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a. Abrüstung und Rüstungskontrolle
236. Am 13. Januar 1993 unterzeichnete die Bundesrepublik Deutschland das internationale Übereinkommen zur Ächtung chemischer Waffen594. Bei der Unterzeichnung führte Bundesaußenminister Kinkel zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen aus, daß die Bundesrepublik Deutschland auf der für 1995 angesetzten Überprüfungskonferenz für eine Verlängerung auf unbegrenzte Zeit eintrete. Er appellierte an alle Staaten, die dem Vertrag noch nicht beigetreten seien, dies baldmöglichst zu tun. Zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen führte er aus:
"Der Weltsicherheitsrat hat in seiner Erklärung vom 31.1.1992 festgestellt, daß die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt. Auf dieser Grundlage muß der Sicherheitsrat, falls notwendig, von seinen Befugnissen nach Kapitel VII der VN-Charta Gebrauch machen. Staaten, die völkerrechtswidrig versuchen, Massenvernichtungswaffen zu erwerben oder herzustellen, müssen mit den schärfstmöglichen Sanktionen belegt werden"595. |
237. Die Bundesregierung setzte sich auch sonst mehrfach für die Verlängerung des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen596 ein. So führte sie anläßlich der Ankündigung der Regierung von Nordkorea, den Nichtverbreitungsvertrag verlassen zu wollen, aus:
"Insbesondere im Vorfeld der Verlängerungs- und Überprüfungskonferenz für den Nichtverbreitungsvertrag im Jahre 1995 tritt die Bundesregierung weiterhin nachdrücklich für universelle Geltung und unbefristete Verlängerung dieses wichtigen Vertrages ein, dessen besonderer Wert in dem bewährten Inspektions- und Verifikationssystem der IAEO liegt."597 |
238. In der 657. Sitzung der Conference on Disarmament unterstrich der deutsche Vertreter die Notwendigkeit, einen nuklearen Teststopvertrag abzuschließen:
"The German Government attaches great importance to the conclusion of a comprehensive Nuclear-Test-Ban-Treaty which will have a considerable impact in the realm of nuclear non-proliferation. It is our goal to achieve a universally applicable comprehensive nuclear-test-ban-treaty within the near future. This treaty must be internationally verifiable and its verification provisions should be negotiated together with the substance of the nuclear test ban. We are convinced that the only possible and appropriate forum for negotiating such a treaty is the Conference on Disarmament."599 |
239. Am 10. Juni 1993 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine ein Regierungsabkommen über Zusammenarbeit bei der Lösung von Problemen der Eliminierung von Nuklearwaffen600. In Art. 1 des Abkommens verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland, der Ukraine unentgeltliche Hilfe bei der Eliminierung der im Hoheitsgebiet der Ukraine stationierten Nuklearwaffen zu leisten, die nach Maßgabe multilateraler, bilateraler und anderer Übereinkünfte über die Begrenzung von Rüstungen und über Abrüstungen zu reduzieren und zu eliminieren sind. Über die Durchführung dieser Verpflichtung sind durch die von den Parteien zu benennenden Durchführungsbehörden gesonderte Vereinbarungen zu schließen (Art. 2). Art. 5 sichert die Beachtung der Bestimmungen des Vertrags über die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen bei der Durchführung des deutsch-ukrainischen Abkommens.
240. Zu den Nuklearwaffensystemen der NATO führte die Bundesregierung aus:
"Die substrategischen Nuklearsysteme der Allianz sind weiterhin das notwendige und militärische Bindeglied zwischen strategischen Nuklearwaffen, die der NATO nicht unterstellt sind und darüber hinaus zwischen den europäischen und den nordamerikanischen Verbündeten. Bei einer Verlegung der substrategischen Nuklearwaffen aus Europa würde dieses stabilisierende Bindeglied verloren gehen. Deshalb wird die Bundesregierung nicht für den Abzug dieser Waffen aus Deutschland oder Europa eintreten. Ebenfalls wird die Bundesregierung nicht für einen Verzicht der Allianz eintreten, ggf. Nuklearwaffen als erste einzusetzen."601 |
241. Am 5. Februar 1993 unterzeichnete die Bundesrepublik bei der außerordentlichen Konferenz der Vertragsstaaten des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ein Dokument der Vertragsstaaten, mit dem die slowakische Republik und die Tschechische Republik die in dem Vertrag und den dazugehörigen Dokumenten vorgesehenen Rechte und Verpflichtungen in vollem Umfang übernehmen können602.
