden gewesen sei, strikt befolgen werde. Diese verbindliche Erklärung begründe die rechtliche Verpflichtung, sich an das HZPrÜbK zu halten, wie auch die Bundesrepublik Deutschland sich im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien an diese Verpflichtungen weiterhin gebunden fühle. Mithin könne eine Sicherheit wegen der Prozeßkosten nicht verlangt werden (Art. 17 HZPrÜbK).




      9 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20.3.1883, RGBl. 1903, 147, zuletzt revidiert durch die Stockholmer Fassung vom 14.7.1967, BGBl. 1970 II, 293, 391.

      10 RGBl. 1894, 511 = BlPMZ 1895, 70.

      11 RGBl. 1903, 181 = BlPMZ 1903, 132.

      12 Haager Zivilprozeßübereinkommen vom 1.3.1954, BGBl. 1958 II 576.