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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2000


VII. Wissenschaftlicher Nachwuchs und Gastwissenschaftler

B. Aktivitäten des wissenschaftlichen Nachwuchses am Institut

3. Teilnahme einer Gruppe von Studenten am „Concours Européen des Droits de l'Homme René Cassin“

Auch im Wintersemester 1999/2000 nahmen wieder drei Studenten der Universität Heidelberg am „Concours Européen des Droits de l'Homme René Cassin“ in Straßburg teil. Dabei gelang es Christian Maierhöfer, Heike Stadtmüller und Nicola Vennemann unter der Betreuung von Ass. Karen Raible an den Erfolg von 1998 anzuknüpfen und erneut den ersten Platz zu belegen.

Der „Concours Cassin“ wird seit 1985 von der „Association Juris Ludi“, die sich aus Professoren und Studenten der Universität Straßburg zusammensetzt, in Zusammenarbeit mit dem Europarat ausgerichtet und stellt den weltweit einzigen studentischen Wettbewerb in französischer Sprache auf dem Gebiet der Europäischen Menschenrechtskonvention dar. In einem simulierten Verfahren werden die Mannschaften dazu aufgefordert, anwaltliche Schriftsätze zu einem fiktiven Fall einzureichen und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entweder als Anwälte des Beschwerdeführers oder als Vertreter des Staates aufzutreten.

Aktueller Hintergrund des diesjährigen fiktiven Falls bildete das Schengener Informationssystem. In einem ersten Komplex behandelte der Fall die Rechte von Ausländern bei und nach der Einreise in einen anderen Staat und in einem zweiten Komplex die Religionsfreiheit. Das Los entschied, daß Christian Maierhöfer, Heike Stadtmüller und Nicola Vennemann den Staat „Papasie“ vertraten, der sich gegen die Beschwerden zweier Staatsangehöriger des Staates „Pitigonie“ verteidigen mußte. Der eine wurde nach der Einreise in „Papasie“ in einer Wartezone festgehalten, weil er von einem anderen Staat wegen Drogendelikten auf eine Liste ähnlich dem Schengener Informationssystem gesetzt worden war, der andere sollte für die Immatrikulation in einer Universität ein Paßbild ohne die in seiner Religion vorgeschriebene Verschleierung vorweisen.

In den Monaten Dezember und Januar wurde zunächst der 30-seitige anwaltliche Schriftsatz des Staates „Papasie“, der sogenannte „mémoire“, in französischer Sprache angefertigt und die aufgeworfenen Fragen auf dem Gebiet der Europäischen Menschenrechtskonvention aus dem Blickwinkel des Staates und unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung beantwortet. In den Monaten nach der Abgabe des anwaltlichen Schriftsatzes wurde das insgesamt 45-minütige Plädoyer vorbereitet und eingeübt. In dieser Phase mußten die Studenten lernen, die Position des Staates überzeugend nach außen hin zu vertreten und dabei die schwierige Aufgabe meistern, sowohl auf die Argumente der Beschwerdeführer einzugehen als auch Zwischenfragen der Richter, für die sich zahlreiche wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts zur Verfügung gestellt hatten, sicher und in dem vorgegebenen Zeitrahmen zu beantworten.

Am diesjährigen „Concours Cassin“ nahmen insgesamt 62 Mannschaften aus 24 Staaten teil, darunter - für einen Wettbewerb im Bereich der europäischen Menschenrechte bemerkenswert - auch Staaten aus Afrika sowie Nord- und Südamerika. Die mündlichen Verhandlungen der Beschwerden gegen den Staat „Papasie“ fanden vom 27. bis 31. März im Gebäude des Europarats in Straßburg statt. In den Vorrunden plädierten Christian Maierhöfer, Heike Stadtmüller und Nicola Vennemann gegen die Mannschaften aus Rennes und London. Im Finale, das dieses Jahr in einem der Plenarsäle des neuen Gebäudes des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stattfand, setzten sie sich gegen die Mannschaft der Universität Lyon III durch. Auf der vierzehnköpfigen Richterbank saßen unter dem Vorsitz des früheren Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Jean-Pierre Cot u.a. der französische Richter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Jean-Paul Costa sowie der Menschenrechtskommissar des Europarats Alvaro Gil-Robles. Die Plädoyers wurden gehalten von Nicola Vennemann und Christian Maierhöfer. Heike Stadtmüller beriet als „conseillère juridique“ während und außerhalb der Plädoyers.

Als Gewinner des „Concours Européen des Droits de l'Homme René Cassin“ erhielten die Heidelberger Studenten die Möglichkeit, ein Praktikum beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu absolvieren, ein Preisgeld in Höhe von 15.000,- FF sowie eine Trophäe des Künstlers Lionel Forni, die inzwischen ihren Platz im Institut gefunden hat. Neben Heidelberg plazierten sich zwei weitere deutschsprachige Universitäten (Düsseldorf und Wien) unter den ersten Fünf. Aber nicht nur die Preisträger, sondern alle Teilnehmer des „Concours Cassin“ sind nach eigenem Bekunden und ganz im Sinne René Cassins durch die im Wettbewerb gesammelten Erfahrungen neue „fantassins des droits de l'homme“ geworden.



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