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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Christian Walter

IX. Menschenrechte und Minderheiten

c. Menschenrechte in einzelnen Staaten

    89. Auch im Berichtszeitraum hat die Bundesregierung die Vorgänge im ehemaligen Jugoslawien mehrfach schärfstens verurteilt180. In seiner Ansprache auf der Vollversammlung der 48. Generalversammlung qualifizierte Bundesaußenminister Kinkel die Vorgänge als Völkermord:

    "The crisis in the former Yugoslavia, and especially the war in Bosnia and Hercegovina, is one of the most depressing episodes of our time. A member of the United Nations has fallen victim to a war of conquest accompanied by genocide and mass expulsions."181

    90. Auch zum Demokratisierungsprozeß in Südafrika182 äußerte sich die Bundesregierung mehrfach. In der Vollversammlung der Vereinten Nationen machte der belgische Vertreter für die Europäischen Gemeinschaften und ihre Mitgliedstaaten erneut deutlich, daß das Apartheid-System mit friedlichen Mitteln abgeschafft und durch ein demokratisches System mit Beteiligung aller Südafrikaner ohne Unterscheidung nach Rasse oder Hautfarbe ersetzt werden müsse183. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage äußerte sich die Bundesregierung zur Frage der Aufhebung der Sanktionen gegen Südafrika und einem entsprechenden Empfehlungsbeschluß des ANC-Exekutivkomitees wie folgt:

    "Die Bundesregierung begrüßt die Empfehlung des ANC-Exekutivkomitees vom 18. Februar 1993 an die internationale Staatengemeinschaft, nach Bekanntgabe eines Wahltermins und Einsetzung eines Übergangsexekutivrates die Sanktionen gegen Südafrika mit Ausnahme des Waffen- und Ölembargos aufzuheben. Die EG-Staaten werden an dem völkerrechtlich bindenden Waffenembargo gegen Südafrika festhalten, solange dieses vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht aufgehoben ist."184
    Im 3. Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen begründete der belgische Vertreter für die Europäische Union die ablehnende Haltung gegenüber einer Internationalen Konvention über die Beseitigung des Apartheidverbrechens. Die Union bleibe bei ihrer mehrfach bekräftigten Verurteilung des Apartheid-Regimes. Sie teile auch die Ziele der Konvention, habe allerdings erhebliche Bedenken gegenüber den Inhalten185.
    In ihrer Antwort auf die Parlamentarische Anfrage führte die Bundesregierung weiter aus, daß Deutschland sich seit Oktober 1992 an einer 15-köpfigen EG-Beobachterkommission in Südafrika beteilige, die einen aktiven Beitrag zur Eindämmung der politischen Gewalt leiste. Das Mandat sei bis Ende Oktober 1993 verlängert worden, und die Bundesregierung werde über zwei Polizeibeamte hinaus ab Ende April 1993 auch den politischen Leiter der EG-Beobachterkommission stellen186.

    91. Menschenrechtsverletzungen in China waren ebenfalls Gegenstand mehrfacher Stellungnahmen der Bundesregierung. So antwortete die Bundesregierung auf eine mündliche Parlamentarische Anfrage:

    "Chinesische Quellen sprechen von 680 Arbeitslagern. Menschenrechtsorganisationen gehen von einer wesentlich höheren Zahl aus, ohne aber präzise Angaben machen zu können. Auch die Zahl der Insassen solcher Lager variiert. Nach chinesischen Angaben sollen es rund 160 000 sein. Menschenrechtsorganisationen sprechen hingegen von Millionen. Die Zahlen sind nicht überprüfbar. Über die Lebensbedingungen der Inhaftierten gibt es Zeugenberichte. [...] Diese Berichte lassen sich zusammenfassen: Arbeitslager und die Institutionen der 'administrativen Haft' sind ein Beispiel für grundlegende Menschenrechtsverletzungen in China."187
    Die Bundesregierung führte in mehreren Antworten auf schriftliche Anfragen aus, daß sie ihre Haltung zur Menschenrechtssituation in China in bilateralen Gesprächen auch mehrfach gegenüber der chinesischen Führung zum Ausdruck gebracht habe188. Außerdem setzte sich die Bundesregierung für eine Verbesserung der Situation in Tibet ein:
    "Die Bundesregierung hat im Gespräch mit der chinesischen Regierung nie Zweifel daran gelassen, daß die Menschenrechtslage in China verbessert werden muß. Sie hat auch die Vorgänge in Tibet angesprochen und ihre Erwartung ausgedrückt, daß in Tibet eine wirkliche Autonomie hergestellt wird, welche die Tibeter ihre Zugehörigkeit zum chinesischen Staatsverband nicht als Bedrohung für ihre ethnische, religiöse und kulturelle Eigenständigkeit empfinden läßt."189

