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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


X. Aktivitäten im Wissenstransfer

A. Sudan Peace Project - Vom Bürgerkriegsland zum Verfassungsstaat

Wie bereits im Jahresbericht 2002 angekündigt, ist für dieses Jahr die Fortsetzung des Heidelberg Dialogue geplant, um den Verfassungsentwurf von November/Dezember 2002 zu vervollständigen. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß zunächst die noch offenen politischen Streitpunkte zwischen den Parteien durch einen abschließenden Friedensvertrag geklärt werden. Die Verhandlungen über die zentralen Streitpunkte - die Sicherheitsarchitektur, die Struktur der Regierungsinstitutionen und die Nutzung der natürlichen Ressourcen des Sudan - verliefen in 2003 jedoch sehr schleppend und brachen mehrfach wegen scheinbar unüberbrückbarer Differenzen auseinander. Erst als im September 2003 Verhandlungen auf höchster Ebene eingeleitet wurden kam es zu Fortschritten, die inzwischen zu einem Übereinkommen über den wohl sensibelsten Streitpunkt - die Fragen der Sicherheit und des Militärs - geführt haben. Nach diesem wichtigen Erfolg sollen die Verhandlungen im Oktober 2003 zu den verbleibenden Fragen der Macht- und Ressourcenteilung auf höchster Ebene fortgesetzt werden. Der Abschluß eines Friedensvertrages mit Regelungen aller wesentlichen Fragen erscheint danach noch im Lauf des Jahres möglich, wenn die Wahrscheinlichkeiten auch eher auf Anfang 2004 deuten. Sobald ein solcher Vertrag vorliegt kann und soll der Heidelberg Dialogue wieder aufgenommen und der Verfassungsentwurf, das Draft Legal and Constitutional Framework for the Interim Period, vollendet werden.

Beide Seiten signalisierten dem Projektkoordinator, Dr. Jaeger, anläßlich mehrerer Besuche im Sudan, in Nairobi und in Addis Abeba, daß der Heidelberg Dialogue und der daraus hervorgegangen Verfassungsentwurf im Sudan als sehr erfolgreich und wertvoll angesehen werden. Der Entwurf hat zudem durch die Parteien sowohl im Norden als auch im Süden des Sudan erhebliche Verbreitung erfahren und ist nicht nur Regierungsvertretern, sondern auch der politischen Opposition, Vertretern der Zivilgesellschaft und externen Beobachtern bekannt geworden. Auch von diesen Seiten scheint er durchweg gut aufgenommen worden zu sein; selbst eine teilweise Übersetzung in das Arabische hat er erfahren. Die Parteien machten deutlich, daß sie in jedem Fall eine Fortsetzung wollen und die Vollendung des Entwurfs anstreben, sobald ein politisches Abkommen da ist, denn sie streben es an, den Entwurf zur Grundlage der Arbeiten der sudanesischen Verfassungsreformkommission machen. Am Institut werden die Vorbereitungen für die Fortführung des Heidelberg Dialogue bereits getroffen.

Zur Abstützung dieses Demokratisierungs- und Konstitutionalisierungsprozesses hat das Institut inzwischen die Vorbereitung für ein zweites Vorhaben aufgenommen, das aus drei Elementen bestehen soll: eine Serie von verfassungsrechtlichen Workshops für künftige sudanesische Verfassungsrichter, die allgemeine Richterschaft und die Spitzen der künftigen Human Rights Commission und des Public Grievances Boards; die Überprüfung der nord- und südsudanesischen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der neuen Verfassung und völkerrechtlichen Verträgen, vor allem im Bereich der Menschenrechte; die Entwicklung einer kompatiblen Gerichtsstruktur im Norden und Süden des Sudan. Dieses Projekt soll sicher stellen, daß die künftige Verfassung durch geschultes Personal, kompatibles Recht und angepaßte Strukturen zu einem lebenden Dokument wird, das die gewünschten Veränderungen im Sudan bringt und hilft, den sicherlich fragilen Frieden zu garantieren. Mit der Genehmigung dieses Vorhabens durch die Europäische Kommission und das Auswärtige Amt wird in Kürze gerechnet, da von beiden Seiten ein starkes Interesse an einem weiteren Engagement des Instituts im sudanesischen Konstitutionalisierungsprozeß signalisiert wurde.

Im Hinblick auf die Kompatibilität der Justizstrukturen nahmen Dr. Jaeger und der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut Ziegler im September 2003 an einem Workshop in Rumbek (Südsudan) über den südsudanesischen Justiz- und Sicherheitssektor teil. Neben einer näheren Analyse des status quo und der Bedürfnisse dieses Sektors wurden dabei auch die Vorstellungen und Perspektiven der südsudanesischen Vertreter sowie internationaler Hilfsorganisationen für diesen Sektor deutlich. Dabei kristallisierte sich ein integrierter Ansatz zur Entwicklung des Justizbereichs im Südsudan heraus, bei dem sich nicht nur die südsudanesischen Vertreter, sondern auch die Hilfsorganisationen eine verstärkte Partnerschaft mit dem Institut wünschen.

Deutlich wurde bei den Gesprächen auf dieser Reise, die auch über Khartoum und Nairobi führte, daß das Institut aufgrund seiner Arbeit im Konstitutionalisierungsprozeß inzwischen erhebliches Ansehen genießt und die Parteien sich das Institut als Partner für weitere Schritte wünschen, so etwa für das Ausarbeiten einer (gliedstaatlichen) Verfassung für den Südsudan und für das Erstellen einer Modellverfassung für die Gliedstaaten des nordsudanesischen Landesteils. Auch die Zivilgesellschaft im Süden, die während des Workshops in erstaunlicher Klarheit Forderungen nach Demokratisierung, dem Schutz der Menschenrechte, einer effektive Kontrolle der Regierung und einer wirksamen Gewaltenteilung erhob, signalisierte ein starkes Interesse an einem weiteren Engagement des Instituts in diesem Prozeß.