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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001


IX. Aktivitäten im Wissenstransfer

C. Teilnahme am Vierten Treffen von Regierungsexperten zur Ausarbeitung einer Konvention zum Schutz des Unterwasser-kulturerbes im Rahmen der UNESCO

Die 31. Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization - UNESCO) hat Anfang November mit den Stimmen von 94 Mitgliedstaaten der Organisation bei fünf Gegenstimmen und 15 Enthaltungen die UNESCO Konvention zum Schutz des Unterwasser-kulturerbes (UNESCO Convention on the Protection of the Underwater Cultural Heritage) angenommen. Der Text des Übereinkommens war zuvor im Verlaufe von insgesamt vier Treffen von Regierungsexperten, beginnend im Jahre 1998, ausgearbeitet und am 7. Juli von 49 Staaten bei vier Gegenstimmen und acht Enthaltungen gebilligt und an die Generalkonferenz der UNESCO weitergeleitet worden.

Auf Anfrage des Auswärtigen Amtes hat Ref. Rau als Rechtsberater der deutschen Delegation vom 26. März bis zum 6. April sowie vom 3. bis zum 7. Juli an den beiden Sitzungen des Vierten Treffens von Regierungsexperten zur Ausarbeitung des Konventionsentwurfes teilgenommen.

Mit dem Übereinkommen wird eine Lücke im völkerrechtlichen Kulturgüterschutz geschlossen. Zwar sind die bislang existierenden allgemeinen kulturgüterschutzrechtlichen Abkommen grundsätzlich auch auf unterseeisches Kulturerbe anwendbar; doch ist ihre territoriale Reichweite regelmäßig auf das Küstenmeer begrenzt. Das Seevölkerrecht, wie es im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) kodifiziert ist, hilft nur bedingt weiter: Sieht Art. 303 Abs. 2 SRÜ noch gewisse küstenstaatliche Kompetenzen zum Schutz im Meer gefundener Gegenstände archäologischer oder historischer Art in der 24sm-Anschlusszone vor, so gilt jenseits der Anschlusszone in Bezug auf submarines Kulturgut der Grundsatz "freedom of fishing".

Der Begriff des Unterwasserkulturerbes ("underwater cultural heritage") wird in dem Übereinkommen der UNESCO definiert als "all traces of human existence having a cultural, historical or archaeological character which have been partially or totally underwater, periodically or continuously, for at least 100 years" (Art. 1 Abs. 1 lit. a). Unterseeisches Kulturgut in diesem Sinne soll nach Art. 2 Abs. 3 des Übereinkommens zum Nutzen der gesamten Menschheit bewahrt werden, wobei der in situ-Schutz Vorrang genießt (Art. 2 Abs. 5). Ausgeschlossen ist nach Art. 2 Abs. 7 die wirtschaftliche Ausbeutung submarinen Kulturgutes. Als bedeutender Fortschritt gegenüber der bestehenden Rechtslage ist der in Art. 4 vorgesehene grundsätzliche Ausschluss der Anwendbarkeit des Bergungs- und Fundrechts zu werten.

Besondere Schwierigkeiten bereitete während der Ausarbeitung des Konventionstextes die Ausgestaltung des Schutzmechanismuses in der AWZ und auf dem Festlandsockel. Hintergrund hierfür war der Umstand, daß es sich bei der AWZ und dem Festlandsockel nicht um der küstenstaatlichen Souveränität unterliegende Gebiete handelt, sondern die Küstenstaaten hier nach Teil V und VI SRÜ jeweils nur über funktional begrenzte Rechte und Hoheitsbefugnisse verfügen. Aus Sorge vor einer "creeping jurisdiction" im Zuge der Zuweisung weiterer unilateraler Handlungsbefugnisse an die Küstenstaaten plädierten zahlreiche Delegationen - unter ihnen auch die deutsche - für ein umfassendes Konsultations- und Kooperationsverfahren zwischen den Vertragsparteien bezüglich des Schutzes von Unterwasserkulturgut in der AWZ und auf dem Festlandsockel. Mit dieser Forderung haben sich diese Delegationen im Grundsatz durchsetzen können (vgl. Art. 10 Abs. 3). Einseitige Handlungsbefugnisse der Küstenstaaten zum Schutz submarinen Kulturerbes in der AWZ und auf dem Festlandsockel sieht das Übereinkommen allerdings bei Gefahr im Verzug (Art. 10 Abs. 4) sowie bei einer möglichen Beeinträchtigung küstensstaatlicher Rechte nach Teil V und VI SRÜ vor (Art. 10 Abs. 2).

Ein weiteres Kernproblem stellte die Frage dar, ob gesunkene Kriegs- und Staatsschiffe in den allgemeinen Konventionsschutz miteinbezogen werden sollten oder ob für sie Sonderregelungen getroffen werden müssten. Dem Streit zu Grunde lagen divergierende Vorstellungen darüber, ob und, wenn ja, wie lange gesunkene Staatsgefährte Immunität genießen. Mangels Konsenses zwischen den verhandelnden Delegationen hinsichtlich dieser Frage konnte in Art. 2 Abs. 8 des Übereinkommens nun lediglich festgeschrieben werden, daß die geltenden Bestimmungen des Völkerrechts über die Immunität von Kriegs- und Staatsschiffen durch das Übereinkommen grundsätzlich unberührt bleiben. Weitere Vorschriften hinsichtlich des Schutzes gesunkener Staatsgefährte finden sich in Art. 7 Abs. 3, 10 Abs. 7 und 12 Abs. 7.

Im Hinblick auf den Mechanismus der friedlichen Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien ist es gelungen, sich durch einen Verweis auf Teil XV SRÜ des Streitschlichtungsinstrumentariums des Seerechtsübereinkommens zu bedienen (vgl. Art. 25). Staaten, die eine Erklärung nach Art. 287 Abs. 1 SRÜ abgegeben haben, sind dabei grundsätzlich an diese gebunden, es sei denn, daß sie sich für Streitigkeiten nach dem UNESCO Übereinkommen durch eine weitere Erklärung für eine der anderen in Art. 287 Abs. 1 SRÜ genannten Möglichkeiten entscheiden. Keine Einigung konnte hingegen darüber getroffen werden, ob auch im Rahmen künftiger bilateraler, regionaler oder anderer multilateraler Abkommen i.S.v. Art. 6 des Übereinkommens das Streitbeilegungsverfahren des Art. 25 gelten soll.

Trotz mancher Schwachpunkte, die weitestgehend von dem Kompromißcharakter, den das Übereinkommen aufweist, rühren, handelt es insgesamt um einen wichtigen Beitrag zum völkerrechtlichen Kulturgüterschutz. Es ist zu hoffen, daß auf absehbare Zeit die notwendige Zahl von 20 Ratifikationen zustande kommt, damit das Übereinkommen möglichst rasch in Kraft treten kann.

Eine Bewertung der Konvention erfolgt in der ZaöRV.