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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Christian Walter

V. See- und Flußrecht

a. Seerecht

    25. Wie im Vorjahr gab der Vertreter Belgiens für die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft vor der UN-Generalversammlung eine Stellungnahme zum Seerecht ab53. Mit Rücksicht auf das Inkrafttreten der UN-Seerechtskonvention im Jahr 1994 wies er darauf hin, daß es von zentraler Bedeutung sei, daß eine universell akzeptierte Konvention in Kraft trete.

    "However, we are all aware that the industrialized countries are prevented from becoming parties to the Convention until the shortcomings of part XI relating to the exploitation of the sea-bed, are redressed. [...]
    Thus, we have an objective to pursue: the entry into force of a universally acceptable convention. We must also try to meet the deadline of 16 November 1994. [...]
    At this point we must not forget that we are at a decisive stage of consultations, which are moving ahead because we already have sufficiently precise and flexible legal material to elaborate a legal agreement for the implementation of part XI of the Convention."54

    26. Am 5. Mai 1994 wurde das Gesetz zu dem Abkommen vom 20. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über den Transport von Gas durch eine Rohrleitung vom norwegischen Festlandsockel und anderen Gebieten in die Bundesrepublik Deutschland (Euro-Pipe-Abkommen) verkündet55. Das Abkommen enthält Bestimmungen über den Bau und den Betrieb der Rohrleitung. Art. 4 enthält Vereinbarungen über das anwendbare Recht. Dabei unterliegen Rohrleitung, Betreibergesellschaft und Vorfälle im Zusammenhang mit der Rohrleitung norwegischem Recht und norwegischer Gerichtsbarkeit. In einem Abs. 2 wird ausdrücklich klargestellt, daß die Bestimmungen des Abs. 1 die konkurrierende Zuständigkeit deutscher Gerichte und die Anwendung deutschen Rechts bezüglich des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland, des deutschen Festlandsockels sowie der Gebiete, in denen das Völkerrecht der Bundesrepublik Deutschland die Ausübung souveräner Rechte gestattet, nicht ausschließen. Art. 8 regelt das Genehmigungsverfahren für den Bau der Rohrleitung, den Terminal und die im Terminal befindlichen Meßeinrichtungen. Weiter sind im Abkommen Regelungen hinsichtlich der Sicherheitsstandards, der Haftung für Schäden durch Verschmutzung und für Steuerfragen sowie ein Streitbeilegungsmechanismus vorgesehen.

    27. Durch Notenwechsel vom 17. Mai/3. September 1993 wurde zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Island eine Vereinbarung über die Beendigung des vorläufigen Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 19. Dezember 195056 mit Wirkung vom 3. September 1993 geschlossen. Der Vertrag trat damit zu diesem Zeitpunkt außer Kraft57.

    28. Zu der Vereinbarung zum 26. Januar 1982 über die Hafenstaatkontrolle58 wurden am 15. März 1993 Änderungen vorgenommen, die zum Teil am 1. Januar 1993, zum Teil am 14. Mai 1993 in Kraft traten. Am 26. Mai wurden weitere Änderungen vorgenommen, die am 23. Juli 1993 für alle Vertragsparteien in Kraft traten. Die Änderungen betreffen im wesentlichen das Verfahren der Überprüfung betrieblicher Vorschriften bezüglich der Sicherheit der Schiffe59. Ebenfalls geändert wurde Anlage 3 der Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle60, welche die bei einer Inspektion zu verwendenden Formulare enthält.

    29. Am 5. April 1993 wurde zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Lettland ein Abkommen über die Seeschiffahrt geschlossen61. Mit dem Abkommen soll die Entwicklung des Seeverkehrs zwischen den beiden Ländern gefördert werden. Die Vertragsparteien verpflichten sich, alle Maßnahmen zu unterlassen, die dem ungehinderten internationalen Seeverkehr abträglich sein könnten. Das gleiche gilt für die uneingeschränkte Beteiligung der Seeschiffahrtsunternehmen der beiden Vertragsparteien an der Beförderung der im Rahmen ihres bilateralen Außenhandels ausgetauschten Waren sowie am Seeverkehr zwischen einer der Vertragsparteien und Drittländern (Art. 2 Abs. 1). Art. 3 Abs. 1 bestimmt, daß die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus ihrer Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften von dem Abkommen nicht berührt werden. Art. 5 Abs. 1 verpflichtet die Parteien zur Gleichbehandlung der anderen Vertragspartei auf der Grundlage der Gegenseitigkeit hinsichtlich der Benutzung der Häfen, Hoheitsgewässer und anderen ihrer Zuständigkeit unterliegenden Gewässern sowie beim Zugang zu allen Dienstleistungen und anderen bestehenden Einrichtungen. Art. 7 normiert vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgeschlossene Bereiche, insbesondere die Lotsenannahmepflicht für Schiffe, Meeresforschungsaktivitäten und das Vorrecht der Seevermessung in den eigenen Hoheitsgewässern. Außerdem sind in Art. 12 Einreise-, Durchreise- und Aufenthaltsbestimmungen für Besatzungsmitglieder vorgesehen. Gemäß Art. 14 wird ein gemischter Seeschiffahrtsausschuß eingerichtet, der aus den Seeschiffahrtsverwaltungen und den von den Parteien benannten Sachverständigen besteht.

