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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


II. Abgeschlossene Forschungsvorhaben

E. Internationales Wirtschafts- und Umweltrecht

2. Traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zwischen geistigem Eigentum und "Public Domain" (Dissertation)

In der in den Beiträgen zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht erscheinenden Dissertation von Anja von Hahn wird untersucht, inwieweit traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften schutzwürdig ist bzw. schutzwürdig gemacht werden könnte. Traditionelles Wissen findet seit einiger Zeit zunehmende Beachtung; Überlegungen zu einem Schutz von traditionellem Wissen haben dabei zeitgleich mit dem Interesse an seiner Nutzung eingesetzt. Traditionelles Wissen ist beispielsweise für die pharmazeutische Industrie von Bedeutung, die sich mit Hilfe dieses Wissens Hinweise auf neue Wirkstoffe und Heilmethoden erhofft. Während auf seiten der Pharmaunternehmen am Ende eines Innovationsprozesses unter Umständen beträchtliche Gewinne stehen, gehen indigene und lokale Gemeinschaften, die am Anfang des Innovationsprozesses möglicherweise entscheidende Hinweise geliefert haben, in der Regel leer aus. Die aus neuen, patentgeschützten Produkten erzielten Gewinne fließen nicht an die betreffenden Gemeinschaften zurück.

Seit fast einem Jahrzehnt wird eine teilweise hitzige, politische Diskussion darüber geführt, wie diesem Umstand abzuhelfen ist. Indigene und lokale Gemeinschaften sollen an Gewinnen beteiligt werden; sie sollen die Kontrolle über ihr Wissen derart ausüben können, daß Außenstehende sich nicht ungehindert des Wissens bedienen und es für eigene Zwecke ohne Zustimmung der betreffenden Gemeinschaften nutzen können. In diesem Zusammenhang werden unterschiedliche Forderungen erhoben, die von dem Schutz traditionellen Wissens durch geistige Eigentumsrechte bis hin zur Schaffung neuer, eigener Rechte explizit für indigene und lokale Gemeinschaften an ihrem Wissen reichen. Forderungen für den Schutz von traditionellem Wissen werden sowohl von umweltrechtlichen, als auch von menschenrechtlichen Vorgaben geleitet.

Ziel der Untersuchung ist es, diese Diskussion zu systematisieren und einzelne Ansätze zum Schutz traditionellen Wissens zu überprüfen. Weitreichendsten Schutz würde traditionelles Wissen durch absolute Rechte erfahren: Der Schutz z.B. durch Patente oder Sortenschutzrechte würde absolut wirken und damit die Nutzung von traditionellem Wissen jedermann untersagen. Indigene und lokale Gemeinschaften könnten folglich bestimmen, wer zu welchen Bedingungen Zugang zu ihrem Wissen erhält und zu welchen Zwecken es genutzt werden darf. Die Arbeit zeigt jedoch, daß sich traditionelles Wissen nicht sinnvoll in das existierende Recht des geistigen Eigentums eingliedern läßt.

Indigene und lokale Gemeinschaften könnten statt durch geistige Eigentumsrechte durch - bloß relativ wirkende - vertragliche Rechte einen gewissen Schutz ihres Wissens realisieren. Verträge sind denkbar zwischen indigenen und lokalen Gemeinschaften auf der einen und Unternehmen der Pharma- oder Agrarindustrie bzw. Forschungseinrichtungen als Nutzungsinteressenten traditionellen Wissens auf der anderen Seite. Es existieren teilweise gesetzliche Regelungen auf nationaler und regionaler Ebene sowie internationale unverbindliche Verhaltensstandards, die jedoch bisher keine effektiven Schutzmöglichkeiten für traditionelles Wissen bieten.

Schließlich wird der Frage nachgegangen, inwieweit indigene und lokale Gemeinschaften gegen geistige Eigentumsrechte Dritter vorgehen können, denen traditionelles Wissen zugrunde liegt. Die grundsätzlich gegebenen Möglichkeiten zur Korrektur solcher geistiger Eigentumsrechte bieten jedoch keinen direkten Schutz für traditionelles Wissen.

Die Arbeit zeigt, daß derzeit im Wesentlichen keine Schutzmöglichkeiten für traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften gegeben sind. Abschließend wird daher untersucht, wie ein gewisser Schutz von traditionellem Wissen grundsätzlich erreicht werden könnte. Zunächst wird geprüft, ob und wie ein Schutz durch absolute Rechte verwirklicht werden könnte. Anschließend werden Möglichkeiten der Verbesserung des Schutzes durch vertragliche Rechte untersucht. Schließlich wird dargestellt, was für Möglichkeiten bestehen, die Situation indigener und lokaler Gemeinschaften zu verbessern, ohne ein konkretes Recht an traditionellem Wissen zu schaffen. Damit werden grundsätzliche Optionen für den Schutz von traditionellem Wissen aufgeführt und untersucht, welche bei der Entwicklung eines sui generis-Schutzkonzepts zugrunde gelegt werden können.