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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001


X. Symposien und Tagungen

B. Workshop "Regulierung der internationalen Finanzmärkte und des freien Kapitalverkehrs - Strategien und Perspektiven"

Die Regulierung internationaler Finanzmärkte als Regelungsthema des Völkerrechts war der Gegenstand eines Workshops, den Prof. Marauhn und Dr. Grote im Januar in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie Loccum veranstaltet haben. Ziel des Workshops war es, in der Form eines interdisziplinären und internationalen Expertenkolloquiums den ordnungspolitischen und rechtlichen Rahmen der Entwicklung der globalen Finanzbeziehungen zu diskutieren. Im interdisziplinären Diskurs sollten Vertreter unterschiedlicher Fachgebiete (Politik-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften) sowie Praktiker des Marktgeschehens und der Regulierung zusammengeführt werden, um sowohl die rechtliche als auch die politische Dimension der Ordnungs- und Steuerungsproblematik der internationalen Finanzmärkte auszuloten.

Am Anfang des Workshops standen gleichsam kontrapunktisch wirtschaftshistorische Ausführungen und aktuelle volkswirtschaftlichen Überlegungen. Bei allen Unterschieden im Detail bestand Übereinstimmung darin, daß es sich bei der Frage "Liberalisierung oder Regulierung?" um eine Scheindiskussion handelt. Vielmehr gehe es darum, das richtige Maß des Regulierungsbedarfs zu bestimmen und die richtige Regelungsebene sowie die geeigneten Instrumente für die in einer konkreten Phase der internationalen Finanzbeziehungen als notwendig erachtete Regulierungsdichte zu identifizieren. Die Trennlinie verläuft hier vor allem zwischen den Ansätzen, die eine indirekte Regulierung bevorzugen, und solchen Konzepten, die unter Inanspruchnahme klassischer Interventionsmechanismen unmittelbare Eingriffe in das Finanzmarktgeschehen vorsehen.

Geht man zunächst davon aus, daß der erste ordnungspolitische Zugriff auf die internationalen Finanzmärkte auf nationaler Ebene erfolgt, so stellt sich die Frage nach nationalen Regulierungsstrategien in Anbetracht zunehmender Kapitalmobilität. Diese Strategien wurden auf der Grundlage von Landesberichten zur Rechtslage in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, in der Schweiz und in Deutschland diskutiert. Als Ergebnis dieser nationalen Bestandsaufnahmen kann festgehalten werden, daß sich Regulierung auf nationaler Ebene durchaus als sinnvoll erweist. Sie muß allerdings regional und international eingebunden werden. Auf nationaler Ebene läßt sich eine Tendenz zur Kooperation und möglicherweise Verschmelzung von Aufsichts- und Regulierungszuständigkeiten erkennen. Außerdem fällt auf, daß die nationalen Aufsichtsbehörden zunehmend international agieren. Dazu trägt nicht zuletzt die Kooperation in Gremien wie dem Baseler Ausschuß bei.

In bezug auf internationale Steuerungsversuche bietet sich eine Analyse der Leistungsfähigkeit der GATS-Mechanismen als Ordnungsrahmen für Finanzdienstleistungen an. Daneben spielen aber auch IWF und Weltbank eine zunehmend wichtige Rolle bei allen Bemühungen zur Schaffung eines internationalen Ordnungsrahmens für die internationalen Finanzbeziehungen. Die Untersuchung dieser Regulierungsansätze läßt erkennen, daß es zwar bereits eine Vielzahl unterschiedlich strukturierter Akteure gibt, die in der einen oder anderen Weise zur Schaffung oder Aufrechterhaltung eines Ordnungsrahmens für die internationalen Finanzbeziehungen beitragen, daß aber weder die Inhalte der von ihnen verfolgten Konzepte, noch die von ihnen zum Einsatz gebrachten Handlungsinstrumente ausreichend aufeinander abgestimmt sind.

Neben den auf der internationalen Ebene zu beobachtenden Kooperationsbemühungen haben sich insbesondere im letzten Jahrzehnt Ansätze zu einer verstärkten Zusammenarbeit im regionalen Bereich herausgebildet. Dies betrifft vor allem die von der Asienkrise in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre betroffenen Staaten in Ost- und Südostasien sowie die Europäische Union, die mit der Einführung der gemeinsamen Währung den ersten großen regionalen Währungsblock in der Welt geschaffen hat. Dabei ist festzuhalten, daß die Bemühungen um die Schaffung regionaler Finanzregime erst während des letzten Jahrzehnts das Stadium der praktischen politischen Diskussion erreicht haben. Selbst in der Europäischen Union, in der mit der Kapitalverkehrsfreiheit bereits seit Ende der 1950er Jahre theoretisch ein Ansatzpunkt für die Entwicklung eines solchen Regimes vorhanden gewesen wäre, sind entsprechende Bestrebungen erst mit dem Maastrichter Vertrag wirklich relevant geworden. Dementsprechend befinden sich die regionalen Kooperationsmechanismen sowohl inhaltlich als auch institutionell noch in der Aufbau- und Experimentierphase.

Die Tagung zeigte insgesamt eine Fülle von Lösungsvorschlägen für die im Verlauf des Kolloquiums behandelten Probleme auf verschiedenen Ebenen (national, regional und international) auf. Bei der Umsetzung und Einordnung dieser primär in der ökonomischen Diskussion entwickelten Ansätze in rechtliche Kategorien wird sich die künftige völkerrechtliche Forschung in diesem Bereich zu bewähren haben.