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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999


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Ludger Radermacher


V. Staatsangehörigkeit

1. Erwerb

       10. Das OVG Bremen entschied mit Urteil vom 18.5.1999 (1 HB 497/98 - NVwZ-RR 2000, 58), daß das Wohlwollensgebot des Art. 34 S. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (Genf-Konv.)16 es ausschließt, die Einbürgerung eines staatenlosen Konventionsflüchtlings allein deshalb abzulehnen, weil dieser nur über eine Aufenthaltsbefugnis nach § 70 AsylVfG verfügt. Bei der Ermessensentscheidung über seine Einbürgerung sei auch ein mehrjähriger Aufenthalt in Deutschland vor Eintritt der Staatenlosigkeit und vor Beginn des Verfahrens zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in die Abwägung einzustellen. Zugrunde lag der Fall eines 1979 zu Studienzwecken eingereisten türkischen Staatsbürgers. Sein 1995 gestellter Asylantrag wurde zwar abgelehnt; jedoch wurde festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 51 AuslG hinsichtlich der Türkei vorlagen. Der Kläger wurde 1997 durch die Türkei ausgebürgert. Ein Antrag des Klägers auf Einbürgerung wurde auch im Widerspruchsverfahren und vor dem VG abgelehnt. Das OVG hielt einen Anspruch auf Neubescheidung für gegeben, da die Einbürgerung ermessensfehlerhaft versagt worden sei. Es führte aus, daß der an sich bei der nach § 8 RuStAG zu treffenden Einbürgerungsentscheidung bestehende weite Ermessensspielraum bei Flüchtlingen i.S. der Genf-Konv. und bei Staatenlosen durch Art. 34 S. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bzw. Art. 32 S. 1 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (StlÜbk)17 eine Einengung erfährt. Hieraus sei ein innerstaatlich unmittelbar anwendbares Wohlwollensgebot ableitbar, das Behörden und Gerichte binde und auf das die begünstigten Personen einen unmittelbaren Anspruch hätten. Ein staatliches Interesse an der Einbürgerung dieser Personen sei wegen ihres gruppentypischen Schicksals vorgezeichnet und könne nur abgelehnt werden, wenn überwiegende staatliche Belange entgegenständen. Die Ermessensausübung sei hier fehlerhaft gewesen, weil die Einwanderungsbehörde ohne Abwägung mit widerstreitenden öffentlichen Interessen davon ausgegangen sei, daß Konventionsflüchtlingen mit einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 AsylVfG die Einbürgerung generell zu versagen sei. Ermessensfehlerhaft sei es im übrigen auch, wenn die Einwanderungsbehörde der Auffassung gewesen sein sollte, daß das öffentliche Interesse an der Einbürgerung regelmäßig dann zurückzutreten habe, wenn ein verfestigter aufenthaltsrechtlicher Status nicht vorliege. Das Wohlwollensgebot werde in sein Gegenteil verkehrt, wenn das öffentliche Interesse aufgrund eines Kriteriums verneint werde, das unmittelbar an die Flüchtlingseigenschaft anknüpfe. Die Verleihung einer nur befristeten Aufenthaltsbefugnis sei nämlich unmittelbare Folge des Flüchtlingsstatus. Es sei zwar nicht generell ausgeschlossen, eine bestimmte Mindestdauer des Aufenthaltes oder andere Merkmale für das Hineinwachsen in die hiesigen Lebensverhältnisse zur Voraussetzung für eine Einbürgerung zu machen. Jedenfalls aber seien die Besonderheiten des Einzelfalles angemessen zu berücksichtigen. Dabei komme es nicht auf die ursprünglich mit dem Aufenthalt verfolgten Zwecke an, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einbürgerung.




      16 Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951, BGBl. 1953 II 559, ergänzt durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.1.1967, BGBl. 169 II 1293.

      17 Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954, BGBl. 1976 II 473.