Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv 2001

Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001


IX. Aktivitäten im Wissenstransfer

A. Schutz und Nutzung der biologischen Vielfalt - Forschungsvorhaben im Förderschwerpunkt "terrestrische Biodiversität" im Kontext der Forschungen zum globalen Wandel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Im Februar hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Antrag für ein Forschungsvorhaben bewilligt, das gemeinsam vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und dem Max-Planck-Institut beantragt worden ist und durchgeführt wird. Von Seiten des Instituts sind daran Prof. Wolfrum und - nach seinem Ausscheiden aus dem Institut auch weiterhin - Prof. Stoll beteiligt. Das Forschungsvorhaben, über das schon berichtet worden ist, befaßt sich einerseits mit dem Handel mit genetischen Resourcen und untersucht insofern, ob ein solcher Handel zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen könnte. In einem zweiten Teilprojekt geht es demgegenüber um den "Schutz vor Nutzung - Transfermechanismen und - Regelungen für den absoluten Schutz von Flächen".

Das erste Teilprojekt über den Handel mit genetischen Resourcen geht von einem ökonomischen Ansatz aus. Sein Ausgangspunkt liegt darin, daß der Wert der biologischen Vielfalt unter anderem auch in den genetischen Informationen liegt. Sie ist in der klassischen Tier- und Pflanzenzucht schon lange bekannt. Mit der Entwicklung der Biotechnologie gewinnen genetische Informationen aus der Natur aber zunehmend auch in der biotechnologischen und pharmazeutischen Forschung und Entwicklung an Bedeutung. Erste Erfolge haben große Erwartungen im Hinblick auf die Entwicklung neuer Pharmazeutika und den damit verbundenen kommerziellen Gewinnen geweckt. Damit verbindet sich die Hoffnung, daß die Nutzung genetischer Informationen zu einer Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen könnte. Ob dieser Optimismus berechtigt ist, soll in diesem Teilprojekt untersucht werden. Dabei geht es zunächst darum, abzuschätzen, ob es für genetische Ressourcen tatsächlich einen nennenswerten "Markt" gibt, und ob auf dieser Grundlage tatsächlich mit der Zurverfügungsstellung biologischen Materials - genetischer Resourcen - ein Einkommen erzielt werden kann, das einen Anreiz darstellen könnte, entsprechende Flächen und Ökosysteme zu schützen und von einer weniger nachhaltigen und degradierenden Nutzung zu verschonen. Das Teilprojekt soll insbesondere untersuchen, welche Zuordnungen im Sinne von Verfügungsrechten geschaffen werden können und müssen, um diese Vorstellung zu verwirklichen. Der rechtswissenschaftliche Anteil an diesem Teilvorhaben liegt in der Untersuchung der bestehenden Verfügungsrechte und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen solchen Handel mit genetischen Resourcen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene. Außerdem sind in vergleichender Hinsicht mögliche rechtliche Mechanismen und Erfolgsbedingungen aufzuzeigen, die das Entstehen eines solchen Marktes begünstigen und sicherstellen sollen, daß die aus der Zurverfügungstellung biologischen Materials erwirtschafteten Einkommen tatsächlich in die Erhaltung von Ökosystemen und biologischer Vielfalt investiert werden.

Während das Teilprojekt 1 Vorschlägen nach einer marktwirtschaftlichen Ordnung der Bewahrung von biologischer Vielfalt und den damit verbundenen Hoffnungen nachgeht, befaßt sich das Teilprojekt 2 mit dem voraussehbar auf absehbare Zeit weiterhin notwendigen Schutz bestimmter Gebiete und Ökosysteme vor belastender menschlicher Nutzung. Es ist abzusehen, dass die in Teilprojekt 1 näher zu erforschende "marktwirtschaftliche" Regelung der Bewahrung der biologischen Vielfalt durch einen klassischen Gebiets- und Ökosystemschutz ergänzt und entlastet werden muß. Diesem Zweck dienen vielfältige nationale, regionale und internationale Übereinkommen und Regelungen des Natur-, Landschafts- und Gebietschutzes, die auf eine recht lange Geschichte zurückblicken können. Dieses gewachsene, heterogene System läßt in seiner historischen Schichtung verschiedene Verständnisse des Gebietschutzes, insbesondere landschaftspflegerische, artenbezogene und kulturelle Zielsetzungen erkennen und sieht eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente und Institutionen vor. Es ist erkennbar weithin zunächst von einzelstaatlichen Interessen am Schutz eigener Gebiete ausgegangen. Die vielfältigen internationalen Abkommen dienen demgemäss zunächst der Regelung des wachsenden grenzüberschreitenden Koordinierungsbedarfs. Das Ziel eines Schutzes der Biodiversität im Interesse der gesamten Staatengemeinschaft mit den Mitteln des Gebietschutzes stellt demgegenüber andere und höhere Anforderungen. Es muss sich zunächst am Ziel des Schutzes der Biodiversität orientieren und in diesem Sinne rationale Prioritäten setzen. Es sind darüber hinaus Maßnahmen zu entwickeln, umsetzen und zu überwachen, die gewährleisten können, dass im Interesse der Staatengemeinschaft Schutz und damit Verzicht auf Nutzung auch in Fällen organisiert werden kann, in denen die betroffenen Staaten selbst kaum ein Interesse an dem Schutz haben oder auf die Nutzung des Gebietes aus wirtschaftlichen Gründen nicht ohne weiteres verzichten wollen oder können.

Mit diesem Anforderungsprofil ändert sich auch die Perspektive: Neben dem Systemzusammenhang des Gebietschutzes in seiner herkömmlichen Eingrenzung sind Finanzierungsmechanismen zu betrachten, die zum Teil einen biodiversitätsbezogenen Gebietsschutz ermöglichen können oder aber für diese Zwecke in Betracht kommen. Dazu zählen sogenannte "Debt for nature-swaps" und die Finanzierungsmöglichkeiten der Weltbank im internationalen Umweltschutz. Daneben werden zunehmend auch sogenannte "transferable development rights" diskutiert. Dieses Konzept sieht einen grenzüberschreitenden Handel von Nutzungsrechten in biodiversitätsreichen Gebieten vor. In diesem Teilprojekt liegt die Verantwortung für die Entwicklung von Forschungsansätzen bei den Rechtswissenschaften und damit bei dem Max-Planck-Institut und damit in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl von Prof. Stoll am Institut für Völkerrecht in Göttingen. Nach dem bisher erarbeiteten Forschungskonzept sollen dabei zunächst die vorhandenen rechtlichen Regelungen systematisiert werden, wobei die besonderen konzeptionellen Anforderungen eines globalen Biodiversitätsschutzes als Maßstab dienen. Davon ausgehend ist eine Defizitanalyse vorgesehen, an die sich eine Diskussion der verschiedenen möglichen neuen Instrumente und Transfermechanismen anschließt. Die damit zu entwickelnden analytischen Ansätze und Mechanismen haben über den Bereich des internationalen Biodiversitätsschutzes hinaus Bedeutung für die Forschung im internationalen Umweltrecht.