Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1995

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


Inhalt | Zurück | Vor

Christian Walter

VII. Personalhoheit und Staatsangehörigkeit

c. Ausübung diplomatischen Schutzes

    51. Die Bundesregierung machte im Berichtszeitraum verschiedentlich von ihrem Recht zur Ausübung diplomatischen Schutzes zugunsten deutscher Staatsangehöriger Gebrauch113. Sie setzte sich dafür ein, daß der in der Türkei verhaftete deutsche Journalist Stefan Waldberg ein rasches und rechtsstaatliches Verfahren erhält. Hierzu demarchierte die Bundesregierung am 8. Januar 1993 in Ankara. Im Rahmen ihrer Demarche habe die Bundesregierung auch gegen die von Stefan Waldberg geschilderten Mißhandlungen protestiert und um Aufklärung gebeten114. Auch nach dem erstinstanzlichen Urteil habe Bundesaußenminister Kinkel sich mehrfach an den türkischen Außenminister mit der Bitte gewandt, sich des Falles im Rahmen seiner Möglichkeiten anzunehmen. Die Bundesregierung wies darauf hin, daß Herr Waldberg kontinuierlich von der Botschaft Ankara konsularisch betreut wurde. Auch sei ein Botschaftsvertreter in den Verhandlungen anwesend gewesen115.
    Wegen der Verhaftung des deutschen Geschäftsmanns Gerhard Bachmann im Iran wurde der iranische Botschafter in das Auswärtige Amt einbestellt. Die Bundesregierung protestierte dabei gegen die Verhaftung und verlangte unverzüglich Aufklärung des Vorfalls und Zugang zu dem Verhafteten116.

    52. Die Bundesregierung betonte erneut, daß sie die nach dem Krieg in Polen und in der ehemaligen Sowjetunion erfolgten Enteignungen und das Unrecht der Vertreibung nie gebilligt habe. Sie werde die Interessen deutscher Staatsbürger gegenüber Polen und Rußland weiterhin gemäß den Grundsätzen des "diplomatischen Schutzes" im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten zur Geltung bringen. Sie unterstrich allerdings auch, daß sie dieses "außerordentlich sensible Thema" noch nicht in den Mittelpunkt des Verhältnisses zu Polen rücken wolle117. In einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage führte die Bundesregierung hierzu unter Bezug auf eine frühere Antwort folgendes aus:

    "Die Bundesregierung hat die Vertreibung der Deutschen und die entschädigungslose Einziehung deutschen Vermögens stets als völkerrechtswidrig angesehen und in keinem Fall gebilligt. Den Regierungen in Warschau und Prag ist dieser Standpunkt bekannt. Auch in den Verhandlungen zu den Verträgen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit mit Polen und der CSFR hat die Bundesregierung erneut ihre Rechtsposition deutlich gemacht. Angesichts der gegenteiligen Auffassung Polens und der CSFR hat die Bundesregierung Wert darauf gelegt, die vermögensrechtlichen Ansprüche Deutscher offenzuhalten. Dies ist in begleitenden Briefwechseln der Außenminister zu diesen Verträgen geschehen. Die Bundesregierung wird weiterhin nach den Grundsätzen des diplomatischen Schutzes unter Ausübung des ihr dabei gegebenen Ermessens alles unter den gegebenen Umständen in ihren Möglichkeiten Stehende tun, um die Interessen deutscher Staatsangehöriger zu unterstützen."118



    113Vgl. auch Langenfeld, ibid., Ziff. 47.
    114Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/4418, 2.
    115BT-PlPr., 131. Sitzung, 11361; siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/5002, 1 f.
    116SZ vom 12.10.1993, 1; FAZ vom 12.10.1993, 7.
    117Antwort der Bundesregierung auf eine Mündliche Frage, BT-PlPr., 163. Sitzung, 13983; BT-PlPr., 157. Sitzung, 13343 f.
    118Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Anfrage, BT-Drs. 12/4735, 4.