    92. Die Bundesregierung nahm auch mehrfach Stellung zu Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Sie habe gegenüber der türkischen Regierung die bestehenden Mißstände immer wieder eindeutig und nachdrücklich kritisiert. Dabei habe sie sich auch konkret auf Berichte von Amnesty International bezogen190. Kurden und Christen würden weder rechtlich noch tatsächlich staatlich verfolgt. Allerdings litten sie unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und die Christen auch unter dem Druck des moslemischen Umfeldes191. Christen aus der Osttürkei würden grundsätzlich nicht als politisch Verfolgte anerkannt. Dies schließe jedoch nicht aus, daß es im Einzelfall zu Anerkennungen kommen könne. Bei Jeziden aus der Osttürkei tendiere die obergerichtliche Rechtsprechung dazu, eine unmittelbare oder mittelbare Gruppenverfolgung anzunehmen, so daß vermehrt mit Anerkennungen zu rechnen sei192.

    93. Anläßlich der Erneuerung des 4 Jahre alten Todesurteils gegen den Schriftsteller Salman Rushdie durch die iranische Führung wurde der iranische Botschafter in das Bonner Auswärtige Amt einbestellt. Die Bundesregierung machte deutlich, daß sie nach wie vor auf einer Rücknahme des Urteils bestehe193. Außerdem soll das deutsch-iranische Kulturabkommen von 1988 so lange nicht in Kraft treten, wie der Mordaufruf nicht zurückgenommen ist194.

    94. Im Berichtszeitraum nahm die Bundesrepublik Deutschland allein oder gemeinsam mit den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der europäischen politischen Zusammenarbeit zu Menschenrechtsfragen in einer Vielzahl namentlich genannter Staaten Stellung195.
 


    180Siehe etwa den 2. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 12/6330, 11; vgl. auch Langenfeld (Anm. 7), Ziff. 73.
    181UN Doc.A/48/PV.8 vom 11.10.1993, 15.
    182Vgl. auch Langenfeld (Anm. 7), Ziff. 72.
    183Positions of Germany (Anm. 1), 42.
    184Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/4853, 3.
    185Positions of Germany (Anm. 1), 203.
    186Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/4853, 4.
    187BT-PlPr., 131. Sitzung, 11357.
    188BT-Drs. 12/6431, 1; BT-Drs. 12/5622, 5; BT-Drs. 12/5557, 5 f.; BT-Drs. 12/6340, 2.
    189Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/6340, 2; vgl. auch BT-Drs. 12/4434, 2.
    190Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/4688, 1 f.
    191Antwort des Bundesregierung auf eine Schriftliche Anfrage, BT-Drs. 12/4834, 5.
    192Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Anfrage, BT-Drs. 12/5082, 9 f.
    193FAZ vom 16.2.1993, 1; vgl. auch BT-PlPr., 182. Sitzung, 15716.
    194Woche im Bundestag Nr. 6 vom 17.3.1993, 51; vgl. auch SZ vom 10.3.1993.
    195Senegal, BT-Drs. 12/6255, 1; Saudi-Arabien, BT-Drs. 12/6255, 1 f.; Indonesien, BT-Drs. 12/4591, 2 und BT-Drs. 12/5965, 2; Brasilien, BT-Drs. 12/5244, 4 f.; Indien, BT-Drs. 12/5687, 1 ff. und BT-Drs. 12/6156, 71; Bangladesh, BT-Drs. 12/6156, 71 f.; Vietnam, BT-Drs. 12/5404, 3 und BT-Drs. 12/5404, 1 f.; Ägypten, BT-Drs. 12/5443, 6; Marokko, BT-Drs. 12/5443, 4 f.; Sri Lanka, BT-Drs. 12/5905, 2 f.; Birma, BT-Drs. 12/4080, 6 ff. und Bull. Nr. 23 vom 18.3.1993, 198; Griechenland, BT-Drs. 12/5189, 1; Guatemala, 12/5105, 53 f.; Tadschikistan, Bull. Nr. 63 vom 14.7.1993, 671; Zaire, Bull. Nr. 31 vom 21.4.1993, 275; Togo, Bull. Nr. 45 vom 29.5.1993, 491, und SZ vom 12.2.1993, 11 (Einstellen der zivilen Entwicklungshilfe); Tschad, Bull. Nr. 45 vom 29.5.1993, 491; Irak, Positions of Germany (Anm. 1), 265; Georgien, BT-Drs. 12/5905, 5; Nigeria, BT-Drs. 12/5443, 5; Malawi, Bull. Nr. 52 vom 15.6.1993, 555; Sudan, Woche im Bundestag Nr. 19 vom 27.10.1993, 97.