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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2003


X. Aktivitäten im Wissenstransfer

J. Verwaltungsrechtsreform in der Mongolei

Das Institut hat im Berichtszeitraum unter der Leitung von Professor Wolfrum mit der Arbeit an einem Projekt zur Reform des Verwaltungsorganisations- und Verwaltungsverfahrensrechts für die Mongolei begonnen. Das Projekt geht auf ein entsprechendes Ersuchen des mongolischen Parlaments zurück. Das politische und administrative System der Mongolei befindet sich seit Beginn der 90er Jahre in einem tiefgreifenden Wandlungsprozeß. Der mongolische Gesetzgeber hat in den letzten Jahren auf den verschiedenen Rechtsgebieten eine Fülle von Reformgesetzen verabschiedet, deren gemeinsames Ziel es ist, in der Mongolei demokratische und marktwirtschaftliche Strukturen zu etablieren, die universellen Standards entsprechen und es dem Land ermöglichen sollen, im internationalen Wettbewerb unter den Bedingungen der Globalisierung zu bestehen. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die mongolische Verfassung vom 13. Januar 1992, die Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, nationale Einheit und Achtung des Rechts zu den Leitprinzipien jeder staatlichen Tätigkeit erklärt, einen umfangreichen Grundrechtskatalog normiert und die Durchsetzung der Verfassungsbestimmungen einer unabhängigen Gerichtsbarkeit mit einem Verfassungsgericht an der Spitze anvertraut. Auf der Grundlage der Verfassung ist eine Reihe von Gesetzen erlassen worden, in denen die politischen, justiziellen und administrativen Institutionen des Landes eine eingehendere Regelung erfahren haben. Es fehlt indessen bisher an einer umfassenden und klaren Regelung der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Verwaltungseinheiten unterhalb der Ministerialebene. Die Verfassung sieht zwar einen mehrstufigen Verwaltungsaufbau für die Hauptstadt und die "aimags" genannten ländlichen Verwaltungsbezirke vor. Wie die Befugnisse zwischen den einzelnen Verwaltungsebenen verteilt werden sollen, ist indes bislang ebensowenig geregelt wie die Finanzverfassung des vorgesehenen Mehrebenensystems.

Einer umfassenden Neubestimmung bedarf auch das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger. Zwar gibt es bereits Gesetze über das Verwaltungsverfahren und das Gerichtsverfahren in Verwaltungsstreitigkeiten. Diese Gesetze sind aber von einer systematischen, in sich widerspruchsfreien und damit rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Regelung des Staat-Bürger-Verhältnisses noch weit entfernt. So sind wichtige Aussagen zum Verwaltungsverfahren bislang in dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten enthalten. Soll an die Stelle des bisherigen Flickenteppichs von Regelungen ein einheitliches, auf sachgebietsübergreifenden Prinzipien rechtstaatlichen Verwaltungshandelns gegründetes allgemeines Verwaltungsrecht treten, so müssen die verschiedenen Rechtsmaterien entflochten und ein präzise definiertes, aufgabengerechtes Handlungsinstrumentarium der Verwaltung sowie ein letzterem angepaßtes System effektiver gerichtlicher Kontrolle geschaffen werden.

Ziel des vom Institut betreuten Reformprojekts ist es, ein leistungsfähiges Verwaltungsorganisations- und Verwaltungsverfahrensrecht für die Mongolei zu schaffen, das auf die spezifischen Bedingungen und Bedürfnisse des Ziellandes bestmöglich abgestimmt ist. Damit will es zugleich einen Beitrag zur Entwicklung moderner verwaltungsrechtlicher und verwaltungsorganisationsrechtlicher Strukturen unter den Bedingungen der Globalisierung leisten. Schließlich verspricht das Vorhaben auch Aufschluß darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen Rechtskonzeptionen, die unter bestimmten kulturellen Bedingungen entstanden sind, mit Erfolg für die Reform und Modernisierung von Rechtsordnungen fruchtbar gemacht werden können, die sich aus ganz anderen historischen, politischen und kulturellen Prämissen heraus entwickelt haben. Im Anschluß an den Besuch einer Heidelberger Delegation in der Mongolei im Dezember 2003 soll im Jahr 2004 ein Entwurf für ein Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsorganisationsgesetz erarbeitet und mit den mongolischen Partnern näher abgestimmt werden. Angestrebt ist, die redaktionellen Arbeiten an der Reformgesetzgebung bis Ende 2004 abzuschließen. Auch die spätere, ca. 2005 beginnende Implementierung der Reformgesetze soll vom Institut aus juristisch begleitet werden. In der Implementierungsphase käme ihm vor allem die Aufgabe zu, Studenten aus der Mongolei im Rahmen des Graduiertensystems nach Deutschland zu bringen, sie wissenschaftlich zu betreuen und Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Verwaltungsrechtsreform zu fördern.