    30. Am 29. Juni 1993 schlossen die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam ein Abkommen über die Seeschiffahrt62. Auch dieses Abkommen dient der Förderung der Entwicklung des Seeverkehrs zwischen den Vertragsparteien. Es enthält in Art. 4 ein Diskriminierungsverbot für Handlungen gegenüber Schiffen und Besatzungsmitgliedern der jeweils anderen Vertragspartei im Seeverkehr zwischen den beiden Ländern. Gemäß Art. 10 Abs. 1 werden die von einer Vertragspartei entsprechend einschlägigen internationalen Übereinkünften ausgestellten und an Bord eines Schiffes dieser Vertragspartei befindlichen Schiffspapiere auch von der anderen Vertragspartei anerkannt. Art. 12 regelt Reise- und Aufenthaltsbefugnisse von Besatzungsmitgliedern, und durch Art. 14 wird ebenso wie bei dem deutsch-lettischen Seeschiffahrtsübereinkommen ein gemischter Seeschiffahrtsausschuß gebildet, der aus den Seeschiffahrtsverwaltungen und den von den Vertragsparteien benannten Sachverständigen besteht. Auch das deutsch-vietnamesische Seeschiffahrtsabkommen enthält in Art. 3 eine Nichtberührungsklausel hinsichtlich anderer internationaler Übereinkünfte, insbesondere hinsichtlich der Verpflichtungen, die sich für die Bundesrepublik Deutschland aus ihrer Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften ergibt.

    31. Am 10. Juni 1993 wurde zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ukraine ein Abkommen über die Seeschiffahrt geschlossen63, das in seiner Struktur den beiden bereits beschriebenen Übereinkommen entspricht. Dieses Abkommen trat am 11. Januar 1995 in Kraft64.

    32. In einer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage äußerte sich die Bundesregierung zur Durchsetzung der in der "Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände" enthaltenen Regelungen. Anlaß war das Aufbringen eines niederländischen Fischkutters in der Plattfischzone, bei dem eine Übermotorisierung festgestellt wurde. Die Bundesregierung betonte, daß eine unmittelbare Handhabe gegenüber den übermotorisierten niederländischen Fischkuttern für sie bedauerlicherweise nicht bestehe. Allerdings habe sie die EG-Kommission mit Schreiben vom 16. Juni aufgefordert und die festgestellten Fischereifahrzeuge von der Baumkurrenliste zu streichen, alle Mitgliedstaaten zu einer unverzüglichen generellen Überprüfung der auf dieser Liste befindlichen Fischereifahrzeuge aufzufordern und durch eine Änderung von Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 eine unmittelbare Ahndung von Verstößen im hier gegebenen Zusammenhang zu ermöglichen.

    "Da die Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 kein ausdrückliches Verbot vorsieht, mit stärkeren Motoren als erlaubt zu fischen, besteht weder für das staatliche Fischereiamt Bremerhaven als federführende Behörde noch für die Bundesregierung die Möglichkeit, Bußgelder gegen die niederländischen Kutterkapitäne zu verhängen. Auch bezüglich dieses Mangels hat die Bundesregierung inzwischen mehrfach eine Anpassung der entsprechenden Verordnung von der EG-Kommission verlangt."65

    33. Am 11. November 1993 brachte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für eine Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Seeschiffart ein66. Mit diesem Gesetzentwurf sollen die wichtigsten Gesetze auf dem Gebiet des öffentlichen Seeschiffahrtsrechts der nationalen und internationalen Schiffahrts- und Rechtsentwicklung angepaßt werden. Dabei soll vor allem das Instrumentarium im Bereich des Meeresumweltschutzes fortentwickelt und eine Umsetzung der Rechtsvorschriften der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) erleichtert werden. Hierzu sieht der Entwurf die Möglichkeit vor, in bestimmten Bereichen der Schiffssicherheit und des Umweltschutzes Rechtsverordnungen zu erlassen67.
 


    53Vgl. Langenfeld (Anm. 7), Ziff. 29.
    54UN Doc.A/48/PV.72 vom 21.12.1993, 11 f.; vgl. auch Positions of Germany (Anm. 1), 39 f.
    55BGBl. 1994 II, 590; in Kraft seit dem 14.8.1994, BGBl. 1994 II, 3859.
    56BGBl. 1951 II, 153.
    57BGBl. 1993 II, 2041.
    58BGBl. 1982 II, 585.
    59BGBl. 1994 II, 138.
    60BGBl. 1993 II, 1720; BGBl. 1994 II, 138.
    61BGBl. 1995 II, 2.
    62BGBl. 1994 II, 3518.
    63BGBl. 1994 II, 3522.
    64BGBl. 1995 II, 270.
    65Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage, BT-Drs. 12/5487, 30 f.
    66BT-Drs. 12/6153.
    67Vgl. im einzelnen die Ausführungen der Bundesregierung in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 12/6253, 11.