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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Christian Walter

IX. Menschenrechte und Minderheiten

a. Menschenrechtsverträge

    76. Am 25. November 1993 trat das Fakultativprotokoll vom 19. Dezember 1966 zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte155 in Kraft156. Bei Hinterlegung der Beitrittsurkunde brachte die Bundesrepublik Deutschland folgenden Vorbehalt an:

    "Die Bundesrepublik Deutschland bringt einen Vorbehalt im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 a dahin gehend an, daß die Zuständigkeit des Ausschusses nicht für Mitteilungen gilt,
    a) die bereits in einem anderen internationalen Untersuchungs- oder Streitregelungsverfahren geprüft wurden,
    b) mit denen eine Rechtsverletzung gerügt wird, die in Ereignissen vor dem Inkrafttreten des Fakultativprotokolls für die Bundesrepublik Deutschland ihren Ursprung hat, oder
    c) mit denen eine Verletzung des Art. 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte gerügt wird, wenn und soweit sich die gerügte Verletzung auf andere als im vorgenannten Pakt garantierte Rechte bezieht."157

    77. Am 29. September 1993 erhob die Bundesregierung Einspruch gegen einen Vorbehalt der Vereinigten Staaten zu Art. 6 Abs. 5 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte:

    "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erhebt Einspruch gegen den Vorbehalt der Vereinigten Staaten zu Art. 6 Abs. 5 des Paktes, der die Todesstrafe für strafbare Handlungen, die von Jugendlichen unter 18 Jahren begangen worden sind, verbietet. Der Vorbehalt dieser Bestimmung ist mit dem Wortlaut sowie mit Ziel und Zweck des Art. 6 unvereinbar, der, wie in Art. 4 Abs. 2 verdeutlicht, die Mindestnorm für den Schutz des Rechts auf Leben festlegt. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland legt den 'Vorbehalt' der Vereinigten Staaten zu Art. 7 des Paktes dahin gehend aus, daß er eine Bezugnahme auf Art. 2 des Paktes darstellt und daher die Verpflichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika als Vertragsstaat des Paktes in keiner Weise berührt."158

    78. Am 4. März 1993 leitete die Bundesregierung das Ratifikationsverfahren zum Protokoll Nr. 9 vom 6. November 1990 sowie zum Protokoll Nr. 10 vom 25. März 1992 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten159 ein160. In ihrer Denkschrift führte die Bundesregierung aus, daß die vom Protokoll Nr. 9 geschaffene Möglichkeit für den Beschwerdeführer, den Gerichtshof mit seinem Verfahren zu befassen, eine "logische Weiterentwicklung des Kontrollsystems der Konvention" sei. Es bedeute nur eine Vervollständigung der bestehenden Struktur, wenn dem einzelnen ermöglicht werde, selbst zu beschließen, seinen Fall dem Gerichtshof vorzulegen, ohne in dieser Beziehung länger von der Kommission oder einem Staat abhängig zu sein161. Auch die im 10. Zusatzprotokoll zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vorgesehene Herabsetzung der in Art. 32 für Beschlüsse des Ministerrats vorgesehene Zweidrittelmehrheit auf eine einfache Mehrheit stelle eine logische Weiterentwicklung des Kontrollsystems der Konvention dar162. Das Ratifikationsgesetz zu den beiden Protokollen wurde am 19. April 1994 verkündet163.

    79. In ihrem Bericht über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte des Kindes164 für die Bundesrepublik Deutschland wiederholte die Bundesregierung ihre Auffassung, daß bereits zum Zeitpunkt der Ratifikation das deutsche Recht mit der Konvention übereingestimmt habe. Sie betonte allerdings, daß das Übereinkommen einen Impuls für innerstaatliche Reformen setzen sollte. Dies gelte um so mehr, als Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens den Vertragsstaaten ganz allgemein zur Pflicht mache, dem Kind den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind, und zu diesem Zweck "alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen" zu treffen. In ihrer Auflistung von Reformprojekten führt die Bundesregierung neben einer Reform des Kindschaftsrechts, einer Reform des gesamten Jugendkriminalrechts und ihrer Beteiligung an der Ausarbeitung eines europäischen Übereinkommens über die Ausübung von Rechten durch das Kind zahlreiche weitere Maßnahmen an165.

    80. Trotz der in einer belgischen Stellungnahme zum Ausdruck kommenden Zurückhaltung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gegenüber neuen Menschenrechtsinstrumenten166 beurteilte die Bundesregierung einen Vorentwurf für ein Fakultativprotokoll zur Konvention gegen die Folter (Costa Rica Entwurf) aus dem Jahr 1991 insgesamt positiv. Wegen der Skepsis mancher Staaten gegenüber einem neuen Menschenrechtsinstrument liege allerdings noch kein zeichnungsreifer Entwurf vor. Die Bundesregierung werde sich an den weiteren Beratungen beteiligen und bestrebt sein, sie zu fördern. Dabei gehe es auch darum, Überschneidungen mit der Tätigkeit des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter zu vermeiden, ohne die Effektivität des internationalen Anti-Folter-Schutzes zu vermindern167.
 


    155Vgl. dazu bereits Langenfeld (Anm. 7), Ziff. 65.
    156BGBl. 1994 II, 311.
    157BGBl. 1994 II, 311.
    158BGBl. 1994 II, 1222.
    159BGBl. 1952 II, 686.
    160BT-Drs. 12/4474.
    161BT-Drs. 12/4474, 16.
    162BT-Drs. 12/4474, 19.
    163BGBl. 1994 II, 490 und 494.
    164BGBl. 1992 II, 121.
    165BT-Drs. 12/4168.
    166Vgl. unten Ziff. 84.
    167Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Parlamentarische Anfrage, BT-Drs. 12/5905, 28.