242. Zur Frage einer Streichung bzw. Reform des Art. 223 des EWG-Vertrages, um die Möglichkeiten des Exports von Rüstungsgütern einzuschränken, äußerte sich die Bundesregierung wie folgt:
"Die Bundesregierung hat verschiedentlich erklärt, daß sie einer Streichung von Art. 223 EWG-Vertrag und einer Harmonisierung der nationalen Exportpolitik im Rüstungsbereich zustimmen kann, vorausgesetzt, daß sich eine zukünftige EG-Politik wesentlich an den gleichen restriktiven Prinzipien orientiert, die heute die deutsche Ausfuhrpolitik bestimmen."603 |
243. Im ersten Ausschuß der 48. Generalversammlung der Vereinten Nationen trat der Vertreter der Bundesrepublik für eine Überprüfung und Reform des UN-Berichtssystems für militärische Ausgaben ein:
"His delegation believed that the best way of achieving broader participation would be to review and modernize the reporting system. It hoped that as many members as possible including those which had not yet participated in the reporting system, would submit the views on how the system could be improved so as to ensure broader participation."605 |
244. Zu den Möglichkeiten des Sicherheitsrats auf der Grundlage der Kapitel VI und VII der VN-Satzung äußerte sich der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland auf der 640. Sitzung der Conference on Disarmement:
"For example, the Security Council could take action on the basis of Art. 34, 39 and 41 of the Charter of the United Nations by making first a specific request for information to a particular country on its armed forces or armaments, using criteria in provisions developed in arms control forums. Thus, an excessive arms build-up could be identified in accordance with internationally agreed criteria. This would provide a solid basis for any further action by the Security Council. It is in this field that we see new opportunities for the Security Council in preventing military conflicts by using the means for arms control."606 |
"In our view, therefore, international action is required in order to establish a regime of internationally accepted and implemented restraint in exports and imports of conventional arms, particularly in situations of tension and conflict. Such international action should cover the following areas: transparency in all transfers of conventional arms and related technologies; agreement on common principles for the transfer of conventional arms and related technologies; and development of procedures to prevent or even redress regional instabilities created by excessive arms build-ups."607 |
245. Am 25. November 1993 erging das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag vom 24. März 1992 über den offenen Himmel608.
246. Im Rahmen des am 9./10. Juni 1992 eingesetzten KSZE-Forums für Sicherheitskooperation (FSK) wurden am 25. November 1993 Dokumente über lnformationsaustausch über Verteidigungsplanung, stabilisierende Maßnahmen für Krisensituationen, KSZE-Prinzipien für den Transfer traditioneller Waffen und ein Programm für militärische Zusammenarbeit und Kontakte angenommen609. Hierbei verpflichteten sich alle KSZE-Teilnehmerstaaten, jährlich Informationen über ihre nationale Verteidigungsplanung untereinander auszutauschen. Weiterhin soll dadurch Transparenz erzielt werden, daß die Beziehungen zwischen den Streitkräften der KSZE-Teilnehmerstaaten intensiviert werden. Dies soll hauptsächlich durch Personalaustausch zwischen Ausbildungsstätten und Truppenteilen sowie durch Zusammenarbeit von Experten und durch gemeinsame Seminarveranstaltungen erfolgen. Durch einen politisch verbindlichen Prinzipienkatalog werden alle KSZE-Teilnehmerstaaten zu Transparenz und Zurückhaltung beim Transfer konventioneller Waffen und entsprechender Technologie auf der Grundlage der Vereinbarung der KSZE-Teilnehmerstaaten vom 30. Januar 1992 verpflichtet.
247. Am 25. Mai 1993 trat das Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (VN-Waffenübereinkommen) in Kraft610. Im Dezember 1993 unterstützte die 48. Generalversammlung der Vereinten Nationen eine französische Initiative, 1995 eine Überprüfungskonferenz zum VN-Waffenübereinkommen durchzuführen611. Die Bundesregierung betonte im Jahresabrüstungsbericht 1993, daß sie sich nachdrücklich für eine wirksame Nichtverbreitungspolitik bei sog. Antipersonenminen (Schützenabwehrminen) einsetze und beabsichtige, möglichst bald ein Exportmoratorium für Antipersonenminen zu verhängen612.