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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1993


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Christian Walter

XV. Europäische Gemeinschaften525

a. Europäische Union

    205. Am 1. November 1993 trat der Maastrichter Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union526 in Kraft527. Auf dem Europäischen Sonderrat am 29. Oktober 1993 sagte Bundesaußenminister Kinkel anläßlich des Inkrafttretens des Vertrags, der Sonderrat unterstreiche die Überzeugung aller zwölf Mitgliedstaaten, daß der Vertrag für Europa notwendig sei und unverzüglich angewendet werden müsse, weil vitale nationale Interessen dies forderten528. Am 27. Oktober 1993 legten Bundeskanzler Kohl und der Präsident der Französischen Republik, Mitterand, dem Premierminister Belgiens und amtierenden Präsidenten des Europäischen Rats, Dehaene, eine gemeinsame Botschaft vor, in der sie Vorschläge zur zügigen Umsetzung des Vertrags von Maastricht machten529. Sie schlugen vor, dem Ministerrat in seinen verschiedenen Zusammensetzungen konkrete Leitlinien für die Umsetzung des Vertrages zu geben und dabei die in Maastricht für die verschiedenen Aspekte des Vertrages vereinbarten Programme und Zeitpläne ausdrücklich zu bestätigen.

    206. Am 10. und 11. Dezember 1993 fand in Brüssel die Tagung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union statt530. Im Rahmen der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres wurden die sofortige Aufnahme der Arbeit der EUROPOL-Drogenstelle531 und die Erstellung einer gemeinsamen Liste von Drittländern vereinbart, für deren Staatsangehörige Visumzwang gelten soll532.
    In einer Anlage 3 zu den Schlußfolgerungen des Vorsitzes wurde die Stellung der beitrittswilligen Länder in den Gemeinschaftsorganen und -einrichtungen festgelegt. Danach sollten Norwegen, Österreich, Finnland und Schweden unter anderem jeweils ein Kommissionsmitglied, Norwegen 15, Österreich 20, Finnland 16 und Schweden 21 Abgeordnete im Europäischen Parlament sowie Norwegen 9, Österreich 11, Finnland 9, und Schweden 11 Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialausschusses, Norwegen 9, Österreich 11, Finnland 9 und Schweden 11 Mitglieder des Ausschusses der Regionen erhalten. Schließlich wurde festgelegt, daß für die derzeitigen Mitglieder die Wägung der Stimmen beibehalten wird. Die neuen Mitglieder Österreich und Schweden sollen jeweils 4, Norwegen und Finnland jeweils 3 Stimmen erhalten. Die neun gegenwärtigen Amtssprachen wurden für die Zeit nach der Erweiterung um Finnisch, Norwegisch und Schwedisch ergänzt. Schließlich wurde folgende Erklärung in das Konferenzprotokoll aufgenommen:

    "Mit der Annahme der institutionellen Bestimmungen des Beitrittsvertrages kommen die Mitgliedstaaten und die beitrittswilligen Länder überein, daß die Regierungskonferenz, die 1996 einberufen wird, neben der gesetzgeberischen Rolle des Europäischen Parlaments und den übrigen im Vertrag über die Europäische Union vorgesehenen Punkten auch die Fragen der Zahl der Kommissionsmitglieder und die Wägung der Stimmen der Mitgliedstaaten im Rat prüfen wird. Ferner wird sie die zur Erleichterung der Arbeit der Organe und zur Gewährleistung ihres effizienten Funktionierens für erforderlich erachteten Maßnahmen prüfen"533.

    207. In ihrem Bericht zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments vom 16. April 1993 betonte die Bundesregierung, daß sie sich wie das Europäische Parlament für eine möglichst weite Anwendung des Kodezisionsverfahrens eingesetzt habe. Sie strebe auf der Revisionskonferenz 1996 weitere Verbesserungen des Kodezisionsverfahrens an534.

    208. Am 12. März 1993 ergingen das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union535 und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union536. Beide Gesetze traten zusammen mit dem Vertrag von Maastricht über die Europäische Union am 1. November 1993 in Kraft537.

    209. Am 13. August 1993 verabschiedete der Bundestag das Zustimmungsgesetz zur Änderung des Direktwahlakts538. Das Änderungsgesetz war notwendig geworden, da in Anbetracht der Deutschen Wiedervereinigung und im Hinblick auf die Erweiterung der Gemeinschaft der Europäische Rat auf der Grundlage eines Vorschlags des Europäischen Parlaments eine Erhöhung der Zahl der deutschen Parlamentsmitglieder auf 99 beschlossen hatte. In Ausführung des Zustimmungsgesetzes wurde am 11. November 1993 das Europawahlgesetz geändert539.
 


    525Vgl. dazu allg. den 52. und den 53. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäischen Gemeinschaften, BT-Drs. 12/5682 und BT-Drs. 12/7132.
    526BGBl. 1992 II, 1251; vgl. dazu bereits ausführlich Langenfeld (Anm. 7), Ziff. 173.
    527BGBl. 1993 II, 1947.
    528Bull. Nr. 99 vom 16.11.1993, 1112.
    529Bull. Nr. 94 vom 30.10.1993, 1049.
    530Vgl. die Schlußfolgerungen des Vorsitzes, Bull. Nr. 10 vom 2.2.1994, 77.
    531Vgl. oben Ziff. 144.
    532Bull. Nr. 10 vom 2.2.1994, 80 f.
    533Ebenda, 86.
    534BT-Drs. 12/4733.
    535BGBl. 1993 I, 311.
    536BGBl. 1993 I, 313.
    537BGBl. 1993 I, 1780; vgl. zu den Gesetzen bereits oben Ziff. 7.
    538BGBl. 1993 II, 1242; in Kraft seit 1.5.1994, BGBl. 1994 II, 619.
    539BGBl. 1993 I, 1863; vgl. dazu den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Europawahlgesetzes vom 22.6.1993, BT-Drs. 12/5230.