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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


II. Abgeschlossene Forschungsvorhaben

E. Internationales Wirtschafts- und Umweltrecht

1. Conflicts in International Environmental Law (Gutachten)

Der Schlussbericht des von Prof. Wolfrum und von Frau Nele Matz für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) durchgeführten Forschungsvorhabens wurde in den Beiträgen zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (Band 164) veröffentlicht.

Die Untersuchung gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile: einen rechtsempirischen ersten Teil und einen rechtstheoretischen, zugleich jedoch lösungsorientierten zweiten Teil. Der umfangreichere erste Teil des Gutachtens befaßt sich mit der Identifikation und der Systematisierung von rechtlichen Konflikten zwischen multilateralen Umweltabkommen. In diesem Zusammenhang werden zunächst verschiedene Konfliktkategorien entwickelt. Nach diesem Kategorisierungsansatz handelt es sich keineswegs nur dann um Konflikte zwischen Abkommen, wenn deren Bestimmungen inkompatibel sind. Vielmehr können Konflikte im weiteren Sinne auch zwischen Vertragszielen, den zu Grunde liegenden Prinzipien oder auch erst bei der Implementierung von vertraglichen Regelungen entstehen. Auf der Basis der erarbeiteten Kategorisierung wird im Fortgang der Untersuchung die Identifikation von Überschneidungen und Divergenzen zwischen verschiedenen umweltvölkerrechtlichen Verträgen vorgenommen.

Die Ausführungen konzentrieren sich auf verschiedene Teilbereiche des Umweltvölkerrechts, in denen Konfliktsituationen besonders deutlich zu Tage treten und die dementsprechenden Handlungsbedarf auf politischer Ebene begründen. Es sind dies die Komplexe Seerecht und Schutz biologischer Vielfalt; Seerecht und Regelungen für Polarregionen; Naturschutz und Schutz biologischer Vielfalt; Schutz biologischer Vielfalt, Klimaschutz und Schutz gegen Wüstenbildung und die verschiedenen Regelungen zur Abfallbeseitigung, gerade auch im seerechtlichen Bereich, in ihrem Verhältnis zueinander. Insbesondere der letztgenannte Komplex hat gezeigt, daß die Regelungen einerseits in starkem Umfang divergieren können, daß es andererseits in diesem Bereich durchaus Belege dafür gibt, daß eine Harmonisierung der unterschiedlichen Verpflichtungen möglich ist.

Der zweite Teil des Gutachtens beschäftigt sich mit Ansätzen, Konflikte im Umweltvölkerrecht zu vermeiden und verschiedene divergierende völkerrechtliche Regelungen miteinander in Einklang zu bringen. Dabei ist zwischen Derogationsregeln einerseits und solchen Mechanismen, die eine inhaltliche Koordinierung von Verträgen anstreben, andererseits zu unterscheiden. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß ein geeignetes völkerrechtliches Instrumentarium zur Auflösung der angesprochenen rechtlichen Konflikte letztlich nicht existiert. In Teil II der Untersuchung wird zunächst versucht, die Wiener Vertragsrechtskonvention und allgemeine Derogationsregeln wie beispielsweise die lex posterior Regel für die Konfliktlösung nutzbar zu machen. Weder die lex specialis Regel noch die lex posterior Regel bieten allerdings einen befriedigenden Ansatz zur Bewältigung von Konflikten, der in allen Fällen greift. Generell zielen völkervertragsrechtliche Regelungen zumeist auf Derogation ab und bieten mit Ausnahme einer möglichen harmonisierenden Auslegung keinen Ansatz für einen inhaltlichen Ausgleich widersprüchlicher Abkommen unter größtmöglicher Beibehaltung ihres materiellen Regelungsgehalts. Eine harmonisierende Auslegung stößt ihrerseits dort an ihre Grenzen, wo die inhaltliche Änderung von Vertragsbestimmungen gefordert ist, um divergierende Regelungen miteinander in Einklang zu bringen, da eine solche Vorgehensweise, die die festgelegten Vertragsänderungsverfahren umgeht, von Sinn und Zweck und rechtlicher Reichweite der Vertragsauslegung nicht gedeckt ist.

Ergiebiger als die allgemeinen völkervertragsrechtlichen Instrumente, wenn auch nicht im Sinne eines abschließenden Lösungsansatzes, sind die Konkordanzklauseln in den verschiedenen Umweltabkommen, über die versucht wird, deren Regelungsbereiche gegeneinander abzugrenzen. Der Nachteil dieser Regelungen liegt in ihrem Ausschließlichkeitscharakter. Im Grundsatz beruhen auch Konkurrenzklauseln eher auf dem Prinzip der Derogation als auf einem inhaltlichen Ausgleich divergierender Bestimmungen. Flexibler sind Absprachen zwischen den jeweiligen Vertragsrechtsgremien über eine Harmonisierung von Regelungen zu Lebenssachverhalten, die von beiden oder mehreren Vertragssystemen erfaßt wurden. Die Beispiele für eine Verwirklichung dieses innovativen Ansatzes sind bislang eher gering.

De lege ferenda gibt es die Überlegung, internationale Institutionen bzw. Foren mit der Harmonisierung internationaler Umweltabkommen zu betrauen. Auch hierauf geht das Gutachten unter besonderer Berücksichtigung einer potentiellen Rolle UNEPs ein, obwohl sich entsprechende Überlegungen noch in einem Vorstadium der Entwicklung und tatsächlichen Nutzbarmachung für die Konfliktlösung befinden.