Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1993

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1993


Inhalt | Zurück | Vor

Christian Walter

XVII. Friedenssicherung und Kriegsrecht

b. Friedenstruppen internationaler Organisationen

    248. Am 21. April 1993 beschloß das Bundeskabinett eine Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der VN-Friedenstruppe UNOSOM II in Somalia:

    "Die Bundesregierung beschließt, entsprechend der mit der Note der Vereinten Nationen vom 12. April 1993 unterbreiteten Bitte, die Operationen der Vereinten Nationen in Somalia (UNSOM II) durch Entsendung eines verstärkten Nachschub- und Transportbataillons der Bundeswehr zu unterstützen. Das Bataillon wird im Rahmen der humanitären Bemühungen der Vereinten Nationen in einer nach Feststellung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen befriedeten Region in Somalia bei Aufbau, Unterstützung und Sicherstellung der Verteilerorganisation für Hilfs- und Logistikgüter mitwirken. Der deutsche Verband wird nicht die Aufgabe haben, militärischen Zwang anzuwenden oder bei der Ausübung solchen Zwangs durch andere mitzuwirken. Davon unberührt bleibt ein Recht zur Selbstverteidigung. Der Kommandeur von UNOSOM II erhält wie üblich "operational control", die Befehls- und Kommandogewalt bleibt bei dem Bundesminister der Verteidigung"613.
    Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23. Juni 1993 im Wege der einstweiligen Anordnung einen Parlamentsbeschluß zum Einsatz der Bundeswehr durch die Bundesregierung verlangt hatte614, stimmte der Bundestag dem Beschluß der Bundesregierung vom 21. April 1993 in vollem Umfang zu. Dabei wurde der Wortlaut des Kabinettsbeschlusses übernommen615. Am 21. Dezember 1993 beschloß das Bundeskabinett, die Beteiligung der Bundeswehr an UNOSOM II in Abstimmung mit den Vereinten Nationen zum 31. März 1994 zu beenden616.

    249. Zur Frage einer deutschen Beteiligung an einer vorgesehenen VN-Beobachter-Mission in Georgien führte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage aus:

    "Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, einer Bitte der Vereinten Nationen durch Beteiligung an UNOMIG mit vier Militärbeobachtern zu entsprechen. Zusätzlich ist beabsichtigt, einen Sanitätsoffizier und einen Sanitätsunteroffizier zu stellen. Diese sollen der ärztlichen Eigenversorgung der gesamten Beobachtergruppe dienen. Die Gesamtstärke von UNOMIG ist auf 88 Militärbeobachter sowie weitere 100 Mann Unterstützungspersonal angelegt."617

    250. Am 12. November 1993 kehrten die letzten an der UNO-Mission in Kambodscha beteiligten deutschen Soldaten nach Deutschland zurück. Damit war die erste deutsche Beteiligung an einer UN-Friedenstruppe beendet618.
    Am 24. September 1993 nahm der Deutsche Bundestag einen Entschließungsantrag zur zukünftigen Rolle der Bundesrepublik Deutschland im System der Vereinten Nationen an, in dem es u. a. heißt:

    "Die Bundesrepublik Deutschland, die in der Urkunde zu ihrem VN-Beitritt am 12. Juni 1973 erklärt und später wiederholt bekräftigt hat, daß sie "die in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Verpflichtungen annimmt und sich feierlich verpflichtet, sie zu erfüllen", muß bereit sein, jeweils nach Zustimmung des Deutschen Bundestages, Streitkräfte für friedenserhaltende und friedensschaffende Maßnahmen zur Verfügung zu stellen."619

    251. Am 23. März 1993 entsandte das Bundesinnenministerium im Rahmen einer humanitären Soforthilfe für Bosnien-Herzegowina 18 Experten des Technischen Hilfswerks nach Mostar. Die Spezialisten des THW sollten im Auftrag der EG-Task-Force Soforthilfe bei der Instandsetzung von Versorgungseinrichtungen (Wasser und Elektrizität) leisten620.

    252. Ab 1. Juni 1993 beteiligte sich die Bundesrepublik mit Beamten des Bundesgrenzschutzes an einer Friedensmission der Vereinten Nationen in der West-Sahara. Die Friedensmission hatte die Aufgabe, einen Waffenstillstand zwischen dem Königreich Marokko und der Befreiungsbewegung Polisario zu überwachen und einen Volksentscheid über den Verbleib der West-Sahara bei Marokko oder ihre Entlassung in die Unabhängigkeit vorzubereiten. Hierbei wurde erstmals ein deutscher Polizeivollzugsbeamter mit der Leitung einer Friedensmission der Vereinten Nationen beauftragt621.

    253. Zugleich wurden auch Beamte des Bundesgrenzschutzes zur Überwachung des Embargos gegen Rest-Jugoslawien auf der Grundlage der Beschlüsse des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen im Rahmen einer gemeinsamen Aktion der Westeuropäischen Union entsandt622.
    In der Vollversammlung der 48. Generalversammlung der Vereinten Nationen führte der Vertreter Belgiens für die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten hinsichtlich der Entsendung einer Friedensmission der Vereinten Nationen nach Burundi und Ruanda folgendes aus:

    "The exodus of refugees illustrates the serious repercussions of the situation in Burundi on peace and stability in the region and specially in Ruanda. This is why the European Community and its member states asked most urgently that the United Nations Assistance Mission for Ruanda be deployed as soon as possible so as to avoid any spill over effect in that country."623



    613Bull. Nr. 32 vom 23.4.1993, 280.
    614BVerfGE 89, 38; vgl. dazu Philipp, Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1993, ZaöRV 55 (1995), 818 ff., Ziff. 97.
    615BT-Drs. 12/5248; BT-PlPr., 169. Sitzung, 14608 f.
    616Bull. Nr. 114 vom 23.12.1993, 1260.
    617Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage, BT-Drs. 12/5905, 4 f.
    618Vgl. SZ vom 13.11.1993, 6; sowie Innere Sicherheit Nr. 5 vom 15.9.1993, 14 ff.; Innenpolitik Nr. 6, 1993, 8.
    619BT-Drs. 12/3703; BT-PlPr., 177. Sitzung, 15325 f.
    620Bull. Nr. 25 vom 25.3.1993, 209.
    621Innere Sicherheit Nr. 4 vom 19.7.1993, 14 f.; vgl. auch SZ vom 24.5.1993, 2.
    622Innere Sicherheit Nr. 4 vom 19.7.1993, 14; vgl. auch Deutsche Außenpolitik nach der Einheit (Anm. 20), 24.
    623UN Doc.A/48/PV.47 vom 23.11.1993, 18.