Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv 2001

Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001


VII. Wissenschaftlicher Nachwuchs und Gastwissenschaftler

B. Aktivitäten des wissenschaftlichen Nachwuchses am Institut

3. Teilnahme einer Gruppe von Studenten am "Concours Européen des Droits de l'Homme René Cassin"

Auch im Wintersemester 2000/2001 nahmen wieder drei Studenten der Universität Heidelberg am "Concours Européen des Droits de L'Homme René Cassin" in Straßburg teil. Mit Ann-Francoise Versele und Leopold Schellekens aus Belgien sowie Sebastian Langendorf aus Heidelberg war das Team dieses Jahr international zusammengesetzt. Es wurde von Ref. Stahn betreut. Zwar gelang es den Teilnehmern nicht, den Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen. Doch mit einer Plazierung im guten oberen Drittel und der Präsenz und Berichterstattung eines Mitarbeiters der schreibenden Zunft bei den Proben und Plädoyers erwies sich die Teilnahme an der XVII. Auflage des Concours für das gesamte Team als ein unvergeßliches und in vielerlei Hinsicht erfolgreiches Ereignis.

Der "Concours Cassin" findet seit 1985 alljährig unter der Schirmherrschaft des Europarats statt. Er ist der bisher einzige internationale Moot Court, der schwerpunktmäßig den Rechtsfragen aus dem Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewidmet ist. Die Organisation des Wettbewerbs wird im wesentlichen von der "Association Juris Ludi" wahrgenommen, die sich aus Studenten und Professoren der Universität Straßburg zusammengesetzt und nicht nur für die Gestaltung des zu verhandelnden Falls, sondern auch für die Durchführung der mündlichen Verhandlungswoche in Straßburg zuständig ist. Voraussetzung der Teilnahme am Wettbewerb ist, daß die jeweilige Mannschaft entweder in der Eigenschaft als Beschwerdeführer oder als Staatenvertreter einen anwaltlichen Schriftsatz zu einem fiktiven Fall anfertigt und diese Rechtsposition bei den mündlichen Plädoyers gegenüber den gegnerischen Teams verteidigt.

Der diesjährige Sachverhalt war in besonderem Maße durch seinen aktuellen Bezug gekennzeichnet. Er betraf neben klassischen Problemen aus dem Bereich der EMRK, wie z.B. den Schranken der Pressefreiheit oder der Auslegung des Folterverbots, die kontrovers diskutierte Frage nach den Grenzen der Wissenschaftsfreiheit und der Patentierung von Rechten auf dem Gebiet der Genforschung. Das Heidelberger Team vertrat die Rechtsposition verschiedener Beschwerdeführer, die sich im Zusammenhang mit einer unversitär durchgeführten Forschung über das Gen zum Alkoholismus einer nationalen Minderheit in ihren Rechten verletzt sahen. Eine Angehörige der Minderheit, die selbst Opfer der Untersuchung war, rügte die Unzulässigkeit der Forschung als solche. Ein Universitätsangehöriger, der sich dem Forschungsvorhaben widersetzte, fürchtete um seine Reputation als Wissenschaftler. Ferner versuchte ein Journalist, der wegen seiner kritischen Äußerungen zu dem Projekt strafrechtlich belangt worden war, seiner Verurteilung unter Berufung auf die Presse- und Meinungsfreiheit entgegenzuwirken.

Von Dezember bis Ende Februar bereitete die Heidelberger Mannschaft die in Französisch abgefaßten Schriftsätze vor. Dies bedeutete wie jedes Jahr: Einschlägige Normen innerhalb und außerhalb der Konvention auszulegen und anzuwenden, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu analysieren, die Praxis des Europarats zu verfolgen und eine Argumentations-strategie zu entwickeln. Nach Ablieferung der Schriftsätze in Straßburg wurden die Plädoyers am Institut mit der Hilfe zahlreicher Mitarbeiter eingeübt, die sich freiwillig als Proberichter zur Verfügung stellten und nicht nur die fachlichen, sondern auch die schauspielerischen und sprachlichen Fertigkeiten des Teams trainierten.

An dem Wettbewerb nahmen insgesamt 61 Mannschaften teil. Rund ein Drittel davon kamen aus Frankreich. Darüber hinaus beteiligten sich wie bereits in den vorherigen Jahren ebenso Universitäten aus den USA, Afrika und Südamerika an dem Concours, was deutlich macht, daß der Wirkungskreis der Konvention über den rein europäischen Kontext hinausgeht. Aus Deutschland waren neben dem Heidelberger Team Mannschaften aus Bonn, Gießen und Würzburg vertreten. Der mündliche Teil des Verfahrens wurde vom 9. bis zum 14. April 2001 im Gebäude des Europarats ausgetragen. Für das Heidelberger Team plädierten Ann-Francoise Versele und Sebastian Langendorf. Leopold Schellekens trat als "conseiller juridique" an. Gegner waren zunächst die Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne), danach ein unbekannteres Team aus Rumänien. In der Gesamtwertung belegte die Heidelberger Mannschaft nach den Plädoyers den 17. Platz. Das Finale bestritten Bonn (als beste Bescherdeführer) gegen Genf (als beste Staatenvertreter), wobei das deutsche Team den ersten Platz gewann.

Auch wenn die Preise dieses Mal nicht nach Heidelberg gingen, hat sich die Teilnahme am Wettbewerb und die damit verbundene Arbeitsbelastung für alle Beteiligten ausgezahlt. Die einzelnen Mitglieder des Teams haben nicht nur zusätzliche Rechtskenntnisse gewonnen, sondern ebenso ihre rhetorischen Fähigkeiten geschult und Teamgeist entwickelt. Ferner wurden ihre Aufwendungen und Mühen nicht nur durch eine schöne Woche in Straßburg, sondern auch durch eine Reportage im Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung entlohnt.