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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


II. Abgeschlossene Forschungsvorhaben

G. Europarecht

1. Europäisches Verfassungsrecht

Im Frühjahr 2003 ist ein von Prof. von Bogdandy herausgegebener Band mit dem Titel "Europäisches Verfassungsrecht: Theoretische und dogmatische Grundzüge" (Springer-Verlag, 978 Seiten) erschienen. Die Veröffentlichung schließt die erste Phase eines vom Herausgeber geleiteten Forschungsprojekts ab, in dem vorwiegend Vertreter der jüngeren Generation des deutschsprachigen Europarechts ihre Bemühungen um die Disziplin des Europäischen Verfassungsrechts zusammenführen.

Die wissenschaftliche Durchdringung und rechtliche Verfestigung des Primärrechts der Europäischen Union sind an einem Punkt angelangt, der es erlaubt, dieses als Verfassungsrecht und als Teilverfassung im europäischen Verfassungsraum vorzustellen. Der theoretische und dogmatische Anschluß an die im staatlichen Bereich entwickelten Verfassungsrechtslehren erweist sich als erkenntnisstiftend. Es ist Verfassungsrecht denkbar ohne Staat, Nation und ohne einen Gründungsakt, der sämtlichen Anforderungen der Theorie der verfassunggebenden Gewalt genügt. Denn immerhin begründet das Primärrecht Hoheitsgewalt, legitimiert Unionsakte, schafft eine Unionsbürgerschaft, gewährt Grundrechte, regelt das Verhältnis der Rechtsordnungen, von Hoheitsgewalt und Wirtschaft, von Recht und Politik. Seine Rekonstruktion als Verfassungsrecht führt zu fruchtbaren Antworten auf viele theoretische und praktische Fragen. Sie entscheidet nicht über seine Bewertung - vielmehr werden Errungenschaften und Defizite deutlich.

Der erste, systematisch gegliederte Teil des Bandes präsentiert theoretische und dogmatische Grundzüge des Europäischen Verfassungsrechts. Insgesamt siebzehn Einzelbeiträge reflektieren den Stand der Forschung, verdeutlichen methodische Zugänge, klären Wissenschaftsverständnisse und bezeichnen weitere mögliche Forschungsfelder. Sie sind Frucht eines gemeinsamen Erkenntnisprozesses von über anderthalb Jahren, drei Tagungen und zahlreichen bilateralen Abstimmungen, welche durch eine großzügige Unterstützung der Fritz-Thyssen-Stiftung ermöglicht wurde. Die Gesamteinschätzungen im zweiten Teil sind das Werk von Persönlichkeiten, die als Wissenschaftler und Richter in höchsten Positionen den Gang der Integration selbst begleitet und geprägt haben.

Dieser Band führt Autoren unterschiedlicher methodischer und integrationspolitischer Verständnisse zusammen; sie eint das Anliegen, die im verfassungsstaatlichen Bereich verwirklichten demokratischen und rechtsstaatlichen Standards in der Union zu wahren und darüber hinaus fortzuentwickeln.

Eine im Februar 2003 am Max-Planck-Institut durchgeführte Tagung leitete die zweite Phase des Forschungsprojekts ein, die im Jahr 2004 mit der Herausgabe eines vergleichbaren Bandes - unter Hinzuziehung der jüngsten Entwicklungen im Rahmen des Europäischen Konvents - in englischer Sprache abgeschlossen werden wird (s. unter XI. B.).