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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


X. Aktivitäten im Wissenstransfer

F. Konsultativtagung der Antarktisvertragsstaaten in Madrid vom 09. - 20. Juni 2003

Als Rechtsberaterin der deutschen Delegation des Auswärtigen Amtes nahm Dr. Silja Vöneky, in Fortsetzung der Jahre 2001 und 2002, an der Vertragsstaatenkonferenz der Parteien des Antarktisvertrages (ATCM) teil. Die Vertragsstaatenkonferenz der Konsultativparteien findet im Wechsel zwischen den einzelnen Konsultativstaaten statt. Die Konsultativstaaten können dort "Maßnahmen beschließen, durch die die Grundsätze und Ziele des Vertrages gefördert werden". Schwerpunkte der Beratungen waren auch in diesem Jahr, wie schon 2002 in Warschau, die Modalitäten der Errichtung eines Sekretariats (unter (1)) und die Verhandlungen des Haftungsannex zum Umweltprotokoll des Antarktisvertrages (unter (2)).

(1) Nachdem die Vertragsparteien sich bereits im Jahr 1992 darauf geeinigt hatten, ein Sekretariat zu errichten und auf der ATCM 2001 in St. Petersburg Buenos Aires als Sitz des Sekretariats bestimmt worden war, wurden dieses Jahr die in Warschau 2002 begonnenen Verhandlungen über die Modalitäten der Errichtung und die rechtliche Ausgestaltung unter der Leitung von Prof. Francioni aus Italien weitergeführt und erfolgreich zum Abschluß gebracht.

Einigkeit bestand - wie schon in Warschau - in verfahrensrechtlicher Hinsicht darüber, daß das Sekretariat in einem zweistufigen Verfahren errichtet werden soll. D.h. vor seiner endgültigen Errichtung durch eine völkerrechtlich bindende Maßnahme (measure), die von den Vertragsparteien ratifiziert werden muß, soll das Sekretariat in der Zwischenzeit durch sofort wirksame "Entscheidungen" (decisions) der ATCM auf der Grundlage freiwilliger Beiträge errichtet werden.

Einigkeit konnte auch darüber erzielt werden, daß das Sekretariat von einem Exekutivsekretär geleitet werden soll, der von der ATCM gewählt wird, die Budgethoheit aber weiter bei der ATCM verbleibt. Seit den Verhandlungen in Warschau war ebenfalls gesichert, daß das endgültige Budget einen Umfang von ca. 1 Mio. US-Dollar haben wird.

Unbestritten war auch, daß das Sekretariat ein Organ der ATCM ist und jedenfalls nach argentinischem Recht Rechtspersönlichkeit besitzt. Die Ansicht einiger Staaten, die vertraten, daß dem Sekretariat weitere Rechtspersönlichkeit, insbesondere Völkerrechtspersönlichkeit verliehen werden sollte, konnte sich dagegen nicht durchsetzen.

In der sehr umstrittenen Frage der Kostenverteilung zwischen den Konsultativparteien konnte in Madrid ein Kompromiß erzielt werden. Die anfallenden Kosten werden weder - wie von einigen Staaten verteten - allein nach der Finanzkapazität der Länder verteilt, noch - wie von anderen und Deutschland gewollt - nach gleichen Teilen unter den Vertragsstaaten aufgeteilt. Vielmehr werden 50 % der Kosten nach dem Prinzip der "equal shares" verteilt, bei den anderen 50 % der Kosten werden das Ausmaß der Aktivitäten in der Antarktis und die finanziellen Kapazitäten der Staaten berücksichtigt. Nach dieser Aufteilung trifft Deutschland eine jährliche Beitragslast in Höhe von ca. 41.000 US-Dollar.

(2) In bezug auf das Haftungsprotokoll bemühen sich die Vertragsstaaten seit 1992 ihre Pflicht aus Art. 16 des Umweltschutzprotokolls (USP) des Antarktisvertrages zu erfüllen und "Regeln und Verfahren in bezug auf die Haftung für Schäden auszuarbeiten, welche durch Tätigkeiten in der Antarktis entstehen". Da der 1998 von einem Expertengremium vorgelegte Entwurf für einen Haftungsannex am Widerstand der USA scheiterte, wird seit 2001 auf der Grundlage eines neuen Entwurfes der USA vor allem aber auf der Grundlage eines Vorschlages des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Liability (Don Mac Kay, Neuseeland), an einem Annex für die Haftung für das Unterlassen für Gegenmaßnahmen bei Umweltnotfällen gearbeitet.

Diskussionsgrundlage war in Madrid der von dem Vorsitzenden nach dem Treffen in Warschau 2002 weiter überarbeitete Entwurf des Haftungsannex. Kernregelung des Annex bleibt die Haftung für denjenigen Akteur, der verpflichtet gewesen wäre nach einem Umweltnotfall Gegenmaßnahmen zu ergreifen, diese aber unterlassen hat.

Übereinstimmung bestand grundsätzlich darüber, daß der vorliegende Haftungsannex nur eine erster Schritt zur Erfüllung der Pflichten aus Art. 16 des USP sein kann. Umstritten blieb aber die Frage, ob und inwieweit Festlegungen zum weiteren Vorgehen bereits in dem vorliegenden Haftungsannex verankert werden sollen. Mit einer Gruppe gleichgesinnter Staaten (Italien, Schweden, Australien, Niederlande, Finnland, Spanien, Frankreich) vertrat Deutschland in einem Arbeitspapier die Auffassung, daß Verhandlungen, um die Verpflichtungen aus Art. 16 USP zu erfüllen, beginnen müssen, sobald der vorliegende Annex angenommen worden ist. Dies solle durch eine ergänzende Regelung im operativen Teil des Annex erreicht werden. Eine solche Verhandlungspflicht lehnten andere Staaten (insbesondere die USA, aber auch Japan und Russland) als zu weitgehend ab.

Keine Einigung wurde auch über die Frage der Haftung für irreparable Schäden erzielt. Während die USA und Russland eine solche Haftung als zu weitgehend ablehnten, wurde sie von anderen Staaten - wie Frankreich, Spanien, Australien und Deutschland - befürwortet. Deutschland vertrat dabei weitergehend die Ansicht, daß "response action" nicht nur "clean up" Maßnahmen sondern auch "restitution measures" umfassen müssen.

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe plant eine Einigung über den Haftungsannex innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erreichen. Diese Planung erscheint optimistisch, insbesondere auch weil Russland in Madrid in zahlreichen Punkten weitgehend von dem Entwurf abweichende neue Ansichten äußerte. Die Verhandlungen über den Annex sollen auf der ATCM 2004 in Südafrika fortgesetzt werden.